In Japan hat die Erde erneut gebebt. Der Nordosten des Landes soll von einem Erdstoß der Stärke 6,0 erschüttert worden sein. Es gab keine Tsunami-Warnung.
Fukushima/Tokio. In Japan hat es erneut ein starkes Erdbeben gegeben. Der Nordosten des Landes soll von einem Erdstoß der Stärke 6,0 erschüttert worden sein, wie der staatliche Wetterdienst am Mittwochmorgen (Ortszeit) registrierte. Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, dass keine Tsunami-Warnung ausgelöst worden sei. Auch in Fukushima war das Beben zu spüren.
Unterdessen sorgen neue Stromleitungen für Pumpen und Kühlanlagen und sinkende Temperaturen in einem Becken für Brennstäbe im havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima für neue Hoffnung. Von einer Entspannung der Lage konnte elf Tage nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami allerdings noch keine Rede sein.
Die Anbindung an die Stromversorgung ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg, die prekäre Situation in dem Kernkraftwerk wieder unter Kontrolle zu bekommen. Bevor der Strom jedoch wieder angestellt werde, müssten die Pumpen und andere Geräte in den Reaktoren überprüft werden, teilten die Tokioter Elektrizitätswerke (Tepco) mit.
Bis die Kühlsysteme wieder umfassend funktionsfähig sind, kann es nach Einschätzung von Experten noch Tage dauern. Für Reaktor 2 steht bereits fest, dass die alten Pumpen nicht mehr verwendbar sind. Neue Geräte wurden bestellt, wann sie eintreffen, stand jedoch noch nicht fest.
Am späten Dienstagabend konnten im zentralen Kontrollraum des Blocks 3 die Lichter wieder angeschaltet werden. Das bedeute allerdings nicht, dass man das Kühlsystem wieder angeworfen habe, erklärten die Betreiber.
Große Sorgen bereitete am Dienstag ein Abklingbecken in Block 2 der Anlage, in dem 2.000 Tonnen radioaktives Material lagern. Der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA zufolge bewegte sich dort die Temperatur zeitweise um den Siedepunkt. Nachdem die Einsatzkräfte das Becken mit 18 Tonnen von Wasser besprengt hatten, sank die Temperatur jedoch wieder auf etwa 50 Grad Celsius.
Das siedende Kühlwasser gilt auch als mögliche Ursache für die Wolken, die am Montag und Dienstag über den Reaktoren 2 und 3 in Fukushima zu sehen waren. Eine offizielle Erklärung dazu gab es bislang allerdings nicht.
Wegen der Wolken, in denen auch Radioaktivität vermutet wurde, mussten die Einsatzkräfte am Montag aus dem AKW abgezogen werden. Am Dienstag nahmen sie ihre Arbeit wieder auf und stellten die Stromleitungen fertig. Insgesamt waren nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde am Dienstag rund 1.000 Arbeiter, Soldaten und Feuerwehrleute in dem Werk eingesetzt.
Auch die Lage in den Reaktoren bleibt kritisch. In zwei Blöcken seien die Brennstäbe weniger mit Wasser bedeckt als in den vergangenen Tagen, sagte ein NISA-Sprecher der Nachrichtenagentur dapd.
So hätten sie im Reaktor 3 bei der letzten Messung um 11.00 Uhr Ortszeit auf bis zu 2,35 Meter Länge freigelegen. Dies ist der höchste, seit Beginn der Krise bekannt gegebene Wert. Auch im Reaktor 1 sank der Wasserstand geringfügig ab, sodass die Brennstäbe dort mit 1,80 Meter etwa fünf Zentimeter weiter frei lagen als am Montag.
Nach dem Fund von radioaktiven Stoffen im Meer vor dem AKW wurde ein Forschungsschiff in die Gegend beordert, um regelmäßig Wasserproben zu sammeln und zu analysieren, wie das Wissenschaftsministerium mitteilte.
In den von Erdbeben und Tsunami verwüsteten Gebieten des japanischen Nordostens sind bis Dienstag rund als 9.100 Leichen geborgen und identifiziert worden. Das teilte die japanische Polizei mit. Doch stündlich steigt die Zahl der Toten. Es wird befürchtet, dass sich diese Zahl bis zum Abschluss der Bergungsarbeiten verdoppeln wird.
Informationen zu dem Erdbeben finden Sie hier
Rund 13.800 Menschen werden vermisst. Viele Leichen werden wohl nie gefunden werden. Nach dem verheerenden Tsunami 2004 wurden allein in Indonesien rund 37.000 der etwa 164.000 Todesopfer niemals gefunden. Ihre Leichen wurden vermutlich ins Meer gespült.
Derweil wächst der Zorn auf den Fukushima-Betreiber Tepco. Der Gouverneur der Präfektur Fukushima, Yuhei Sato, wies die Einladung zu einem Treffen mit Tepco-Präsident Masataka Shimizu scharf zurück. „Für Tepco ist es jetzt am wichtigsten, die Krise mit maximalem Einsatz zu beenden. Deswegen habe ich das Angebot abgelehnt“, sagte Sato dem Fernsehsender NHK und fügte hinzu: „Angesichts der Sorge, der Wut und der Verzweiflung, die die Menschen in Fukushima empfinden, gibt es für mich keinen Weg, eine Entschuldigung anzunehmen.“
Tepco werden massive Versäumnisse bei der Wartung von Fukushima-Daiichi vorgeworfen. Mindestens 33 Teile der Anlage seien nicht wie vorgeschrieben überprüft worden, heißt es in einem Bericht der japanischen Atomaufsicht. (dapd)
Lesen Sie hier die Ereignisse vom Montag im Liveticker nach:
17.24 Uhr: Eine Betonpumpe aus Deutschland soll jetzt die Atomreaktoren im japanischen Fukushima kühlen. Der 58 Meter hohe, gelenkige Arm der Pumpe kann die beschädigten Wände des Atomkraftwerks überragen und riesige Mengen Wasser direkt in den Gefahrenherd leiten, wie der Technische Geschäftsführer der Firma Putzmeister, Gerald Karch, am Montag in Aichtal bei Stuttgart erklärte. Im Unterschied zum Strahl aus den Feuerwehrschläuchen und Löschkanonen werde der Wasserfall aus der Pumpe nicht vom Wind zerstäubt.
15.24 Uhr: Schon vor dem verheerenden Erdbeben soll die Betreiberfirma Tepco im Atomkraftwerk Fukushima 1 geschlampt haben. Die japanische Atomsicherheitsbehörde NISA warf Tepco einige Tage vor der Katastrophe Mängel bei der Inspektion vor. Das hatte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo Ende Februar berichtet. Im Atomkraftwerk Fukushima 1 seien insgesamt 33 Geräte und Maschinen nicht ordnungsgemäß überprüft worden. Ähnliche Mängel habe es auch in zwei weiteren Anlagen gegeben.
14.53 Uhr: Im Katastrophengebiet um das Atomkraftwerk Fukushima bleibt es weiterhin kalt. Der Wind weht noch leicht nach Nord und damit in Richtung der Hauptstadt Tokio. In den nächsten Tagen drehe er aber auf günstige West- bis Nordwest-Richtung.
13.58 Uhr: Beim weißen Qualm über dem havarierten Block 2 des Unglückskraftwerks Fukushima 1 handelt es sich wahrscheinlich um Dampf und nicht um Rauch. Das meldete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Der Dampf komme vermutlich auch nicht aus dem Abklingbecken. Die genaue Ursache war weiter unklar. Zuvor war bereits über Block 3 grauer Rauch aufgestiegen, der bis zum frühen Abend (Ortszeit) wieder verschwand.
13.17 Uhr: Der Chef der Internationalen Atombehörde IAEA, Yukiya Amano, hat Japan für seinen Umgang mit der Reaktorkatastrophekritisiert und für die Zukunft Verbesserungen eingefordert. Amano, der selbst Japaner ist, erklärte, Informationen müssten von den betroffenen Regierungen künftig schneller zur Verfügung gestellt werden und auch internationale Experten müssten ihre Informationen schneller austauschen können. Amano regte bei der Krisensitzung der IAEA mit Vertretern aus 35 Nationen zudem an, auch die Rolle seiner Behörde neu zu überdenken.
12.52 Uhr: Der Betreiber Tepco des stark beschädigten Kernkraftwerks Fukushima 1 will womöglich eine Entschädigung an Bauern in der Region zahlen. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, habe Tepco das angedeutet. Für vier Präfekturen hat die Regierung ein Lieferverbot für Milch und mehrere Gemüsesorten verhängt. In der Gegend um das havarierte Atomkraftwerk wurden unter anderem verstrahlte Milch und verstrahlter Spinat gefunden.
12.46 Uhr: Als Reaktion auf die Katastrophe in Fukushima müssen aus Sicht der IAEA internationale Richtlinien zur Nuklearsicherheit überarbeitet werden. „Eine Lehre ist bereits klar: Das momentane internationale Rahmenwerk zur Reaktion auf Notfälle braucht Überarbeitung“, sagte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, zu Beginn einer Sondersitzung des IAEA-Gouverneursrates in Wien. Die momentanen Regelungen reflektierten die Realitäten der 1980er Jahre und nicht die des 21. Jahrhunderts, sagte der Japaner weiter.
11.40 Uhr: Auch über dem havarierten Reaktor 2 des Katastrophen-AKW Fukushima ist Rauch aufgestiegen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Zuvor war bereits über Block 3 grauer Rauch aufgestiegen, der bis zum frühen Abend (Ortszeit) wieder verschwand. Der Reaktor 2 ist seit Sonntag wieder an das Stromnetz angeschlossen. Ob die Wasserpumpen funktionieren, ist unklar. In Reaktor 2 gab es zuvor schwere Explosionen und Brände. Die innere Hülle des Reaktors ist beschädigt.
11.00 Uhr: Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist über die Belastung von Lebensmitteln durch austretende Radioaktivität im Norden Japans „stark besorgt“. Das erklärte am Montag ein WHO-Sprecher in Genf auf Anfrage. Noch in der vergangenen Woche hatte die WHO die Lage im Zusammenhang mit den havarierten Atommeilern als nicht Besorgnis erregend eingestuft. Man werde sich der Lage mehr und mehr bewusst, sagte der Sprecher. „Die Dinge haben sich ganz sicher seit der vergangenen Woche bewegt.“
10.56 Uhr: In immer mehr japanischen Regionen ist das Trinkwasser radioaktiv belastet. Spuren von Strahlung wurden im Leitungswasser von neun Präfekturen festgestellt, wie die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf Regierungsangaben berichtete. Die Grenzwerte der Kommission für atomare Sicherheit seien aber bei allen Proben unterschritten worden. Bei einer anderen Untersuchung wurden in einem Dorf allerdings deutlich erhöhte Werte festgestellt. In den Regionen Tochigi und Gunma wurden Spuren von radioaktivem Jod sowie von Cäsium gefunden. Ausschließlich radioaktives Jod war im Trinkwasser der Präfekturen Saitama, Chiba, Tokio, Kanagawa, Niigata und Yamanashi enthalten, wie die Untersuchung des Ministeriums für Wissenschaft und Technology ergab. In den Proben aus der Präfektur Yamanashi westlich von Tokio war noch kein radioaktives Jod entdeckt worden.
Die Probe aus der Katastrophenregion Fukushima war mit 23 Becquerel Jod pro Liter belastet, der Grenzwert liegt bei 300 Becquerel. In dem Dorf Litate rund 30 Kilometer von dem AKW entfernt stellten Experten allerdings den dramatisch erhöhten Wert von 965 Becquerel Jod pro Liter Leitungswasser fest - das Wasser dort darf nicht mehr getrunken werden.
9.33 Uhr: Über dem Abklingbecken des havarierten Fukushima-Reaktors 3 steigt erneut grauer Rauch auf. Als Reaktion evakuierte der AKW-Betreiber Tepco das Gelände und brachte seine Arbeiter in Sicherheit, wie die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf Tepco berichtete. Der Rauch wurde demnach an der Südostseite des Reaktors sichtbar und hing über der Ruine.Die radioaktive Belastung auf dem Gelände habe sich aber „kaum erhöht“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano im staatlichen Fernsehen NHK. Derzeit versuchten Experten, den Grund für die Rauchentwicklung herauszufinden: „Der Rauch muss nicht zwingend von dem Abklingbecken ausgehen, in dem Reaktor sind noch weitere brennbare Materialen“, sagte Edano.
Die in Block 3 verwendeten Brennelemente sind besonders gefährlich, weil es sich dabei um Plutonium-Uran-Mischoxide (MOX) handelt. Plutonium ist ein hoch giftiger Stoff. Obwohl der Block bis Sonntag früh 13 Stunden lang unter dem Beschuss von Wasserwerfern stand, war der Druck gestiegen. Das Kühlsystem in Block 3 ist ausgefallen, die innere Reaktorhülle soll nach Regierungsangaben aber noch intakt sein.
8.54 Uhr: Der Kraftwerksbetreiber Tepco hat erklärt, in Reaktor 5 arbeite eine Pumpe wieder mit Strom aus dem Netz. Alle sechs Reaktorblöcke seien mittlerweile an Starkstromleitungen angeschlossen.
8.10 Uhr: Anhaltender starker Regen erschwert die Rettungsarbeiten und schürt Ängste vor radioaktivem Niederschlag. Regierungschef Naoto Kan sagte wegen des Wetters einen für Montag geplanten Besuch in der Katastrophenregion im Nordosten Japans ab.
7.32 Uhr: Japans Atombehörde bestätigt, dass die Reaktorblöcke 5 und 6 wieder ans Stromnetz angeschlossen wurden.
7.22 Uhr: Die japanische Polizei rechnet inzwischen mit mehr als 18.000 Toten durch die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom 11. März. Sie gab diese Einschätzung am Montag in Tokio bekannt. Am Sonntag noch war von 8.600 Toten und 12.8000 Vermissten gesprochen worden.
7.18 Uhr: In einem Dorf nahe Fukushima 1 ist eine stark erhöhte Radioaktivität im Trinkwasser gemessen worden. Der Grad von radioaktivem Jod im Wasser von Iitatemura sei drei Mal so hoch wie der von der Regierung festgesetzte Grenzwert, teilte das japanische Gesundheitsministerium am Sonntag mit. Iitatemura liegt rund 40 Kilometer von Fukushima 1 entfernt und hat etwa 4000 Einwohner.
7.12 Uhr: Die Einsatzkräfte im Atomkraftwerk Fukushima setzen die Kühlung von beschädigten Reaktoren mit Wasserwerfern fort. Die Feuerwehrmänner und Soldaten der japanischen Streitkräfte besprühten die Reaktorblöcke 3 und 4 mit Meerwasser, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Im Reaktorblock 2 richten sich die Bemühungen darauf, nach der Wiederherstellung der Stromversorgung zentrale Funktionen im Kontrollraum in Gang zu bringen: zunächst die Beleuchtung und dann vor allem die reguläre Kühlung des Reaktors und des Abklingbeckens für abgebrannte Kernbrennstäbe. Die dafür erforderlichen Arbeiten könnten zwei bis drei Tage dauern, sagte Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde (NISA).
6.24 Uhr: Der Strahlenbiologe Edmund Lengfelder rechnet damit, dass die Hälfte der verbliebenen Arbeiter im havarierten Atomkraftwerk Fukushima den Strahlentod sterben wird. „Wenn eine Gruppe von zehn jüngeren Leuten zwölf Stunden einer solchen Dosis Leistung ausgesetzt ist, werden 50 Prozent davon, also fünf Männer, den akuten Strahlentod sterben“, sagte Lengfelder der „Frankfurter Rundschau“.
6.20 Uhr: Ein weiteres Erdbeben hat am frühen Montagmorgen (Ortszeit) die Präfektur Fukushima im Nordosten von Japan erschüttert. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, hatte es eine Stärke von 4.7. Angaben zu Verletzten oder Schäden gab es nicht. Demnach war das Beben auch in unmittelbarer Nähe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima Eins zu spüren. Die Anlage war vor zehn Tagen von dem stärksten jemals in Japan gemessenen Erdbeben mit der Stärke 9.0 und einem darauffolgenden Tsunami stark beschädigt worden. Seither wird versucht, eine Kernschmelze in dem AKW zu verhindern.