Düsseldorf. Der Ex-Obdachlose Dominik Bloh ist heute Bestsellerautor und zu Besuch in Düsseldorf. Im Interview spricht er über Herausforderungen und Chancen.
Elf Jahre hat Dominik Bloh auf der Straße gelebt. Nachdem er im Alter von 16 Jahren von seiner Mutter aus dem Haus geworfen wurde, musste er sich alleine auf den Straßen Hamburgs durchschlagen. Heute ist Bloh 36 Jahre alt, hat eine Wohnung und ist Vater. Seine Erlebnisse schrieb der Aktivist und Autor in dem Bestseller „Unter Palmen aus Stahl“ auf. Seit einigen Jahren berät er in der ganzen Bundesrepublik politische Entscheider zum Thema Wohnungslosigkeit.
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Für sein neues Buch „Die Straße im Kopf“, das am 8. Oktober erschien, ist er aktuell in Düsseldorf. Mit der NRZ hat er über seine Arbeit und darüber geredet, was Düsseldorf beim Thema Wohnungslosigkeit besser machen könnte.
NRZ: Herr Bloh, was hat Sie aus Hamburg nach Düsseldorf geführt?
Bloh: Ich wurde eingeladen, aus meinem zweiten Buch „Die Straße im Kopf“ vorzulesen. Es ist schön, sieben Jahre nach „Unter Palmen aus Stahl“ wieder durch Deutschland zu reisen. Vor allem, wenn wie hier in Düsseldorf gleichzeitig eine Tagung zum Thema „Housing First“ im Zakk stattfindet. Denn ich bin quasi auch durch ein „Housing First“-Projekt von der Straße weggekommen. Und darum geht es auch in meinem Buch. Um die Zeit, wenn man zwar ein Dach über dem Kopf hat, aber die Straße immer noch im Kopf ist. Diese Zeit nach der Straße ist nämlich nicht einfach ein Happy End, sondern hat auch wieder ganz eigene Herausforderungen.
Jenseits von ihrer Arbeit als Autor beraten Sie auch die Politik zum Thema Wohnungslosigkeit. Welche Perspektiven können Sie hier beisteuern?
Ich war in den letzten Jahren in vielen Landesparlamenten und Kommunen unterwegs und habe auch auf Bundesebene am Aktionsplan des Bauministeriums zur Wohnungslosigkeit mitgewirkt. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich auszutauschen. Es ist immer sinnvoll auch mit den Betroffenen zu reden. Denn letzten Endes wissen wir viele Dinge besser als die Politik. Auf der anderen Seite haben die anderen auch wieder Wissen, dass einem selbst fehlt – deshalb ist es so wichtig zusammen zu arbeiten. Wer aber die Straße nie erlebt hat, weiß nicht, was wirklich dringend gebraucht wird und worauf man eigentlich verzichten kann.
„Nachdem ich jahrelang von der Hand in den Mund gelebt habe, stand ich plötzlich da in einer leeren Wohnung und wusste nicht, wie ich die füllen soll“
Was denken Sie, könnte eine im Vergleich recht wohlhabende Stadt wie Düsseldorf besser machen, um wohnungslosen Menschen zu helfen?
Ganz allgemein fehlt in der Politik der Plan für eine langfristige Strategie gegen Wohnungslosigkeit. Es wird immer nur in Legislaturperioden gedacht, dabei müsste man überparteilich und mit Blick in die Zukunft denken. Für Düsseldorf im speziellen wurde mir zugetragen, dass es immer noch recht starke Repressionen gegen die Menschen auf der Straße gibt. Und es kann nicht sein, dass Menschen bestraft werden, die sowieso nichts haben, die zu den Schwächsten in der Gesellschaft gehören. Ich sage, in reichen Städten müssen dann auch vermögende Menschen Verantwortung übernehmen, das steht genauso im Grundgesetz – Eigentum verpflichtet.
Zum Abschluss würde ich nochmal auf das Buch zurückkommen: Was bedeutet es, wenn die Straße im Kopf bleibt?
Ich erinnere mich noch an meine ersten Tage: Nachdem ich jahrelang von der Hand in den Mund gelebt habe, stand ich plötzlich da in einer leeren Wohnung und wusste nicht, wie ich die füllen soll. Alles was ich hatte war in eine Tasche gepackt und was ich kannte war, mit zwei Zentimeter Isomatte über dem Kopfsteinpflaster zu schlafen. Ich musste schauen, werfe ich mir einfach eine Matratze auf den Boden oder hole ich mir doch ein Bett. Oder ich stand nach fünf Jahren plötzlich in meiner Küche und habe gemerkt, dass ich gar kein Besteck benutze und nur ein Glas besitze. In meinem Kopf war immer noch die Straße und ich musste sehr viel erst wieder neu lernen.
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