Der Hafen befindet sich in einer der schwersten Krisen der Nachkriegszeit. Doch die politische Führung reagiert nicht
In Deutschland sind etwa 114.400 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Hamburger Hafen abhängig. Ohne den Hafen würden sie nicht fortbestehen. Diese hafenabhängige Beschäftigung generierte 2019 eine Wertschöpfung von etwa 9,8 Milliarden Euro und Steuereinnahmen von etwa 2,57 Milliarden Euro. Das sind keine geschätzten Zahlen, die aus der Luft gegriffen sind. Sie entstammen vielmehr einem Gutachten zur Bedeutung des Hamburger Hafens, an dem mehrere seriöse Wirtschaftsinstitute beteiligt waren.
Die Lage im Hamburger Hafen ist angespannt
Dennoch werden die Zahlen von gewissen Seiten in Zweifel gezogen. Den meisten Menschen sind sie schlichtweg unbekannt. Das gilt leider auch für viele Entscheidungsträger in der Politik hier in Hamburg, erst recht aber im fernen Berlin.
Anders ist es kaum zu erklären, warum angesichts der angespannten Lage im Hafen, außer der Opposition niemand auf die Misere reagiert. Der Hamburger Hafen, der bis vor kurzem noch zu den 20 größten der Welt zählte, hat im ersten Quartal dieses Jahres sage und schreibe 1,9 Millionen Container umgeschlagen. Das ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Rückgang um annähernd 17 Prozent. Und wie ist die Reaktion aus dem Rathaus darauf? Es gibt keine.
Hafen ohne Unterstützung aus der Politik
Noch deutlicher ist die langfristige Entwicklung: Von 2007 bis 2021 konnten Hamburgs Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen ihren Umschlag mit Stahlboxen um 42 bzw. 46 Prozent steigern. In Hamburg ging er um zwölf Prozent zurück.
Die Gründe für den Bedeutungsverlust sind sattsam bekannt. Erst war es die fehlende Elbvertiefung, dann neue Tiefgangsbeschränkungen, weil der Bund dem Schlickaufkommen in der Elbe nicht Herr wurde. Es sind weiterhin steuerliche Nachteile gegenüber der Konkurrenzhäfen im europäischen Ausland, Aber auch Versäumnisse bei der Modernisierung des Hafens und beim Ausbau der Hinterlandanbindungen, die andere Standorte zu ihrem Vorteil genutzt haben. Hamburgs modernstes Umschlagsterminal steht in Altenwerder.
Es ist auch schon 20 Jahre alt und zudem für die Containerschiffe der neuesten Generation nicht erreichbar, weil sie unter der Köhlbrandbrücke nicht hindurch passen. Über einen Ersatz für dieses Bauwerk wird seit fast zehn Jahren diskutiert, ohne das klar ist, ob es von einem Tunnel oder einer neuen Brücke abgelöst wird. Und das sind nur Teilaspekte der Misere.
Eine der schwersten Krisen der Nachkriegszeit
Dem Präsidenten des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, zufolge befindet sich der Hafen in einer seiner schwersten Krisen der Nachkriegszeit. Und wie reagieren die Regierungen im Bund und in Hamburg?
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Eigentlich müsste die Politik jetzt ihre Notfallpläne schmieden. Doch der Hafenentwicklungsplan ist immer noch nicht verabschiedet. Der Bund, der seine deutschen Seehäfen mit gerade einmal 38 Millionen Euro jährlich von den Hafenlasten im Länderfinanzausgleich befreit, diskutiert seit einem Jahr eine nationale Hafenstrategie. Ob sie den Häfen mehr Unterstützung bringen wird, ist offen.
Kurzarbeit droht im Hamburger Hafen
Man könnte annehmen, das Hauptproblem des Hamburger Hafens sind gar nicht seine strukturellen Defizite. Sein Hauptproblem ist wohl eher, dass er bei den Regierungen in Berlin und Hamburg keine echte Lobby hat. Liegt es daran, dass Containerkräne zur Old Economy gezählt werden und womöglich nicht so sexy wie der Bau von Wasserstoffelektrolyseuren sind?
Experten befürchten dass im Gesamthafenbetrieb bei fortschreitenden Ladungsverlusten spätestens im Sommer Kurzarbeit angemeldet werden muss. Mal sehen, ob dann jemand aufwacht und dem Hafen zu Hilfe eilt.