Voerde. Die Berechnung der Grundsteuer wird neu geregelt. Die Städte und Gemeinden sollen dadurch keine Einnahmeeinbußen haben. Was auf Voerder zukommt.

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung der Grundsteuer stellt auch die Stadt Voerde vor die Frage, welche Hebesätze sie künftig festlegen wird. Denn eines ist klar: Die zum 1. Januar 2025 umzusetzende Reform soll für die Städte und Gemeinden aufkommensneutral sein. Die Einnahmen, die sie daraus erzielen, sollen sich in der bisherigen und geplanten Höhe bewegen. Eine zentrale Rolle spielt die Grundsteuer B. Rund 8,4 Mio. Euro flossen darüber zuletzt jährlich ins Voerder Stadtsäckel. Anders als die Gewerbesteuer ist sie in der Höhe eine verlässliche Einnahmequelle für die Kommunen. Damit es hier für sie nicht zu Einbußen kommt, sind im Zuge der Grundsteuerreform gegebenenfalls Anpassungen bei den Hebesätzen erforderlich. Dabei zeichnet sich in Voerde in der Art des Vorgehens – Stand jetzt – eine Kehrtwende ab.

Die Stadtverwaltung hält inzwischen einen Weg für gangbar, den sie vor knapp zweieinhalb Monaten noch für keine Option hielt. Die Rede ist von der Möglichkeit, bei der Grundsteuer B differenzierte Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke anzuwenden – und zwar in der Höhe, die das Finanzministerium des Landes NRW als „aufkommensneutral“ ermittelt hat. Bisher hatte es auch im Voerder Rathaus Vorbehalte gegen diesen Weg gegeben. Argumentiert wurde mit dem „Klagerisiko“. Es bestehe die Rechtsauffassung, „dass der differenzierte Hebesatz nicht gerichtsfest ist“, hatte Bürgermeister Dirk Haarmann Mitte Juli gegenüber der NRZ erklärt und zudem „den erheblich höheren Verwaltungsaufwand“ als Gegenargument angeführt.

Die Möglichkeit, bei der Grundsteuer B anstelle eines einheitlichen einen differenzierenden Hebesatz festzulegen, hat die Landesregierung geschaffen. Begründung des NRW-Finanzministeriums: Durch das Bundesmodell für die Grundsteuerreform könne es zu einer Verschiebung kommen. Demnach würden private Haushalte künftig mehr belastet als Eigentümerinnen und Eigentümer von Nichtwohngrundstücken. Dies sah auch die Stadt Voerde von Anbeginn so, hielt die Handlungsoption, hier bei der Steuererhebung zu unterscheiden, aber bisher für keine geeignete Maßnahme. Aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklungen vertritt sie heute eine andere Position. Ein wichtiger Punkt: Anfang August 2024 trat das „Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen“ in Kraft.

Das Vorgehen sei zunächst „rechtlich höchst kritisch beurteilt“ und vor allem wegen der „Verlagerung des Klagerisikos“ auf die Städte und Gemeinden von den kommunalen Spitzenverbänden abgelehnt worden, erinnert die Verwaltung in einer Vorlage für die Politik, die zunächst im Haupt- und Finanzausschuss zur Beratung ansteht. In der Folge sei im Auftrag des NRW-Finanzministeriums durch zwei Universitätsprofessoren ein Rechtsgutachten erstellt worden, das im Ergebnis „die wesentlichen, aber bisher vorgebrachten Bedenken der Kommunen und der Spitzenverbände“ ausräume. Eine Aussage darin lautet: Soweit der Belastungsunterschied zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken nicht mehr als 50 Prozent betrage, sei die Orientierung der Belastungsverteilung an den Auswirkungen des bisherigen Grundsteuergesetzes zulässig und werfe auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit auf.

Drohende Mindereinnahmen für die Stadt Voerde

Die Notwendigkeit, im Zuge der umzusetzenden Reform die Hebesätze anzupassen, hatte die Stadt Voerde im Frühsommer mit Zahlen untermauert: Ein Verzicht darauf würde bei der Grundsteuer B zu „Mindereinnahmen in Höhe von rund 1,3 Mio. Euro im Jahr führen“, die in der aktuellen Haushaltslage nicht zu kompensieren seien. Bei der Frage, wie viel Grundsteuer im Einzelfall zu zahlen ist, kommt es neben dem Hebesatz und der Steuermesszahl auch auf den Grundstückswert an, wie Dagmar Reusmann, Leiterin des Finanzamtes Dinslaken, erklärt.

Mehrbelastungen bei der Grundsteuer B treffen alle Haus- und Wohnungseigentümer – und am Ende jeden: Vermieter können sie über die Nebenkosten an ihre Mieter weitergeben.

Über den von der Verwaltung nunmehr vorgeschlagenen Weg wird die Voerder Politik zunächst im Haupt- und Finanzausschuss beraten. Das Gremium tagt am Dienstag, 1. Oktober, ab 17 Uhr im kleinen Sitzungssaal (Raum 137) des Rathauses. Die Entscheidung obliegt dem Stadtrat. Die Sitzung findet eine Woche später statt.

Auch wenn nach Ansicht der Voerder Verwaltung einige Punkte verbleiben, die noch offen beziehungsweise in der künftigen Anwendung problematisch sein könnten, hält sie die Anwendung differenzierter Hebesätze für das Haushaltsjahr 2025 für umsetzbar. Hieße: Bei der Grundsteuer B träte praktisch keine Veränderung ein. Der Hebesatz läge nach den aktualisierten Daten des NRW-Finanzministeriums bei 688 statt heute 690 v.H. – bei der resultierenden Steuerlast wirkten „dann praktisch ausschließlich die veränderten Messbeträge“, erläutert die Verwaltung. Für Nichtwohngrundstücke würde dann erstmalig für 2025 ein differenzierender Hebesatz von 1274 v.H. angewendet.

Würde die Stadt, wie bisher von ihr überlegt, bei der Grundsteuer B nicht unterscheiden, käme es – Stand jetzt – zu einer Anhebung um rund 18 Prozent. Der einheitliche Hebesatz läge bei 815 v.H., was die „meist deutlichen Mehrbelastungen der privaten Wohngrundstücke abermals verstärken“ würde, gibt die Verwaltung zu bedenken. Gleichzeitig bliebe es „weiterhin bei insgesamt noch deutlichen Entlastungen der Nichtwohngrundstücke, da sich die zugrundeliegenden Messbeträge stark reduzieren“.