Düsseldorf. Für Menschen, die keine Wohnung mehr bekommen, ist Housing First eine „letzte Chance“. Das Projekt hat bereits fünfzig Wohnungen vermittelt.

Der Düsseldorfer Volker K. hat diese Woche viel Besuch in seiner Mietwohnung in Unterbilk: Oberbürgermeister Stephan Keller und die Dezernentin für Kultur und Integration, Miriam Koch, sind gekommen; außerdem das Team von Housing First Düsseldorf. Denn Volkers Einzug im Oktober 2023 ist auch eine Wegmarke: Es ist die fünfzigste Wohnung, die ein vormals wohnungsloser Düsseldorfer durch das städtisch geförderte Projekt beziehen konnte. Das Ziel von Housing First ist es, Straßenobdachlosigkeit nachhaltig zu beenden. Die Stadtvertreter zeigen sich von den Erfolgen nach den ersten fünf Jahren beeindruckt. Aber auch Vereins-Vorstandsmitglied Hubert Ostendorf wirkt fast erstaunt davon, wie gut es läuft: „50 Wohnungen innerhalb dieser kurzen Zeit sind ein Riesenerfolg“, freut er sich. Und zwei weitere Einzüge seien schon in Planung.

In sechs Monaten aus der Wohnungslosigkeit

Davon, wie schnell er in seine vier Wände kam, ist auch Volker erstaunt: „Sechs Monate, nachdem ich mich zum ersten mal persönlich bei Housing First gemeldet habe, hatte ich schon meine Wohnung!“ freut sich der 54-jährige. Aber der Reihe nach: Der Düsseldorfer hatte es nicht leicht in den vergangenen Jahrzehnten. Seit er 16 war litt er an Drogenabhängigkeit, erzählt er. Berufstätig war er trotzdem, ist gelernter Maler- und Lackierer. Doch aus gesundheitlichen Gründen konnte er in seinem Beruf irgendwann nicht mehr arbeiten. Lange lebte er in betreutem Wohnen, zuletzt bei den Franzfreunden. Nach einem persönlichen Konflikt im Frühjahr 2023 sei er dort ausgezogen.

Glücklicherweise sei er sieben Monate lang bei verschiedenen Freunden untergekommen, berichtet Volker. Er musste nicht auf der Straße schlafen. Auf Hinweis eines Freundes habe er dann Housing First gefunden – „Ich bin direkt persönlich hingegangen.“ Nach einem Erstgespräch blieb er mit den Sozialarbeitern im Kontakt, bis es mit einer Wohnung klappte. Parallel dazu ging er zur Entgiftung. Heute ist er „clean“, berichtet er stolz. Und dabei, drogenfrei zu bleiben, habe ihm auch geholfen, einen eigenen Rückzugsort zu haben.

„Für mich war das eigentlich die letzte Chance“

„Für mich war das eigentlich die letzte Chance“, sagt Volker. „Weil: Als ALG-Empfänger bekommst du keine Wohnung. Das kannst du knicken.“ Auch alle, die über Immobilienportale keine Chance mehr haben, können bei Housing First zur Wohnung kommen, erklärt Alena Hansen, Sozialarbeiterin des Vereins: „Wir haben eine lange Warteliste“. Zu den wenigen Kriterien zählt dann der Gesundheitszustand: „Es ist wichtig, dass Menschen schnell eine Wohnung bekommen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie den Winter sonst vielleicht nicht überleben“, sagt Hansen. Aber auch, ob der Standort etwa in der Nähe von wichtigen Ärzten oder Substitutionsprogrammen liegt, ist relevant. Beim Kontakt mit dem Jobcenter, das die Miete übernimmt, hilft der Verein. Doch die Unterstützung hört mit dem Einzug nicht auf. Und auch bei der Erstausstattung wird auf Basis von Spenden ausgeholfen.

Die neue Wohnung ist dann auch eine Grundlage, auf der Menschen wieder ins Arbeitsleben kommen, berichtet Hansen. Auch Volker will wieder arbeiten. Zwar kann er weiterhin nicht in seinen alten Beruf zurück, doch er weiß genau, was er machen möchte: Als Streetworker selbst etwas „zurückgeben“. Dazu engagiert er sich bisher ehrenamtlich bei dem NRW-weiten Drogenhilfe-Projekt „Selbsthilfe von Junkies, Ehemaligen und Substituierten“ (JES). Die Düsseldorfer JES-Gruppe hat er im November mit einigen gleichgesinnten neu gestartet. Perspektivisch will er aus dem Ehrenamt auch seinen neuen Beruf machen, berichtet er enthusiastisch.

Oberbürgermeister ist vom Projekt überzeugt

Für Enthusiasmus sorgt auch die bisherige Bilanz von Housing First: Vor fünf Jahren fing Fiftyfifty in Düsseldorf an, Wohnungen zur Vermietung an Obdachlose zu kaufen, berichtet Ostendorf: „Das, was damit in Finnland gelungen ist, wollen wir auch in Düsseldorf erreichen – Straßenobdachlosigkeit abzuschaffen.“ Im Oktober 2021 wurde der eigene Verein Housing First gegründet, die Stadt förderte das Projekt, finanzierte feste Sozialarbeiterstellen. „Das ist eine großartige Initiative, die wir als Stadt nach Kräften unterstützen!“ lobt Oberbürgermeister Stephan Keller, selbst Schirmherr des Vereins. Vorerst war die Förderung befristet, jetzt sollen drei Stellen dauerhaft gesichert werden, bekräftigt er. Das Konzept habe ihn voll überzeugt, erklärt der OB: „Die Wohnung ist der Schlüssel, auch die anderen Problemlagen zu überwinden.“

Mittlerweile rund ein Drittel der Wohnungen, die über das Projekt vermietet wurden, gehören privaten Vermietern. Auch weiterhin sucht der Verein nach Wohnungseigentümern, die mithelfen wollen. Informationen dazu gibt es unter www.housingfirstduesseldorf.de/vermieten.

Bisherige Flüchtlingsunterkunft soll bald Obdachlose beherbergen

Besonders beim aktuell eisigen Wetter ist es wichtig, dass Menschen nicht im Freien Schlafen müssen. Das Versprechen, den Personen, die bis vor kurzem in der Baugrube des „Grand Central“ campierten, eine warme Unterkunft anzubieten, konnte die Stadt einlösen, sagt Miriam Koch. Dazu haben die verfügbaren Unterkünfte und Hotelzimmer gereicht, erklärt sie. Doch in wenigen Wochen will die Stadt auch ein neues „Winterquartier“ für obdachlose Menschen eröffnen. Dienen soll dazu die bisherige Geflüchtetenunterkunft an der Moskauer Straße in Oberbilk. Deren derzeit rund 80 Bewohner werden in Kürze auf andere Unterkünfte aufgeteilt, so Koch. Über das genaue Konzept sei die Stadt gerade mit den Trägern der Obdachlosen- und Drogenhilfe im Austausch. Sozialarbeiterin Alena Hansen lobt das zügige Handeln der Verwaltung: „Das ist wirklich sehr kurzfristig für die Stadt.“