Bis zu 9000 Punkte sollen es zum Jahresende 2011 sein. Treiber sind Firmengewinne und die Liquiditätsschwemme. Eine Analyse.
Frankfurt/Main. Mit einem Plus im Deutschen Aktienindex (DAX) von 16 Prozent auf 6914 Punkte gehörte das Jahr 2010 zu den sehr guten an der Börse - und es übertraf weitaus die Erwartungen der Experten vor zwölf Monaten. Damals hatten sie den Jahresendstand im Schnitt lediglich auf 6400 bis 6500 Zähler veranschlagt.
Doch auch im neuen Jahr dürfte es nach den aktuellen Einschätzungen der Kapitalmarktspezialisten mit den Aktienkursen weiter nach oben gehen, wenn auch nicht mehr ganz so kräftig wie 2010. Im Mittel rechnen die Experten bei Geldhäusern und Vermögensverwaltern mit einem Anstieg des DAX auf 7500 bis 7600 Punkte.
Dabei ist die Spanne der Prognosen abermals enorm groß. Während Ralf Groenemeyer, Researchleiter der kleinen Frankfurter Investmentbank Silvia Quandt & Cie, zum Jahresende 2011 gar einen Stand des wichtigsten deutschen Börsenbarometers von 9000 Zählern und damit neue Kursrekorde für realistisch hält, geht die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) von einem Rückfall auf nur noch 6200 Punkte aus.
Unter den Hamburger Instituten zählt die Haspa zu den Optimisten. Dort sieht man den DAX zum Jahresultimo im Bereich zwischen 7500 und 8000 Punkten. Indirekt trage sogar die Schuldenkrise zu dem Aufschwung bei: "Die Notenbanken werden alles dafür tun, die Situation unter Kontrolle zu halten, daher wird man den Märkten weiter viel Liquidität zur Verfügung stellen", sagte Haspa-Analyst Christian Hamann dem Abendblatt. Ein erheblicher Teil dieses Geldes werde nämlich am Aktienmarkt investiert.
"Außerdem erwarten wir, dass es den Unternehmen weiter sehr gut gehen wird", so Hamann - und im zurückliegenden Jahr habe der DAX in dieser Hinsicht sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Auch wenn die Perspektiven exportorientierter Industrietitel nach wie vor günstig blieben, könne es im Hinblick auf die Branchenauswahl ratsam sein, etwas mehr auf Sicherheit zu setzen und dividendenstarke Papiere von Nachzüglern wie Versorgern und Versicherern zu bevorzugen, glaubt man bei der Haspa. "Für Bankaktien sind wir aber wegen des hohen Kapitalbedarfs in dieser Branche sehr skeptisch", so Hamann.
Unternehmensgewinne sollten auch im neuen Jahr weiter zulegen
Ebenfalls zu den Optimisten gehört Carsten Klude, Chefvolkswirt des Hamburger Bankhauses M. M.Warburg & CO. Er veranschlagt den DAX zum Jahresende 2011 auf 7750 Punkte und argumentiert vor allem mit den Ertragsaussichten der Konzerne. Für den DAX kann man erkennen, dass sich die Aktienkurse seit dem Jahr 2003 im Einklang mit den Unternehmensgewinnen entwickeln", sagte Klude. "Auf dieser Basis halten wir den Aktienmarkt keineswegs für überbewertet."
Nachdem die 30 deutschen Standardwerte im zurückliegenden Jahr ihre Gewinne um gut 75 Prozent gesteigert hätten, trauen ihnen die Unternehmensanalysten für 2011 ein weiteres Plus von knapp zehn Prozent und für 2012 eine weitere Steigerung von 13 Prozent zu. Dabei sei jedoch sogar noch mehr drin, glaubt Klude: "Unser optimistisch klingendes Kursziel von 7750 Punkten zum Jahresende 2011 basiert unseres Erachtens auf eher konservativen Annahmen hinsichtlich der Gewinnprognosen. Bleibt die wirtschaftliche Erholung aber intakt, könnte der DAX im Jahr 2011 sogar die Marke von 8000 Punkten überwinden und einen neuen Rekord erreichen."
Doch beim Hamburger Bankhaus Donner & Reuschel kommt man zu einer anderen Einschätzung des Marktes. Zwar rechnet Jörg Laser, Leiter des Bereichs Private Banking, wie seine Kollegen damit, dass die Kurse erst einmal weiter steigen. "Wir erwarten, dass sich die Aufwärtsentwicklung am deutschen Aktienmarkt kurzfristig noch fortsetzt und der DAX in der ersten Jahreshälfte bis in die Region zwischen 7200 und 7500 Punkten zulegen kann", sagte Laser dem Abendblatt.
"Doch dann wird nach unserer Einschätzung eine gewisse Ernüchterung einsetzen, denn die Schuldenkrise ist noch lange nicht ausgestanden. Nachdem Deutschland bisher wie ein Fels in der Brandung dastand, werden wir eine permanente Diskussion über eine Kollektivhaftung für die Schulden der Euro-Zone bekommen."
Die Zahl der größeren Börsengänge dürfte sich 2011 fast verdreifachen
Aus diesem Grund geht Laser davon aus, dass sich Aktien aus anderen europäischen Staaten eher besser entwickeln als die deutschen und der EuroStoxx-50 - der am Donnerstag bei 2805 Zählern notierte - bis zum Jahresende 2011 auf 3000 Punkte anzieht. "Die Aktien exportorientierter deutsche Unternehmen dürften außerdem von einem stärkeren Euro-Kurs belastet werden, für den wir einen Anstieg auf 1,45 Dollar im neuen Jahr erwarten", fügt Laser an.
In einem Punkt sind sich Kapitalmarktexperten allerdings einig: Es wird wieder mehr Börsenneulinge gebe. Bei der Schweizer Großbank UBS rechnet man mit 15 bis 20 Börsengängen mit einem Volumen von jeweils mehr als 100 Millionen Euro. Ihre Zahl würde sich gegenüber 2010 fast verdreifachen.
Unter den Aspiranten sind zwei für Hamburg sehr wichtige Firmen: die Reederei Hapag-Lloyd und die Beteiligungsgesellschaft Hochtief Concessions, Minderheitsgesellschafter des Airports Hamburg. Als weitere Kandidaten gelten der Unterwäschehersteller Schiesser, der Armaturenbauer Grohe, das Outdoor-Unternehmen Jack Wolfskin und die Kabelnetzgesellschaft Kabel Baden-Württemberg.