Hamburg. Handel mit China geht um fast 20 Prozent zurück. Hafenmarketing warnt: „Das macht uns Sorgen.“ Massengutumschlag legt aber zu.

Es ähnelt der regelmäßigen Blutuntersuchung beim Arzt. Alle drei Monate stellt die Marketingorganisation des Hamburger Hafens die neuesten Zahlen vor, an denen sich der Gesundheitszustand des Hamburger Hafens ablesen lässt. Die jüngsten Werte festigen den Eindruck, dass es um den Patienten nicht gut steht. Der Containerumschlag im Hafen ist im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,7 Prozent gesunken. Insgesamt seien von Januar bis Juni 3,8 Millionen Standardcontainer (TEU) über die Kaikanten gegangen, teilte die Marketingorganisation des Hafens am Mittwoch mit.

Beim Stückgutumschlag sei mit 39,2 Millionen Tonnen ein Rückgang von 11,1 Prozent verzeichnet worden. Insgesamt schlugen die Terminalbetreiber den Angaben zufolge seeseitig 58,2 Millionen Tonnen Waren um, was einem Minus von 5,8 Prozent entspricht.

Grund seien die angespannte wirtschaftliche Lage in Europa und die für den Welthandel ungünstigen geopolitischen Rahmenbedingungen, hieß es. „Im Vergleich mit den anderen Nordseehäfen der Nordrange zeigt sich deutlich, dass alle Marktteilnehmer den gleichen schwierigen Rahmenbedingungen unterliegen“, betonte Axel Mattern, Vorstand der Hafen Hamburg Marketing (HHM).

Hamburger Hafen: Containerumschlag bricht um fast 12 Prozent ein

Allerdings waren die Mengenrückgänge bei den ausländischen Konkurrenzhäfen geringer: Rotterdam verzeichnete im ersten Halbjahr 8,2 Prozent weniger Standardcontainer, Antwerpen 5,2 Prozent. Ebenfalls zweistellig und noch deutlicher als in Hamburg waren die Verluste der bremischen Häfen, bei denen der Containerumschlag um 15,1 Prozent zurückging.

Vor allem der Umschlag mit China – mit Abstand Hamburgs wichtigster Handelspartner – sei eingebrochen. Dort verzeichnete der Hafen einen Rückgang von 18,8 Prozent auf 1,1 Millionen TEU. „Das macht uns auf jeden Fall Sorgen“, sagte Mattern. Nur habe der Hafen selbst darauf wenig Einfluss.

Handel mit China geht um fast 20 Prozent zurück

Negativ wirke sich auch der durch das Embargo hervorgerufene Einbruch beim Containerumschlag mit Russland aus, sagte Mattern. Einst Handelspartner Nummer vier sei die Menge nun – wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine – von 79.000 Standardboxen auf null gefallen. Im ersten Halbjahr 2021 waren es sogar noch 162.000 TEU.

Eine bessere Entwicklung verzeichnete der Hamburger Hafen mit den USA als zweitwichtigstem Handelspartner. Dort sei die Zahl der umgeschlagenen TEU um 7,4 Prozent auf 313.000 Standardcontainer gestiegen. Ebenfalls Zuwächse gab es den Angaben zufolge unter anderem bei den Handelspartnern Finnland, Großbritannien und Indien.

Als einziger Nordseehafen hat Hamburg zudem ein Plus beim Massengutumschlag in Höhe von 7,7 Prozent verzeichnet. Insgesamt wurden 19 Millionen Tonnen verladen. Vor allem der Mineralölimport sowie die Verladung von Sauggut wie Düngemitteln schlug dabei positiv zu Buche.

Hafenmarketing erwartet leichte Besserung

Immerhin sieht Mattern den Patienten Hafen auf dem Weg der Besserung. „Das erste Quartal verlief schlecht, aber seitdem geht es monatlich bergauf. Wir sehen eine Trendwende, sofern der positive Trend des zweiten Quartals anhält.“ Fürs Gesamtjahr sei er, was den Containerumschlag betrifft, leicht positiv gestimmt.

Das Massengutaufkommen habe sich als robust erwiesen, sagte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und verwies auf die Bedeutung des Hafens als Universalhafen. Positiv bewertete sie auch den wachsenden Handel mit den USA und Indien: „Gerade vor dem Hintergrund steigender Unsicherheit und globaler Verwerfungen ist es unser Ziel, enge Handelsbeziehungen zu einem breiten Spektrum an Partnerländern zu knüpfen. Das Wachstum im Austausch mit Nord- und Südamerika sowie mit dem wichtigen Wachstumsmarkt Indien ist in diesem Zusammenhang ein vielversprechendes Zeichen.“

Bund soll die Häfen finanziell unterstützen

Leonhard unterstrich, dass sie die notwendigen Investitionen in den Hafen vorantreiben werde und verwies dabei auch auf die finanzielle Verantwortung des Bundes: „Ich warte mit Spannung auf die Ergebnisse der Nationalen Maritimen Hafenkonferenz im September.“

Ähnlich äußerte sich die Chefin des größten Hamburger Hafenbetriebs HHLA und Präsidentin des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Angela Titzrath. Sie fordert von der Bundesregierung massive Hilfen für die deutschen Häfen. „Wir müssen in den kommenden Jahren große Summen investieren, um die Häfen zu modernisieren und auszubauen“, sagte Titzrath der „Süddeutschen Zeitung“. Da erwarte man „substanzielle Investitionen des Bundes in sämtliche marode Infrastrukturen.“

Wenn die Bundesregierung im September ihren Plan für eine nationale Hafenstrategie präsentiert, gehe es „um die Versorgungssicherheit des Landes und um unsere Exportfähigkeit“, sagte Titzrath. „Also ganz klar um nationale Interessen.“

Hafenlogistik wird automatisiert

Im Ringen um Gelder für die deutschen Nord- und Ostseehäfen fordern die betroffenen Bundesländer eine Verzehnfachung der bisher veranschlagten 38 Millionen Euro pro Jahr. Dies werde „bei Weitem nicht reichen“, sagte Titzrath,. „Es geht um Milliardeninvestitionen. Wir brauchen eine Zeitenwende für unsere Häfen.“

Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, Malte Heyne, sagte dazu: „Natürlich trifft die aktuelle Krise alle Häfen, insbesondere in der Nordrange. Selbstverständlich muss der Bund seiner Verantwortung für die nationalen Aufgaben, die der Hamburger Hafen erfüllt, finanziell stärker gerecht werden. Und natürlich muss Hamburg auch seine unmittelbar beeinflussbaren Herausforderungen im Hamburger Hafen ehrlich, konsequent und zukunftsorientiert angehen: Dazu gehört unter anderem die dringende Modernisierung der Infrastruktur und die Automatisierung der Hafenlogistik.”

Containerumschlag bricht ein. CDU fordert Neustart in der Hafenpolitik

Klar negativ beurteilt der CDU-Hafenexperte Götz Wiese die Lage: „Zu Beginn der SPD-geführten Senate lagen Rotterdam, Hamburg und Antwerpen noch nahe beieinander, mit Hamburg auf Platz 2 in Europa. Zwölf Jahre später spricht der Markt eine klare Sprache: Die Westhäfen sind uns enteilt, der Ladungsrückgang setzt sich fort. Angesichts des Streits um die Köhlbrandquerung, halb garer Schlicklösungen, maroder Kaimauern, zu hoher Gebühren und dem quälenden Streit zwischen Rot und Grün kann das nicht überraschen. Für die CDU ist klar: Wir brauchen einen völligen Neustart in der Hafenpolitik.“