Voerde. Die Grundsteuer B ist in Voerde seit 2016 nicht erhöht worden. Warum der städtische Finanzchef Alexander Hauser den stabilen Hebesatz kritisiert.
So schnell kann sich das Blatt wieder wenden: Nur wenige Jahre, nachdem die Stadt in ihrem Haushalt nach Gegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen im Ergebnis einen Überschuss stehen hatte, prognostiziert der Kämmerer für 2024 und 2025 jeweils ein dickes Minus: Die Defizite belaufen sich auf 2,6 beziehungsweise 2,8 Mio. Euro. Der Entwurf zum Doppeletat mit einem Volumen von rund 109 Mio. Euro (2024) und rund 111 Mio. Euro (2025), den Kämmerer Alexander Hauser im Rat vorstellte, ist strukturell nicht ausgeglichen.
Könnte die Stadt das Defizit nicht kompensieren, liefe sie erneut Gefahr, in die Haushaltssicherung zu rutschen. Damit verbunden sind tiefe Einschnitte, die Vorgaben schränken die Handlungsfähigkeit der Kommune massiv ein. Dass Voerde trotz des düsteren Szenarios „von der Haushaltssicherung noch ein gutes Stück entfernt ist“, liegt an der mit knapp 6,7 Mio. Euro (Stand jetzt) – noch – gut gefüllten Ausgleichsrücklage.
Stadt Voerde schafft Haushaltsausgleich 2024 und 2025 nur fiktiv
Die Stadt kann auf dieses Polster zurückgreifen und dadurch einen fiktiven Haushaltsausgleich herbeiführen. Die Rücklage schmilzt dadurch auf 1,3 Mio. Euro. Auch für 2026 geht der Kämmerer noch von einem Fehlbedarf aus – rund 800.000 Euro – mit der Folge, dass der städtische „Notgroschen“ dann auf etwa 470.000 Euro schrumpft. Erst für die beiden darauffolgenden Jahre sieht er wieder einen leichten Lichtstreif am Voerder Finanzhorizont, konkret Überschüsse im höheren sechsstelligen Bereich. Allerdings will er nicht zu viel Euphorie aufkommen lassen. Zwar ergäben sich auf Basis der Orientierungsdaten sehr positive Entwicklungen aus den Erträgen, allerdings habe dies auch „einiges mit dem Blick in die Glaskugel gemein“.
Der Kämmerer stellte dar, warum Voerde plötzlich wieder tiefrote Zahlen schreibt. Ein Punkt von vielen: Die Erträge würden auch ab 2024 insgesamt zwar wieder steigen, der Trend aber verlaufe deutlich flacher. „Keine guten Voraussetzungen bei hoher Inflation und vielen Kostentreibern!“, konstatiert Hauser, der sodann ein heißes Eisen anfasste. Eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen ist die Grundsteuer B. In Voerde liegt der Hebesatz seit sieben Jahren stabil bei 690 Prozent – und dieser wird auch 2024 und 2025 nicht angetastet.
Der Leitgedanke dahinter: Die Bürger dürften nicht weiter belastet werden. Hauser hinterfragte das Vorgehen. Die Grundsteuer sei die einzige Abgabe im Portfolio der Stadt, die „nicht dynamisch ist“. Alle wirtschaftlichen Entwicklungen gingen erst einmal komplett daran vorbei, denn ihre Erhebung erfolge noch – durch die anstehende Reform solle sich dies mittelfristig ein Stückweit ändern – über einen „starren Maßstab“.
Grundsteuer B in Voerde: Rund 8,4 Mio. Euro Einnahmen für die Stadt
Seit 2016 erhebe die Stadt die gleichen Grundsteuern von den Haus- und Wohnungseigentümern. Rund 8,4 Mio. Euro nimmt Voerde dadurch im Jahr ein. Doch durch die Inflation sei die Abgabe für die Steuerzahler „billiger“ und für die Stadt „deutlich wertloser“ geworden. Hauser geht von einem Rückgang einschließlich 2023 um voraussichtlich mehr als 20 Prozent aus. „Kann man da von einer zusätzlichen Belastung sprechen, wenn man lediglich versucht, den Geldwert der Steuer konstant zu halten? Schließlich haben sich auch die Immobilienwerte und Vermögen in den letzten Jahren enorm gesteigert“, sagte er, räumte aber ein: Sicherlich sei es an der Stelle diskutabel, ob es „richtig ist“, dass „Vermieter die Grundsteuerbelastungen voll an die Mieter weitergeben können, diese partizipieren ja letztlich auch nicht am Vermögenszuwachs“.
Für die Stadt aber müsse es legitim sein, die Grundsteuer über den Hebesatz regelmäßig an die Teuerung anzupassen. Schließlich werde der Anteil der Aufwendungen, die mit den erhobenen Steuern bezahlt werden könnten, immer geringer, mahnte Hauser.
>>Info: Die Folgen der Haushaltssicherung
2021 erst konnte Voerde nach zehn Jahren in der Haushaltssicherung eine lange finanzielle Durststrecke hinter sich lassen. Große finanzielle Sprünge waren ihr seither dennoch nicht möglich. Befindet sich eine Kommune in der Haushaltssicherung, muss sie ihr Handeln vorrangig darauf fokussieren, die Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge sicherzustellen, auf freiwillige Leistungen sei komplett zu verzichten, wie Bürgermeister Dirk Haarmann vor einigen Monaten gegenüber der NRZ erläuterte. Im Extremfall könnten die Auflagen einer Haushaltssicherung „beispielsweise zu Verschiebungen von Sanierungs- und Investitionsmaßnahmen oder der Absenkung von Leistungsstandards führen“.