Dinslaken. Anwohner der Bergerstraße fordern Tempo 50. Nun sagt die Stadt einen lange geplanten Ortstermin ab. Was sie dafür anbietet, empört die Bürger.

Sie seien „entsetzt, enttäuscht und verwundert“ über das Verhalten der Stadt. Das schreiben die Anwohner der Bergerstraße in einer Mail an Christiane Wenzel, Leiterin des Geschäftsbereichs Bürgerservice, Recht und Ordnung. Sie wollen erreichen, dass die Tempo-70-Regelung an ihrem Abschnitt der Bergerstraße zurückgenommen und wieder Tempo 50 eingeführt wird. Seit einem Jahr warten die Bürger auf eine Beantwortung ihrer Fragen dazu. Das sollte im Rahmen eines Ortstermins am Donnerstag, 13. Juni, geschehen. Aber den hat Christiane Wenzel nun kurzfristig abgesagt.

Erika Boruta wohnt seit ihrer Kindheit an der Bergerstraße. Sie kann sich nicht erinnern, dass dort jemals Tempo 70 gegolten hat. 2020 wurde die Bergerstraße umfassend saniert. Und ein Jahr später galt auf dem Abschnitt in etwa zwischen Baumschulenweg und Heideweg plötzlich tagsüber 70 Km/h - mit der Begründung, dort habe nur wegen der Straßenschäden zuvor Tempo 50 gegolten. Überhaupt wäre hier sogar Tempo 100 möglich, erklärte Christiane Wenzel im Februar der Politik. Denn mittlerweile hatte sich die CDU des Themas angenommen, es folgte ein gemeinsamer Antrag von CDU, SPD und FDP, auf der Bergerstraße bzw. Gärtnerstraße durchgehend Tempo 50 einzurichten. Der fand auch Zustimmung im betreffenden Ausschuss. Allerdings machte die Verwaltung deutlich, dass die Politik in dieser Sache beschließen kann, was sie will - zuständig sei am Ende allein die Stadt und nicht der Rat. Nach dem Ortstermin am 13. Juni mit Polizei und Straßen.NRW wolle man weiter berichten.

Das spricht laut Anwohnern für Tempo 50

Dabei gibt es, so die Anwohner, einige Argumente für eine Temporeduzierung: In der Nähe befinden sich Kita und Jugendzentrum P-Dorf sowie der Sportplatz der SGP Oberlohberg sowie eine barrierefreie Bushaltestelle, die zu erreichen fast nicht möglich sei, weil man dafür die Bergerstraße überqueren müsse. Anwohner Michael Hesse berichtet von Eltern, die den Busfahrer gebeten haben, ihren Jungen nach der Schule nicht an der Haltestelle Bergerstraße, sondern lieber um die Ecke an der nächsten Haltestelle herauszulassen. Für die Anwohner in der Kurve sei es zudem ein lebensgefährliches Unterfangen, aus ihren Ausfahrten zu kommen. Diese haben keine Wendemöglichkeit, man muss rückwärts auf die Bergerstraße fahren - wo die Autos und Lkw, von der Autobahn kommend, um die Kurve schießen.

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Michael Hesse, von Beruf Architekt, ist ohnehin der Meinung, dass sich der Bereich durchaus innerhalb einer geschlossenen Ortschaft befinde. Auf dem Abschnitt wohnen etwa 250 Menschen allein direkt an der Straße, dahinter liegen weitere Häuser, es handele sich also durchaus um „geschlossene Bebauung“, so Michael Hesse. Auf der Ober-Lohberg-Allee etwa habe die Stadt keine Probleme mit Tempo 50, obwohl dort niemand wohne. Und für die Krötenwanderung gelte im Bereich der Halde sogar Tempo 30. „Ist das Leben von Kröten etwa mehr wert als das von Menschen?“, fragt Erika Boruta.

Das alles sollte bei der Ortsbegehung angesprochen und für die Verantwortlichen vor Ort erlebbar werden. Wolfgang Kammann, früher Sprecher der Stadtwerke, hat den Termin vorbereitet, einen Versammlungsraum organisiert - und der Verwaltung auf Wunsch mitgeteilt, wie viele Menschen etwa teilnehmen werden: etwa 30, nämlich Anwohner, dazu Mitarbeiter, Eltern und Kinder des P-Dorfs, des Sportvereins, Politik, Presse.

So begründet die Stadt die Absage

Und daraufhin kam die kurzfristige Absage: Es handele sich bei dem Ortstermin „nicht um eine öffentliche Veranstaltung“, schrieb Christiane Wenzel den Anwohnern. „Der von Ihnen mitgeteilte Personenkreis umfasst mehr als nur die Anlieger der Bergerstraße. Bei geschätzten 50 Personen halte ich die Durchführung eines solchen Ortstermins weder für sachdienlich noch zielführend.“ Auch Straßen.NRW habe seine Teilnahme deswegen abgesagt. Die Sprecherin des Landesbetriebs erklärt auf NRZ-Nachfrage, die Stadt habe Straßen.NRW lediglich „um die Teilnahme an einem fachlichen Austausch mit den beteiligten Behörden gebeten. Ein Ortstermin unter Beteiligung der Anwohner*innen war bis dato nicht im Gespräch. Deshalb haben wir unsere Teilnahme abgesagt, als wir überraschend zu einem Ortstermin mit Bürgerbeteiligung eingeladen worden sind; dieser bedarf einer anderen Vorbereitung.“ Warum die Stadt den Termin gänzlich abgesagt habe, wisse man nicht.

Stattdessen landete am Freitagnachmittag in den Briefkästen der Anwohner eine „Einladung zum persönlichen Gespräch“: Die Anwohner konnten sich für den morgigen Donnerstag, jeweils zwischen 15 und 18 Uhr, Einzeltermine im Ordnungsamt holen, um „persönlich ihre Anregung und Meinung mitzuteilen“.

Das habe einige Nachbarn eingeschüchtert, sie wissen nicht, was sie dort erwarte, andere können aus gesundheitlichen Gründen nicht mal eben in die Stadt fahren, es könne, wenn überhaupt, nur eine kleine Anzahl von Betroffenen kommen, zudem würden die Familien der Kita und des P-Dorfs ausgeschlossen. Deswegen lehnen die Beschwerdeführer eine Teilnahme an solchen Einzelgesprächen ab.