Voerde. Einer der drei Kamine auf dem alten Kraftwerksareal wird bald zurückgebaut. Welche Technik zum Einsatz kommt und ob eine Sprengung in Rede steht.

Noch ragt der grau-weiße Riese mit seinen rund 220 Metern Höhe wuchtig gen Himmel. Doch bald schon geht es ihm an den „Kragen“. Die Rede ist von einem der drei Schornsteine, die auf dem Gelände des stillgelegten Steinkohlekraftwerks an der Frankfurter Straße in Möllen stehen. Es geht um den Kamin der ehedem neuen Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage (REA), sprich, jenen, der ganz im Norden der alten Industriefläche und am nächsten zur Ahrstraße steht. Schon vor einem Dreivierteljahr wurde die ursprüngliche „Spitze“, zwei Rohrenden ähnliche Teile, demontiert und Stücke des Innenrohrs in Einzelteile zerlegt und abgelassen. In wenigen Wochen nun wird hoch oben per Kran ein Abbruchgerät platziert, das den Kamin „abknabbern“ wird, wie RWE-Sprecher Olaf Winter auf NRZ-Anfrage erklärt.

Bisheriges Highlight des Kraftwerk-Rückbaus in Voerde war Ende 2023 die Sprengung des Kühlturms

Dem Essener Energiekonzern gehört das etwa 60 Hektar große Areal. RWE will die Fläche bekanntlich zu einem Standort umbauen, „an dem in industriellem Umfang grüner Wasserstoff erzeugt“ werden kann. Dafür wird seit nunmehr anderthalb Jahren der Weg freigemacht: Im Juli 2023 wurde mit dem Rückbau der alten Industrieanlagen begonnen, der dann fünf Monate später mit einem vielbeachteten Knall seinen vorläufigen Höhepunkt erlebte: Der 165 Meter hohe Kühlturm wurde gesprengt. Die drei Schornsteine dürften mutmaßlich auf die gleiche Weise dem Erdboden gleichgemacht werden.

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Ob dies tatsächlich beim Kamin der neuen Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage der Fall sein wird, ist nach Angaben von RWE-Sprecher Winter offen. Klar ist, dass der ehedem 225 Meter hohe Koloss, der im unteren Bereich einen Durchmesser von 25 Metern und im oberen Teil von 20 Metern hat, zunächst von einem an der Spitze positionierten Bagger auf 185 Meter „gekürzt“ wird. Die vorbereitenden Arbeiten zu diesem konventionellen Rückbau laufen. Das „Abknabbern“ könne bis zu zwei Monate dauern. „Das ist abhängig von Witterung und anderen äußeren Einflüssen“, erklärt Winter. Beim weiteren Rückbau des Schornsteins favorisiert RWE die „anschließende Sprengung“. Planungen dafür wurden nach Angaben des Energiekonzerns den Behörden vorgestellt. Es seien jedoch noch nicht alle Punkte abschließend geklärt, wie Winter ausführt.

RWE entspricht mit „Abknabbern“ des Schornsteins einem Wunsch der Stadt Voerde

Dass der Schornstein vom Abbruch-Gerät vor einer möglichen Sprengung zunächst um 40 Meter „geschrumpft“ wird, hängt nicht, wie man vermuten könnte, mit der Umgebung zusammen: Der Kamin liegt schließlich nicht nur sehr nahe an der Ahrstraße, sondern auch zum Rhein und zum Deich. Mithin stellt sich die Frage, ob – sollte etwas schiefgehen und der Schornstein nicht wie errechnet fallen – Risiken für den Schiffs- und den Straßenverkehr sowie die Deichanlagen bestehen könnten.

„Mit dem konventionellen Rückbau des Kamins – dem „Abknabbern“ – kommen wir dem Wunsch der Stadt Voerde entgegen, einen angrenzenden Gehölzstreifen zu verschonen und als Sichtschutz an der Ahrstraße zu erhalten, der bei einer Sprengung aus voller Höhe als ,Fallbett‘ benötigt worden wäre“, begründet Winter die Vorgehensweise. Sämtliche Stahlkonstruktionen im Schornstein sowie Anbauteile würden vorher zurückgebaut. „Zum Teil sind sie das schon“, so Winter. Zwei Rauchgaskanäle, die von der früheren Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage zum Kamin führen, sind noch zu demontieren. Auf die Frage nach dem Zeitplan erklärt der RWE-Sprecher: Der Rückbau des Schornsteins „soll in 2025 abgeschlossen werden“.

„Die anschließende Sprengung ist die favorisierte Rückbautechnologie.“

RWE-Sprecher Olaf Winter zu der Frage, wie der Kamin der Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage auf dem alten Kraftwerksgelände in Voerde nach dem Prozess des „Abknabberns“ von der Bildfläche verschwinden soll.

Der Schornstein ist eine Anlage unter vielen, an denen 2025 auf dem ausgedienten Kraftwerksgelände Abbruch- und andere Arbeiten laufen. RWE-Sprecher Winter nennt hier etwa das Kesselhaus West 1 und 2 und das Kesselhaus Voerde A und B, wo „aktuell Sanierungs- und Reinigungsarbeiten“ erfolgen. Außerdem würden Gerüste auf- und abgebaut, die in dem Zuge benötigt werden. Weitere Arbeiten betreffen das Maschinenhaus A und B. Dort werden gerade Fassadenelemente demontiert. „Das ist von der Frankfurter Straße aus erkennbar. Die Gebäude werden anschließend mit Baggertechnik maschinell zurückgebaut“, kündigt Winter an. Außerdem werden ihm zufolge aktuell kleinere Nebenanlagengebäude mit sogenannten Longfront-Baggern zurückgebaut.

Zuletzt waren Ende vergangenen Jahres weitere Kolosse demontiert oder abgerissen worden: Die beiden verbliebenen Kohlebandbrücken, die sich über die Frankfurter Straße spannten, wurden abgebaut. Und der Eisenbahnbrücke, über die früher die Betriebsbahn des Steinkohlekraftwerks fuhr, rückten hydraulische Abbruchbagger zu Leibe. Seitdem hat sich das Bild auf der Landesstraße in Höhe des alten Industriegeländes noch einmal mehr verändert.