Düsseldorf. Miguel Passarge vom Zakk vor dem 8. Lieblingsplatte-Festival: Welche Bands er dort unbedingt noch haben will und bei wem er die Hoffnung aufgibt.
Miguel Passarge grinst, während er genüsslich-langsam den Namen einer „Lieblingsplatte“-Bands ausspricht: „Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs“. Eine Formation, die 1980 gegründet wurde, 1996 den letzten Tonträger veröffentlichte und heute als Vorreiter der „Hamburger Schule“ gilt. Passarge, Booker vom Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk, ist jemand, der solche Bands aus der Versenkung holt. „Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs“ spielen bei der achten Ausgabe des Lieblingsplatte-Festivals, bei dem es um wichtige Alben deutscher Pop-Geschichte geht. Auch „Die Braut haut ins Auge“ oder „Guru Guru“ machen in diesem Dezember im Kulturzentrum an der Fichtenstraße Station. Bands, die schon lange keinen Probenraum mehr von innen gesehen haben.
„Wir behandeln die Popmusik wie klassische Musik, es geht um Repertoirepflege und kulturelle Bedeutung“, sagt Passarge, dessen „Lieblingsplatte“ längst zu einem Zakk-Leuchtturmprojekt geworden ist und deutschlandweite Anerkennung erhält. Dabei hatte man 2016, als es mit der Konzert-Reihe losging, gar keine Reihe in Aussicht. Beim Debüt spielten Fehlfarben ihre Platte „Monarchie und Alltag“. Passarge findet dieses Konzert auch Jahre danach „alles überragend“. Aber wie sollte es weiter gehen? Damals, nach der Premiere, saß der Zakk-Booker bei Geschäftsführer Jochen Molck im Büro. „Und er fragte mich, ob ich überhaupt noch genug Bands für eine zweite Auflage habe“, erinnert sich Passarge. Offensichtlich gab es die, und noch ganz viel mehr. Die „Lieblingsplatte“ wird zum Lebenswerk.
+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++
Der heute 53-Jährige wurde in Kassel geboren, wuchs in einem Kaff südlich von Stuttgart auf. Passarge war schon früh an Musik interessiert. Er studierte Musikwissenschaften, Anglistik und Kulturmanagement. In die Szene stieg er mitte der Neunziger im Kulturzentrum Karlstorbahnhof in Heidelberg ein. Dort übernahm Passarge sofort das Booking. Deutsch-Rap war das große Ding, Heidelberg das Epizentrum. Es gab Begegnungen mit Acts wie Advanced Chemistry, Torch oder Cora E., die dieses Jahr ebenfalls bei der „Lieblingsplatte“ dabei ist. Begegnungen und Verbindungen mit langem Haltbarkeitsdatum.
Die Acts bei der 8. Lieblingsplatte
Vom 14. bis 21. Dezember 2024 findet die 8. Ausgabe des Lieblingsplatte-Festivals im Düsseldorfer Zakk statt. Das sagt Booker Miguel Passarge über die Bands, die dann spielen werden:
Patrice ist eine Premiere, da ich bisher noch keinen Reggae/RnB-Act beim Festival hatte. Da bin ich stolz, dass ich einen solch namhaften Künstler verpflichten konnte, der zusammen mit Gentleman das Genre in Deutschland neu belebte.
Mit Cora E. schließt sich der Heidelberg-Zyklus. Ich hatte ja Torch da, ich hatte die Stieber Twins da, und auch Toni L. war schon beim Festival. Cora E. ist der erste weiblich Act. Sie spielt ihr Album mit dem programmatischen Titel „Der MC ist weiblich“. Ich bin froh, dass ich sie endlich mal bekommen habe.
Die Braut haut ins Auge ist die einzige, rein weiblich besetzte Band der Hamburger Schule und hat damit ein Alleinstellungsmerkmal. Sängerin Bernadette La Hengst ist bis heute ziemlich aktiv als Musikerin unterwegs. Die Band spielt ihr wunderbares Album „Was nehm‘ ich mit“.
Mit Guru Guru setzt sich eine Tradition fort, die des Krautrocks: Faust war schon da, Michael Rother war schon da. Guru Guru spielen ihr Album „Moshi Moshi“ mit Japan-Bezug. Sänger und Drummer Mani Neumeier hat eine japanische Frau, das passt doch super zu Düsseldorf.
Jeremias ist eine Band der jungen Generation, die erste Post-Corona-Band bei Lieblingsplatte. Sie haben ihr Album „Golden Hour“ während der Pandemie aufgenommen, mit dieser typischen melancholischen Stimmung. Ein tolles Werk, erst vier Jahre alt, aber jetzt schon ein Klassiker.
Ostzonen Suppenwürfel Machenkrebs: In Süddeutschland würde man diesen Bandnamen als etwas „spinnert“ bezeichnen. So ist auch die Musik im positiven Sinne: ein bisschen ironisch-verquer, freigeistig.
Mit Turbostaat geht die Deutschland-Reise weiter, bis ganz in den Norden. Die Band kommt aus Husum, macht total dringlichen Indie-Punk. Das Album „Vormann Leiss“ ist von Moses Schneider produziert und das beste Turbostaat-Werk. Es wird bei Lieblingsplatte erklingen.
Alles zum Programm und zum Ticketkauf über www.zakk.de.
Irgendwann wollte Passarge, der übrigens selbst Musik macht (Folkband „My Brother The Sea“) dann „was anderes machen“ und bewarb sich 2001 beim Zakk. „Eigentlich wollte ich nach Berlin, wie alle anderen auch“, erinnert sich der Musikexperte heute. „Aber das Zakk war damals schon deutschlandweit eine wichtige Adresse. Und wenn man sich Düsseldorf gemeinsam mit dem Ruhrpott anschaut, dann ist das ja ein ähnlicher Ballungsraum wie Berlin.“ Der neue Zakk-Booker schöpfte bei seinem Start reichlich Potenzial aus, sorgte dafür, dass Bands wie Tocotronic oder Blumfeld nicht nur in Köln spielten. Er setzte Düsseldorf wieder auf die musikalische Landkarte.
„In Düsseldorf lernst du jemanden in der Kneipe kennen, der dir dann sein ganzes Leben erzählt, und dann fragst du dich, worüber man sich dann am nächsten Tag unterhalten soll.“
Als Schwabe sozialisiert (den Dialekt hört man immer noch heraus) musste sich Passarge auch erst mal an die rheinische Lebensart gewöhnen. „Die Schwaben sind ja viel verschlossener als die Menschen im Rheinland“, erzählt er. „In Düsseldorf lernst du jemanden in der Kneipe kennen, der dir dann sein ganzes Leben erzählt, und dann fragst du dich, worüber man sich dann am nächsten Tag unterhalten soll.“ Und auch musikalisch musste Passarge hier und da umdenken. Was in Heidelberg passte, ging in Düsseldorf nicht unbedingt. „Düsseldorf hat keine große Rap-Szene, das habe ich schnell gemerkt“, erzählt der Booker und erinnert sich an ein Konzert im Zakk von Samy Deluxe. „Da kamen gerade einmal 100 bis 200 Leute, das lief gar nicht.“
- Die NRZ Düsseldorf bei WhatsApp: Hier kostenlos den Kanal abonnieren
Was läuft, ist das Lieblingsplatte-Festival, das in diesem Jahr vom 14. bis 21. Dezember im Zakk steigt. Auch diesmal wird es viele Begegnungen geben. Passarge wird in dieser Zeit auch eine Art Hoteldirektor sein, „weil viele Bands in den Tagen vor ihrem Konzert bei uns herumhängen und auch proben“. Die Zakk-Crew kümmert sich dann um alles. Passarge ist auch schonmal mit einer Drummerin zum Arzt gefahren, weil ihr Handgelenk verstaucht war.
Auch, wenn das Zakk derzeit finanziell angeschlagen ist und demnächst auch noch eine umfangreiche Sanierung des Kulturhauses ansteht - Miguel Passarge macht sich keine finanziellen Sorgen um sein Festival. Es gibt eine Förderung vom NRW-Kulturministerium und von Hauptsponsor Sipgate. „Das federte bislang jedes Risiko ab“, sagt der Lieblingsplatte-Erfinder, der mit der Konzertreihe auch Corona überstanden hat und der sich eher über das Line-up für die nächsten Jahre Gedanken macht. „Also die Toten Hosen, die hätte ich schon gerne. Es wäre ein Traum, die irgendwann mal zu bekommen“, sagt Passarge. Es gibt natürlich noch andere Wunschkandidaten. Kraftwerk zum Beispiel. „Aber die schweben in anderen Sphären, denke ich.“
Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Düsseldorf
- Pop-Up-Store „Weihnachtswerk“: Wer schenken will, muss fix sein
- Weihnachtsmärkte in Düsseldorf: Die 44 schönsten Bilder
- Belästigung auf Weihnachtsmarkt? Gefahr lauert oft woanders
- Autor Dominik Bloh war obdachlos: Immer noch die Straße im Kopf
- Düsseldorf: Luxuswohnung für 700 statt 2.500 Euro kalt - Fake?
- Lesen Sie hier alle Nachrichten aus Düsseldorf