Hamburg. Fegebank greift in rot-grünen Streit über Erhalt der Köhlbrandbrücke ein. Architektenkammer fordert: Alle Gutachten veröffentlichen!

Fast 50 Jahre nach ihrer Eröffnung sorgt die Köhlbrandbrücke dieser Tage für einen immer härter geführten Streit zwischen SPD und Grünen im Hamburger Rathaus. Weil Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) im Abendblatt gefordert hatte, den Erhalt der mittlerweile zu einem Hamburger Wahrzeichen gewordenen Brücke zu prüfen, griff SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf den Koalitionspartner hart an. Am Dienstag schaltetet sich auch die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) ein – und übte indirekt auch Kritik an ihrem Parteifreund Kerstan.

Hintergrund: Weil die Köhlbrandbrücke laut Senat baufällig ist, soll sie abgerissen werden. Um die für Hamburg und den Hafen extrem wichtige Köhlbrandquerung weiterhin zu gewährleisten, soll entweder eine neue Brücke oder ein Tunnel entstehen – die Alternativen werden seit Jahren geprüft. Die Köhlbrandbrücke soll aber nicht nur wegen der Baufälligkeit weichen – sondern auch, weil sie mit ihrer zu geringen Höhe die Zufahrt der immer gigantischer werdenden Containerfrachter zum Containerterminal Altenwerden behindert. Welcher Grund ausschlaggebend ist, scheint derzeit nicht immer ganz klar.

Eklat: SPD wirft Kerstan vor, er wolle sich „mal wieder in den Vordergrund spielen“

Anlass der neuerlichen Auseinandersetzung ist ein Bericht der „Zeit“ darüber, dass ein oft als maßgeblich genanntes Gutachten von 2008 gar nicht den Abriss der Brücke fordere – sondern auch einen Erhalt des Baus für möglich hält, der vielen mittlerweile als ein Wahrzeichen fast wie der Michel gilt. Im Abendblatt hatte Umweltsenator Kerstan gesagt: „Wenn das Gutachten den Abriss gar nicht fordert, sollte man durchaus noch einmal prüfen, ob ein Erhalt der Köhlbrandbrücke nicht doch möglich ist. So ein Wahrzeichen sollte man nicht einfach abreißen. New York und San Francisco reißen Brooklyn Bridge und Golden Gate Bridge ja auch nicht ab, weil sie zu alt sind.“ Das sei seine „Privatmeinung“.

SPD-Fraktionschef Kienscherf hatte diese Aussage im Abendblatt scharf kritisiert. Er nannte den Vorstoß „reines Sommertheater“ und riet Kerstan, „nicht mit Halbwissen in den Fachbereichen anderer Senatsmitglieder unterwegs“ zu sein. Im NDR legte er noch einmal nach. Kerstan wolle sich mit „irgendwelchen abstrusen Ideen wieder mal in den Vordergrund spielen“. Er finde es besser, „wenn man erstmal in seinem eigenen Bereich seine Hausaufgaben macht“, das komme ihm bei Kerstan nicht immer so vor.

Köhlbrandquerung: Grüne Fegebank kritisiert Parteifreund Kerstan und lobt SPD-Chefin

Unterstützung hatte Kerstan dagegen zuvor aus der Grünen-Fraktion von Wirtschaftspolitikerin Miriam Putz bekommen, die ebenfalls eine „gründliche Prüfung“ forderte, „ob die Köhlbrandbrücke erhalten bleiben kann“. Die Zweite Bürgermeisterin der Grünen, Katharina Fegebank, dagegen, kritisierte Kerstan und damit letztlich auch die Fraktion bei der Landespressekonferenz zumindest indirekt.

Angesprochen auf Kerstans private oder persönliche Äußerung zur Köhlbrandbrücke sagte Fegebank: „Ich habe zu sehr vielen Dingen eine sehr persönliche Meinung, die behalte ich dann aber in der Regel auch für mich.“ Sie habe „volles Vertrauen in die Wirtschaftsbehörde und wenn jemand weiß, wie man jetzt sorgfältig arbeitet und alle möglichen Varianten noch mal nebeneinander legt, um dann für Hamburg und den Hafen die beste Lösung zu finden, dann ist das sicherlich die Kollegin Melanie Leonhard“, sagte sie mit Blick auf die SPD-Wirtschaftssenatorin und Hamburger Parteivorsitzende. Fegebank betonte allerdings später, sie habe mit ihren Aussagen keine harte Kritik an Kerstan oder der Grünen-Fraktion üben wollen.

Köhlbrandbrücke: Architektenkammer fordert Offenlegung aller Gutachten des Senats

Dass Kerstan mit seiner „Privatmeinung“ offenbar nicht ganz allein in Hamburg dasteht, zeigten andere Reaktionen. Am Dienstag etwa forderte auch die Architektenkammer Hamburg vom Senat „vollständige Transparenz in Bezug auf alle ihm vorliegenden Gutachten“ zur Köhlbrandbrücke als einem „Wahrzeichen der Stadt Hamburg“, und „über die Alternativen für eine Köhlbrandquerung, also Tunnel und Brückenneubau“. Für eine genaue Prüfung des Erhalts der Köhlbrandbrücke sprächen mehrere Gründe, so die Kammer. Es sei die kostengünstigste Variante und der Erhalt spare Baumaterial, Energie und klimaschädliches CO2.

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Der Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) betonte dagegen am Dienstag, dass eine neue Köhlbrandquerung dringend erforderlich sei. „Die Köhlbrandbrücke ist die Hauptschlagader des Hamburger Hafens“, sagte Hauptgeschäftsführer Norman Zurke. „Täglich passieren rund 38.000 Fahrzeuge die Brücke, davon knapp 40 Prozent Lkw. Tendenz steigend. Altersbedingt sowie aufgrund der hohen verkehrlichen Belastung ist die Brücke zurzeit nur noch eingeschränkt nutzbar.“ Ohne eine „leistungsfähige Querung, die den verkehrlichen Anforderungen der Zukunft Rechnung trägt“ werde „der Hafen seine Funktion nicht mehr erfüllen können“.

Hafen Hamburg: Brückengutachten von 2008 laut Behörde „völlig überholt“

Aus der Wirtschaftsbehörde hieß es, die Ergebnisse des 15 Jahre alten Gutachtens sein „völlig überholt“. Seitdem habe der TÜV zahlreiche neue Prüfungen durchgeführt. Die aktuelle Situation sei eindeutig, sagte ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde dem Abendblatt: Ein langfristiger Unterhalt der Brücke lohne sich nicht. Denn die Reparaturen und der Unterhalt der alten Brücke wären teurer als ein Ersatzbauwerk. „Der Erhalt der alten Köhlbrandbrücke wäre nicht sinnvoll und keine kluge Alternative.“

Das Gutachten von 2008, das dem Abendblatt vorliegt, hielt eine Erhaltung der Brücke für mehr als 50 Jahre prinzipiell noch für möglich und führte dafür eine ganze Reihe von notwendigen Maßnahmen auf. Die Abendblatt-Leser haben sich jetzt ebenfalls für den Erhalt der Brücke ausgesprochen. In einer nicht-repräsentativen Online-Befragung lautete die Frage: „Sollte die Köhlbrandbrücke unbedingt erhalten werden?“ 74 Prozent der Teilnehmenden stimmten mit Ja, 26 Prozent mit Nein.