Düsseldorf. Bei einer pro-israelischen Kundgebung am Sonntag in Düsseldorf kamen 1000 Menschen. Die Jüdische Gemeinde ist enttäuscht über fehlende Solidarität.
Der „Überraschungsangriff“ der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel bleibt auch ein Jahr danach verstörend. Das Massaker, das die Terroristen an der Zivilbevölkerung verübten, ist an Brutalität und Grausamkeit nicht zu überbieten. Am vergangenen Sonntag gingen Menschen in Düsseldorf auf die Straße. Beim pro-israelischen „Marsch des Lebens“ wurde unter anderem die Freilassung der Hamas-Geiseln gefordert. Zu dieser Kundgebung kamen – wohlwollend geschätzt – 1000 Demonstrierende. Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu wenig.
Zahlreiche Feiertage im Oktober
Im Oktober 2024 finden zahlreiche jüdische Feiertage statt: Rosch Haschana (2. bis 4.10.) ist das jüdische Neujahrsfest und markiert damit den Beginn des jüdischen Jahres, das sich nach dem Mond richtet. Jom Kippur (11. bis 12.10.) wird auch Versöhnungstag genannt. Vom Sonnenuntergang des Vortags bis zum nächsten Sonnenuntergang wird weder gegessen noch getrunken. Eine ganze Woche lang wird das Sukkot-Fest (auch Laubhüttenfest 16. bis 23.10.) gefeiert. Es erinnert an die Wanderung der Israeliten durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten. Das Laubhüttenfest geht in das zweitägige Schlussfest Schemini Azeret (24.10.) über. Der zweite Tag (25.10.) hat einen eigenen Namen: Simchat Tora. Gläubige sollen an diesem Tag nicht arbeiten
Nach dem Angriff der Hamas im Oktober 2023 gab es zahlreiche Mahnwachen, Kundgebungen und pro-israelische Veranstaltungen in Düsseldorf. Am 8. Oktober 2023, also einen Tag nach dem Massaker, gab es die erste Kundgebung vor dem NRW-Landtag mit kaum 500 Leuten. Die größte Beteiligung hatte ein Demonstrationszug durch die Stadt am 23. November 2023 mit etwa 1700 Teilnehmenden. Die Jüdische Gemeinde äußert sich zu dem überschaubaren Zulauf auf NRZ-Anfrage so: „Wir sind schon enttäuscht darüber, dass so nur so wenige Menschen ihre Solidarität für Israel und für jüdisches Leben –in welcher Form auch immer –zeigen.“
„Ich finde, dass 1000 Demo-Teilnehmende gar nicht so wenig sind“, sagt die designierte OB-Kandidatin der Düsseldorfer Grünen, Clara Gerlach. Auch als Ratsfrau vermisse sie die Solidarität mit Israel und der Jüdischen Gemeinde nicht. „Wir stellen uns ganz klar gegen Antisemitismus und an die Seite der Gemeinde“, so Gerlach. „Aber wenn Jüdinnen und Juden in Düsseldorf das Gefühl haben, dass es an Unterstützung fehlt, dann haben wir als Rat ja auch immer ein offenes Ohr und sind zu Gesprächen bereit. Denn wenn man Angst hat, dann lässt es sich in einer Stadt nicht gut zusammen leben.“
+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++
Das Mitgefühl mit den Opfern der Hamas scheint in Deutschland zu weichen, weil viele Menschen vom Vorgehen des israelischen Militärs im Nahen Osten entsetzt sind. „Viele Menschen haben eine Meinung, sich aber aus der öffentlichen Schwarz-Weiß-Diskussion zurückgezogen“, meint Sabrina Proschmann. Die Düsseldorfer SPD-Fraktionschefin spricht von einer „Schockstarre im Diskurs“. Der Hamas-Angriff vor einem Jahr sei „purer Terrorismus“ gewesen, aber die derzeitige Eskalation im Nahen Osten fordere auch viele Opfer. „Vielleicht kommen deshalb nur 1000 Menschen zu solch einer Kundgebung wie am Wochenende“, so Proschmann. „Es muss einen Weg geben, Mitleid zu haben mit palästinensischen Kindern, die sich auf der Flucht befinden, ohne gleichzeitig das Selbstverteidigungsrecht Israels in Frage zu stellen.“
- Die NRZ Düsseldorf bei WhatsApp: Hier kostenlos den Kanal abonnieren
Lässt sich Solidarität an der Anzahl der Teilnehmer an einer Demonstration messen? Diese Frage stellt sich Nils Mertens, Sprecher im Büro von Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). Es ginge ja auch mehr um eine Haltung. „Wir stehen unverrückbar an der Seite Israels und aller Jüdinnen und Juden in Düsseldorf“, spricht Mertens für die Stadtspitze. „Sie erhalten von uns den maximalen Support auf allen Kanälen, und wir unterstützten alle Veranstaltungen der Gemeinde.“
Allein im Jahr 2023 gab es in Nordrhein-Westfalen bei den antisemitischen Straftaten einen Anstieg von 331 in 2022 auf 547. Das ist ein Zuwachs von 65 Prozent. Die Statistik wird sich für 2024 noch einmal bedauerlicherweise nach oben hin verschieben. „Düsseldorf hat fast 700.000 Einwohner, da sind 1000 Menschen, die ihre Solidarität für Israel zeigen, echt schwach“, sagt Michael Szentei-Heise, der bis 2020 Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf war. „Bei pro-palästinensischen Demos kommen 10.000 Leute, das ist die Wirklichkeit. Die fehlende Solidarität mit dem israelischen Volk ist bei Kundgebungen wie am Sonntag in Düsseldorf sichtbar, da können Scholz und Steinmeier in ihren Sonntagsreden erzählen, was sie wollen“, so Szentei-Heise.
Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Düsseldorf
- Blitzer in Düsseldorf: So viele Autos wurden 2024 schon geblitzt
- Erster Schnee: So bereitet sich Düsseldorf auf den Winter vor
- S-Bahnhof Wehrhahn wird abgerissen: Das müssen Pendler wissen
- TV-Auftritt: Steakhaus „El Lazo“ bei „Mein Lokal, Dein Lokal“
- Flughafen Düsseldorf: Umstrittener Securitydienst erhält Auftrag
- Lesen Sie hier alle Nachrichten aus Düsseldorf