Dinslaken/Voerde/Hünxe. Das Finanzamt Dinslaken hat die aufkommensneutralen Hebesätze für Dinslaken und Hünxe veröffentlicht. Das sagen die Kommunen dazu.

Die Finanzverwaltung NRW hat die empfohlenen Hebesätze für die Grundsteuer festgelegt. Dabei handelt es sich um eine Empfehlung, die die Kommunen umsetzen können - oder nicht. Laut NRW-Finanzministerium müssten die Kommunen bei einer Umsetzung der Empfehlung dieselben Einnahmen haben wie vor der vom Verfassungsgericht angeordneten Reform der Grundsteuer. In Dinslaken und Hünxe regt sich Widerspruch.

So reagiert die Stadt Dinslaken

Die Grundsteuerreform ab Januar 2025 führe zu Verschiebungen zwischen Wohngebäuden und gewerblich genutzten Immobilien, so die Stadt Dinslaken: „Während vor allem Einfamilienhäuser belastet werden, sinken die zugrundeliegenden Messbeträge für betriebliche Nutzungen.“ Die Reform habe nicht nur Einfluss auf einzelne Besitzerinnen und Besitzer oder deren Mieterinnen und Mieter, sondern „in erheblichem Maß“ auch auf die Stadt Dinslaken.

Kämmerer: Dinslaken hätte 2,5 Millionen Euro weniger in der Kasse

Denn bei der Reform „wurde zugesagt, dass diese für die Kommunen in der Summe aufkommensneutral sein wird“. Für die Stadt Dinslaken und ihren Ersten Beigeordneten und Kämmerer Achim Thomae ergibt sich allerdings ein anderes Bild: „Auch wenn Einzelne mehr zahlen müssen, so wird die Stadt ab 2025 - ohne Gegensteuerung - in der Summe 2,5 Millionen Euro weniger Erträge in der Stadtkasse haben als bisher.“ Bei den Finanzämtern seien allerdings noch einige Einspruchsverfahren anhängig. „Die aktuell eingetroffenen sogenannten ‚aufkommensneutralen Hebesätze‘ lassen erwarten, dass das Minus für die Stadt damit noch höher ausfallen wird“, so der Kämmerer auf NRZ-Anfrage.

„Unsere Finanzsituation lässt nicht zu, dass wir tatenlos diese Entwicklung im nächsten Jahr über uns ergehen lassen können.“

Achim Thomae,
Erster Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Dinslaken


„Unsere Finanzsituation lässt nicht zu, dass wir tatenlos diese Entwicklung im nächsten Jahr über uns ergehen lassen können. Die Verwaltung ist zu der Thematik mit der Politik im Austausch, wobei man den differenzierten Hebesätzen skeptisch gegenübersteht“, so Achim Thomae. Die Verantwortung werde so „vom Land in Richtung der Kommunen geschoben“. Auch die kommunalen Spitzenverbände in Düsseldorf hätten sich gegen die Pläne des Landes ausgesprochen. „Spätestens im Herbst wird eine Entscheidung des Rates für 2025 mit einer neuen Satzung erforderlich sein. Nach den bisherigen Signalen gehe ich davon aus, dass die Ratsfraktionen für sich bis dahin ein Meinungsbild haben und wir dann eine gemeinsame Lösung im Rat beschließen können“, so Achim Thomae.

Wenn Dinslaken der Empfehlung der Finanzverwaltung folgen würde, würden die Hebesätze steigen:

  • Die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) würde in Dinslaken von 280 v.H. auf 333 v.H. steigen.
  • Die Grundsteuer B (Baugrundstücke, bebaut und unbebaut) würde in Dinslaken von 648 v.H. auf 793 v.H. steigen.
  • Bei differenzierten Hebesätzen würden bei der Grundsteuer B 697 v.H. für Wohngebäude angesetzt und 1140 v.H. für Nicht-Wohngebäude.

So reagiert die Gemeinde Hünxe

Auch für die Gemeinde Hünxe wurden vom Finanzamt Dinslaken die sogenannten „aufkommensneutralen Hebesätze“ ermittelt. Kämmerer Michael Häsel ist skeptisch, was die Auswertung des Finanzamts angeht. „Da gibt es noch viele Fragezeichen“, sagt er. „Das große Problem ist, dass wir viele fehlende oder fehlerhafte Meldungen haben“, sagt er. In Hünxe würden beispielsweise noch die Meldungen für über 600 Grundstücke fehlen. Damit sind mehr als zehn Prozent der Grundstücke in der Gemeinde noch überhaupt nicht erfasst.

Beim Abgleich mit den bei der Gemeinde vorliegenden Daten kam es außerdem zu rund 3500 Fehlermeldungen. „Das können Kleinigkeiten sein“, erklärt Michael Häsel - etwa wenn Ehepartner die Formulare ausgefüllt und dabei nicht angegeben haben, dass ein Grundstück zur Hälfte ihrem Ehepartner gehört. Aber auch kompliziertere Probleme: Zum Beispiel, wenn Grundstücke in der falschen Kommune angegeben wurden. „Wir haben jetzt auch Grundstücke aus Voerde und Schermbeck im System.“

Hünxes Kämmerer rechnet mit erheblichem Verwaltungsaufwand

Daraus ergebe sich aber auch das Problem, dass momentan eigentlich noch gar nicht abzuschätzen sei, wie hoch die Hebesätze am Ende sein müssten. Allerdings müsste hier die Hünxer Politik im Herbst Enscheidungen treffen, damit diese dann zum kommenden Jahr umgesetzt werden können. Schon jetzt rechnet der Kämmerer bei der Umsetzung der neuen Grundsteuer ab dem kommenden Jahr mit einem „erheblichen Verwaltungsaufwand“. Vor allem, weil er davon ausgeht, dass es sicher Widersprüche und Klagen gegen Bescheide geben wird. „Bisher war für die Bürger ja noch nicht absehbar, was die Änderung für sie konkret bedeutet.“ In Hünxe werden sich Politik und Verwaltung auf jeden Fall noch zum Thema beraten, bis dann eine Entscheidung über die Höhe der Hebesätze gefällt werden wird.

Eines ist für Kämmerer Michael Häsel allerdings jetzt schon klar: Einen differenzierten Hebesatz für Wohngebäude und Nicht-Wohngebäude möchte er in Hünxe vorerst nicht umsetzen. Auch da gäbe es ihm zu viele offene Fragen, die erst geklärt werden müssten, beginnend damit, wie bestimmte Gebäude (etwa mit einem Geschäft im Erdgeschoss und Wohnungen darüber) zu bewerten sein.

In Hünxe würde der Hebesatz für die Grundsteuer B steigen, der für die Grundsteuer A sinken.

Die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) würde in Hünxe von 325 v.H. auf 315 v.H. sinken.
Die Grundsteuer B (Baugrundstücke, bebaut und unbebaut) würde in Hünxe von 600 v.H. auf 686 v.H. steigen.
Bei differenzierten Hebesätzen würden bei der Grundsteuer B 627 v.H. für Wohngebäude angesetzt und 839 v.H. für Nicht-Wohngebäude.

So positioniert sich bislang die Stadt Voerde

Die Stadt Voerde hat zuletzt rund 8,5 Mio. Euro jährlich an Grundsteuer B bei einem Hebesatz von 690 v.H. eingenommen. „Dieser Gesamtwert muss dem Haushalt auch nach der Grundsteuerreform weiter zur Verfügung stehen, wozu gegebenenfalls eine Anpassung der Hebesätze nötig ist“, erläutert Stadtpressesprecher Thorben Lucht. Die individuell zu tragende Steuerlast hänge allerdings nicht nur vom Hebesatz, sondern auch von den nun neu durch die Finanzämter festgestellten Grundsteuerwerten ab, die sich im Bescheid über den Grundsteuermessbetrag finden.

Die Reform wird im Voerder Rathaus als „eine grundsätzlich notwendige Maßnahme“ erachtet, um die „Steuerbemessung zu modernisieren und gerechter zu gestalten“, heißt es in einer Vorlage der Verwaltung für die Politik, die am Dienstag, 25. Juni, zunächst dem Haupt- und Finanzausschuss und eine Woche später dem Rat zur Kenntnis vorgelegt wird. Allerdings gibt es auch aus Voerde Kritik an der Methodik. Diese führe „zwangsläufig zu Verschiebungen der Steuerbelastungen und somit zu Konfliktpotenzial bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern“.

Die Stadt verweist hier auf eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW. Dort heißt es etwa, dass einige Städte und Gemeinden unterschiedlicher Größenklassen bereits in der Lage seien, die Belastungswirkungen des neuen Grundsteuerrechts detailliert zu analysieren. In der Gesamtschau dieser Auswertungen zeige sich, dass es landesweit und über alle Gemeindegrößenklassen „zu einer systematischen Belastungsverschiebung“ weg von nicht zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken und hin zu den zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken komme. Die Möglichkeit, Wohn- und Nichtwohnimmobilien (Gewerbegrundstücke), anders als bisher, mit unterschiedlichen Hebesätzen besteuern zu können, hält die Stadt Voerde indes für keine geeignete Ausgleichsmaßnahme.

Ein weiteres Fazit, das die Stadt bislang zieht: „Angesichts der erkennbaren Reduzierung der Messbeträge insgesamt“ könne auf Maßnahmen, „die Aufkommensneutralität herzustellen, absehbar nicht verzichtet werden“. Ein Verzicht auf Anpassung der Hebesätze würde „nach heutigem Kenntnisstand zu Mindereinnahmen in Höhe von rund 1,3 Mio. Euro im Jahr führen“, die in der aktuellen Haushaltslage nicht zu kompensieren seien.

Auch für Voerde würden die vom Finanzamt empfohlenen Sätze eine Erhöhung bedeuten. Nur der differenzierte Hebesatz für Wohngebäude entspräche in etwa der aktuellen Grundsteuer B. Die Kommune hat die Hebesätze seit acht Jahren nicht erhöht – die Einnahmen durch die Grundsteuer B belaufen sich in Voerde jährlich auf rund 8,5 Mio. Euro, durch die Grundsteuer A nimmt die Stadt im Jahr um die 70.000 Euro ein.

  • Die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) würde in Voerde von 300 v.H. auf 467 v.H. steigen.
  • Die Grundsteuer B (Baugrundstücke, bebaut und unbebaut) würde in Voerde von 690 v.H. auf 806 v.H. steigen.
  • Bei differenzierten Hebesätzen würden bei der Grundsteuer B 685 v.H. für Wohngebäude angesetzt und 1229 v.H. für Nicht-Wohngebäude.

Zwei vorrangige Handlungsoptionen hat die Stadt im Blick: Sie will weiterhin einheitlich und allgemein anzuwendende Hebesätze für die Grundsteuer A und B festsetzen. Dabei würde sie in Variante 1 eine Anpassung der Hebesätze für eine gegenüber dem Vergleichsjahr 2023 aufkommensneutrale Steuererhebung der Grundsteuer vornehmen und in Variante 2 stattdessen darauf verzichten. Bei dieser Alternative würde zwecks Kompensation der möglichen Mindereinnahmen bei der Grundsteuer der Hebesatz der Gewerbesteuer angehoben.

Die Frage, ob es bei dem vom Finanzamt Dinslaken empfohlenen einheitlichen Hebesatz der Grundsteuer B von 806 v.H. statt jetzt 690 v.H. zu einer deutlichen finanziellen Mehrbelastung der Voerderinnen und Voerder komme, lasse sich nicht pauschal beantworten, erläutert Stadtpressesprecher Thorben Lucht. Durch die neue Berechnungsmethodik, die sich stärker als bisher an den „realen“ Immobilienwerten orientieren solle, komme es zu erheblichen Veränderungen bei den Grundsteuerwerten gegenüber den früher geltenden Einheitswerten. „Das bedeutet, dass manche Eigentümer auch bei einem höheren Hebesatz als bisher dennoch weniger Grundsteuer zahlen müssen, während andere auch ohne eine Hebesatzanpassung bereits mit einer deutlich höheren Grundsteuer konfrontiert sind“, erklärt Lucht.

So berechnet sich die Grundsteuer

Die Grundsteuer wird in drei Schritten festgesetzt, so das Finanzamt Dinslaken. Die Formel: Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz. Der Grundsteuerwert ergebe sich aus den individuellen Kennzahlen des einzelnen Grundstücks bzw. der einzelnen Immobilie. „Dieser kann nach neuem Recht höher oder auch niedriger sein als der bisher zugrunde gelegte Einheitswert“, so das Finanzamt: „Aus dem Grundsteuerwert multipliziert mit der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl ergibt sich der Grundsteuermessbetrag. Auf diesen wird der Hebesatz der Gemeinde angewendet, der für 2025 noch nicht bekannt ist.“