Düsseldorf. Die LBTQIA+-Community feierte auf der Rheinkirmes den Pink Monday. Bis zu 50.000 Gäste wurden erwartet. Warum der Tag für die Szene so wichtig ist.

Am Montag, 15. Juli, gab sich die LGBTQIA+-Community ein Stelldichein auf der Rheinkirmes. Überraschend war das natürlich nicht, sondern vielmehr legendär: Schließlich herrschte Pink Monday. Mit Dragqueens, Pride-Flaggen und viel, viel Erdbeerlikör. Das Event gibt es – so sagt man – seit 1982 und sorgt für den Extraklecks Farbe auf der an sich schon nicht gerade grauen größten Kirmes am Rhein. Wir haben uns auf den Weg gemacht.

Gegen 17 Uhr startet der Düsseldorfer Pink Monday so langsam. Vor allem in Bruchs Schwarzwald-Christel wärmen sich die ersten hinreichend auf. Aus den Boxen dringt Helene Fischer, in die Gläser fließen Füchschen, Weißwein und Aperol Spritz. Im Getümmel sitzen Thomas und Ali, die sich in ihrer Getränkewahl etwas abheben. Thomas trinkt ein Pils, Ali ein Wasser. „Ich muss heute mal kürzertreten“, sagt Ali, „die letzten Tage waren hart.“ Und doch haben sie‘s geschafft, herzukommen. Thomas verrät, dass das mittlerweile Tradition hat: „Wir kommen aus Recklinghausen eigentlich jedes Jahr hierher. Der Pink Monday zieht einfach.“

Pink-Monday auf der Rheinkirmes: Alles begann in der Schwarzwald-Christel

Am Nachbartisch steht Mittzwanziger Maik, der die Pride-Fahne auf die Hand tätowiert hat: „Der Pink Monday ist einfach ikonisch! Das ist für die Szene ungeheuer wichtig hier. Gerade auch für die, die sonst nicht bei jedem Event dabei sind. Die trifft man dann hier“, sagt er und deutet dabei auf einige gesetztere Herren nebenan, die das lachend bestätigen.

Die Schwarzwald-Christel gilt tatsächlich als der Ursprung des Düsseldorfer Pink Mondays. Der Legende nach – so erzählte es der Leiter des Düsseldorfer Theatermuseums Sascha Förster unserer Redaktion – hätte die Belegschaft des legendären Nähkörbchens, Hafenstraße 11, das montags seinen Ruhetag hat, eben diese Ruhe nicht ausgehalten und sei mit Sack und Pack in die Schwarzwald-Christel gewandert. Das sei wohl 1982 zum ersten Mal so gewesen. Förster meint aber, „so richtig weiß es keiner“. Aus dem blauen Montag des Nähkörbchens wäre so der pinke Montag auf der Rheinkirmes geworden.

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Die Schwarzwald-Christel heißt zwar mittlerweile Schwarzwald-Stadl und gehört Schaustellerkönig Oscar Bruch, am Flair hat das aber wenig geändert. Die Leute, die hier hingehen, sagen durch die Bank weg weiter Schwarzwald-Christel. So richtig voll ist es noch nicht, dennoch werden schon Pläne für den weiteren Abend geschmiedet. Chris und Maik stehen gemeinsam herum und „sehen einfach gut aus“, wie sie sagen. „Wir trinken jetzt unser lecker Bierchen hier aus, schauen, was der Abend bringt – und wenn der Bums hier zumacht, dann zieh‘n wir weiter in die Altstadt.“

Den Pink Monday gibt es – so sagt man – seit 1982. Auch am Montag (15. Juli) wurde er auf der Düsseldorfer Rheinkirmes gefeiert.
Den Pink Monday gibt es – so sagt man – seit 1982. Auch am Montag (15. Juli) wurde er auf der Düsseldorfer Rheinkirmes gefeiert. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Es kommt nur langsam in Gang, doch die Richtung stimmt

Am späten Nachmittag kommt das Ganze hier noch nicht so recht in Fahrt. Die Wirtin des Braukessels etwa, wo die Pride-Fahne als Tischtuch eingeführt wurde, gibt zu, dass „der Pride-Monday sonst schon mehr zieht“. Woran es liege? „Ich weiß nicht, das Wetter, die Ferien... Schauen wir mal.“ So nach und nach aber füllt es sich. Ralf etwa kommt aus Wanne-Eickel und gibt sich gelassen. „Och, das kommt immer mal wieder vor. Ich kenn das hier ja nun auch schon ein paar Jährchen. Genaue Zahlen machen wir nicht, sonst gibt‘s Ärger.“ Und verschwörerisch raunt er: „Aber die Zahl ist zweistellig.“

Ralf ist gemeinsam mit Helena zum Pink Monday nach Düsseldorf gekommen.
Ralf ist gemeinsam mit Helena zum Pink Monday nach Düsseldorf gekommen. © NRZ | Johannes Below

Ralf ist ein echter Pink Monday-Profi. Aufgewachsen in Wanne-Eickel – „quasi auf der Cranger Kirmes“ –, kennt er die Düsseldorfer und die Herner Version des Pride-Events. Gegeneinander ausspielen möchte er sie nicht, schön seien sie beide. „Es ist einfach toll, man kennt sich, trifft sich.“ Wie lange es heute geht, weiß er noch nicht, „mal sehen, wie lange wir durchhalten“. Positiv daran: Seine Begleiterin Helena hat Urlaub, kann sich also voll ins Gedränge werfen. Und das wird auch nötig, denn schon kommen Bekannte dazu, Getränke werden geordert und die Party geht los. Vielleicht beginnt der Pink Monday 2024 ja einfach ein bisschen später.

Ursprung des Pink Monday auf der Rheinkirmes: „Neidvolle Blicke auf unsere eng behosten Lederbeine“

Warum kommt man zum Pink Monday auf die Kirmes? Was macht das Event aus? Förster hat uns erzählt, dass früher viel über die legendären Kirmesfahrten der sogenannten Leather-Men lief. Die Leather-Men waren Lederkerle, martialisch und hypermaskulin gekleidete Schwule, die sich in den 1980ern und 1990ern verabredeten, um die Rheinkirmes unsicher zu machen. Förster erläutert, dass der martialische Auftritt dabei teilweise auch ein Sicherheitsbedürfnis der Männer bediente: „Die Leather-Men traten eben besonders maskulin auf, auch zum Selbstschutz.“

Verabredet hatten sie sich zu ihren Fahrten im Szenemagazin Kappe. Dort gab es auch Reiseberichte zu lesen. Wie diesen hier von 1983: „In dem gewaltigen Getümmel, das uns schon beim ersten Schritt erfasste, erregte unsere geschlossene Formation allgemeines Aufsehen. Jung und Alt blickten mit Neid und erwartungsvollen Augen auf unsere eng behosten Lederbeine“.

Rheinkirmes feiert Pink Monday: Auch Dragqueens Coco und Caya waren dabei

Das ist inzwischen über 40 Jahre her. Am Pink-Monday 2024 waren, wenigstens bis zum frühen Abend, leider keine Lederkerle zu sehen. Dafür aber stachen Caya und Coco la Grande in ihren hinreißenden Outfits aus der Masse heraus. Die beiden Düsseldorfer Dragqueens waren die ersten Queens, die den Pink Monday unsicher machten und rissen die Blicke an sich.

Darunter durchaus auch neid- und erwartungsvolle. Wie wichtig Treffen wie der Pink-Monday für die Szene (und darüber hinaus) sind, stellten sie schnell klar. Caya: „Wir versuchen eigentlich jedes Treffen irgendwie mitzunehmen. Es gibt zwar immer wieder Menschen, die sagen: wie, das braucht ihr doch alles gar nicht mehr – aber das ist nicht die Realität.“

Drag ist natürlich Spaß, ist Ironie und Spiel, aber eben auch eine ernste Sache. Caya erläutert, dass Drag auch ein Symbol ist. „Jeder sollte lieben, wen er lieben will und was er lieben will. Jeder sollte machen dürfen, was er will. Wir ziehen einfach nur an, was wir wollen – und werden dafür teilweise schon angefeindet.“

Die beiden Dragqueens Coco la Grande (links) und Caya haben den Pink Monday auf der Rheinkirmes gebührend gefeiert.
Die beiden Dragqueens Coco la Grande (links) und Caya haben den Pink Monday auf der Rheinkirmes gebührend gefeiert. © NRZ | Johannes Below

Hier auf der Kirmes – namentlich am Pink Monday – reagieren die Menschen natürlich aufgeschlossen, aber das sei eben nicht die Erfahrung, die man alltäglich mache. „Wir brauchen solche Event sehr wohl“, sagt Caya. Und Drag bedeute, „sich einfach mal von der Norm lösen“. Der Pink Monday sei inklusiv und offen für alle. Was früher ein Event vor allem für homosexuelle Männer war, richtet sich heute an alle.

Caya und Coco la Grande sind echte Düsseldorfer Drag-Stars

Caya und Coco sind übrigens veritable Düsseldorfer Stars – und das merkt man schnell. Überall finden sie Bekannte, Menschen wollen Fotos mit ihnen machen. Und apropos machen: Sind ihre Outfits selbst gemacht? Natürlich – „außer die Brüste.“ Und Caya ergänzt: „Und der Po!“ Wie viel Arbeit darinstecke? Coco antwortet: „Die zahlreichen hysterischen Zusammenbrüche mal abgerechnet... Ach, reden wir nicht über Zahlen, das zerstört die Magie.“ Und magisch sind die beiden Damen, wie sie über die Kirmes schreiten.

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„Da steckt viel hinter“, verrät Claudia, Cocos Mama, die, wo immer es geht, dabei ist, wenn ihr Junior seiner Kunst nachgeht. „Man hat schon früh gemerkt, dass er eine besondere Persönlichkeit hat.“ Aufgewachsen in Unterrath, musste sich Coco auch schonmal durchsetzen. „Aber das kann er“, verrät die sichtlich stolze Mama. Und Coco ergänzt: „Das hab ich von ihr.“ Und das glaubt man blind.

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Die Mama verabschiedet sich, bevor es so richtig losgeht und Coco la Grande und Caya müssen ebenfalls arbeiten. Irgendwie. So richtige Arbeit sei das zwar nicht, aber sie repräsentierten eben doch. Sie haben einen Auftrag. Feiern ist auf dem Pink Monday doch ein bisschen mehr als bloße Party. Hier geht es auch darum, einer Community einen Auftritt zu verschaffen, den sie sonst nicht so hat. Auch im 21. Jahrhundert nicht. Claudia meint, „manchmal fühlt es sich so an, als würden wir Rückschritte machen, was die Toleranz angeht“. Der Pink Monday hat also nach wie vor einen Auftrag.