Wir haben Hamburgs Experten zehn wichtige Fragen zur Situation am Immobilienmarkt gestellt. Die Antworten überraschen.

  • Betongold gilt noch als sichere Alternative – stimmt das?
  • Makler sagen, dass es definitiv weniger Interessenten pro Objekt gibt
  • Immobilien, die saniert werden müssen, sind viel schwieriger zu vermitteln

Im ersten Quartal 2022 sind die Preise für Immobilien in Hamburg noch einmal um 11,5 Prozent gestiegen, wie aus Zahlen des Verbandes der Hypothekenbanken hervorgeht, die auf tatsächlichen Kaufverträgen beruhen.

Während die Kurse von Aktien, Anleihen und Gold seit Wochen äußerst schwankungsanfällig sind, gilt Betongold für viele auch in unsicheren Zeiten als sichere Alternative. Doch das glauben nicht einmal mehr Hamburgs Makler, die von Berufs wegen Optimisten sind.

Denn steigende Zinsen für Immobilienkredite, explodierende Energiekosten und neue Auflagen für die Sanierung von Bestandsbauten mit hohem Energieverbrauch verunsichern nun auch die Immobilienbranche.

Wer genau nachfragt, erhält überraschende Antworten. Zwar raten die Makler – verständlicherweise – nicht vom Kauf einer Immobilie ab. Doch auch sie werden skeptischer beim Blick auf die Entwicklung am Immobilienmarkt. Das Abendblatt hat sie zur aktuellen Lage in Hamburg befragt – hier die Ergebnisse.

Immobilien Hamburg: Erschweren die steigenden Zinsen den Verkauf?

Inzwischen sind die Zinsen für zehnjährige Baudarlehen auf mehr als drei Prozent gestiegen. Die Zeit stets sinkender Konditionen für die Immobilienfinanzierung ist endgültig vorbei. Es gibt keinen von uns befragten Makler, der das nicht als Belastungsfaktor für sein Geschäft sieht.

Das trifft selbst auf Unternehmen zu, deren Angebote vor allem vermögende Kunden ansprechen. „Die steigenden Hypothekenzinsen und neue Bewertungsgrundlagen der Banken werden Immobilienfinanzierungen nicht nur teurer, sondern auch schwieriger machen“, sagt Philipp Niemann, Geschäftsführer bei Engel & Völkers Hamburg Elbe.

Wegen der gestiegenen Zinsen müssen Immobilienkäufer bei einem Kredit über 500.000 Euro jetzt rund 560 Euro mehr im Monat zahlen als Ende Februar 2022. Die Monatsrate für eine zehnjährige Finanzierung liegt inzwischen bei 2104 Euro (s. Grafik). „Aktuell ist es schwieriger mit Finanzierungen, da Käufer mehr Eigenkapital aufbringen müssen“, sagt Sandra Husemann, Geschäftsstellenleiterin bei von Poll Immobilien in Hamburg-Alstertal.

Kommen mehr Angebote auf den Immobilienmarkt?

In Hamburg gibt es derzeit 50 Prozent mehr Immobilien am Markt als im Mai 2021, stellt das Hamburger Maklerportal Hausgold in einer Analyse fest. „Angesichts der aktuellen Krisen wollen einige Eigentümer ihre Immobilie noch schnell zum höchstmöglichen Preis verkaufen“, sagt Janina Stuwe, Geschäftsstellenleiterin bei von Poll Immobilien Hamburg-Elbvororte. Sparda Immobilien sieht den Anstieg vor allem bei Bestandsobjekten.

„In diesem Segment gibt es gerade deutlich mehr Immobilien auf dem Markt. Unser Umsatz liegt im Bestandsbereich aktuell 47 Prozent über dem Vorjahresniveau.“, sagt Tobias Boba, Vertriebsleiter Bestand bei Sparda Immobilien Hamburg. Grossmann & Berger registriert dagegen einen Rückgang der Immobilienangebote bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. „Die Verkäufer sind durch das aktuelle Weltgeschehen verunsichert und warten auf ruhigere Zeiten“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer Wohnen bei Grossmann & Berger.

Sinkt die Zahl der Immobilienkäufer?

„Es gibt definitiv weniger Interessenten pro Objekt, verkauft wird die Immobilie schlussendlich aber trotzdem“, sagt Gnielka von Grossmann & Berger. Das sieht auch Sandra Lundt, ebenfalls Geschäftsstellenleiterin bei von Poll Immobilien in den Elbvororten, so: Insbesondere die Zahl der Käufer, die eine Finanzierung benötigten, sinke. Etwas verhaltener beurteilen das andere Makler wie zum Beispiel Dahler & Company sowie Sparda Immobilien. „Wir stellen fest, dass die Exposéanfragen je angebotene Immobilie leicht rückläufig sind“, sagt Boba von Sparda Immobilien.

Geht die Nachfrage nach Luxusimmobilien zurück?

Das Immobilienportal Immobilienscout24 hatte ein nachlassendes Interesse an Luxusimmobilien festgestellt. Das ist zwar ein kleines Segment im Immobilienmarkt, aber ein wichtiger Indikator für die weitere Entwicklung. „Wenn es zu Umbrüchen und Preisrückgängen am Immobilienmarkt kommt, dann ist das teuerste Segment zuerst und auch mit hohen Preisabschlägen betroffen“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender des Beratungsunternehmens Empirica AG.

Die Preise entwickeln sich im oberen Segment bereits unterproportional, bestätigt das Maklerportal Hausgold. Grossmann & Berger sowie Engel & Völkers teilen diese Einschätzung überhaupt nicht. „Luxusimmobilien finden in allen Märkten ihre Käufer. Dieser kleine Markt ist recht unabhängig von der aktuellen Situation“, sagt Niemann von Engel & Völkers. „Wir haben gerade ein Schloss auf dem Land nach zweimonatiger Vermarktung und zwei Besichtigungen verkauft“, ergänzt Gnielka von Grossmann & Berger.

Dauert die Vermarktung von Immobilien länger?

Hier überwiegt die Zustimmung der befragten Makler. „Insbesondere bei Objekten, die nicht direkt einzugsbereit oder noch sanierungsbedürftig sind“, sagt Husemann von von Poll Immobilien. Eine längere Vermarktungsdauer bedeutet, dass das Interesse an Immobilien abnimmt. „Wenn die Vermarktungszeit früher bei einer Immobilie zwei Wochen bis einen Monat betragen hat, sind es jetzt häufiger bis zu drei Monate“, sagt Boba von Sparda Immobilien.

Verunsichern Sanierungspflichten potenzielle Käufer?

Andreas Gnielka, Geschäftsführer Wohnen bei Grossmann & Berger.
Andreas Gnielka, Geschäftsführer Wohnen bei Grossmann & Berger. © Grossmann & Berger GmbH

Steigende Immobilienpreise, zunehmende Sanierungspflichten und der Mangel an Handwerken und Material erschweren den Verkauf von Bestandsimmobilien. „Die Energiepreise sind bei renovierungsbedürftigen Immobilien zu einem undefinierbaren Kostenfaktor bei der Beheizung geworden“, sagt Annika Zarenko, Geschäftsführerin von Dahler & Company Franchise.

Grossmann & Berger macht vor allem die steigende Zahl von Auflagen dafür verantwortlich. Schon jetzt kann in Hamburg eine Gaszentralheizung nicht einfach durch eine neue ersetzt werden. Zu 15 Prozent muss die neue Anlage erneuerbare Energien enthalten. Die Bundesregierung plant ab 2024 oder 2025 ein Komplettverbot von Gasheizungen bei der Erneuerung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält den Einbau jetzt schon für „falsch“.

Wegen des Kriegs in der Ukraine will Deutschland seine Gas-Abhängigkeit reduzieren. Dazu sollen Verbraucher nach Ansicht des Ministers auch ihren Teil beitragen. „Ich würde sagen, der Einbau von neuen Gasheizungen in dieser Situation ist politisch falsch und nicht mehr zu verantworten“, sagte Habeck. Als Alternative wird die stromabhängige Wärmepumpe favorisiert, die in den Anschaffungskosten deutlich teurer ist. Ab 2025 wird in Hamburg bei der Neueindeckung des Daches von Bestandsbauten eine Fotovoltaikanlage Pflicht.

Tun sich Banken schwerer mit Kreditzusagen für Immobilienkäufer?

„58 Prozent unserer mehr als 3000 Makler geben an, dass sie in ihren Gesprächen mit Käufern zunehmende Finanzierungsprobleme als die größte Herausforderung beim Immobilienkauf sehen“, sagt Sebastian Wagner, Gründer und Geschäftsführer von Hausgold. Die gestiegenen Zinsen erhöhen die Belastung der Käufer, die Banken prüfen gründlicher, ob sie sich den Immobilienkauf überhaupt noch leisten können. „Banken bewerten Immobilien derzeit deutlich vorsichtiger. Finanzierungszusagen brauchen bis zu zwei Monate“, sagt Niemann vom Makler Engel & Völkers. Von Poll Immobilien bestätigt den Trend.

Lohnt sich die Vermietung einer Immobilie noch?

Hamburg ist einer der teuersten Immobilienstandorte der Republik und eignet sich kaum noch für eine Investition in Wohneigentum. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) im Auftrag der Postbank (wir berichteten). Danach lag der Kaufpreisfaktor im vergangenen Jahr bei 43,2. Er gibt an, wie viele Jahresnettokaltmieten eingenommen werden müssen, bevor der Kaufpreis abbezahlt ist. „Für Kapitalanleger sind Zahlen entscheidend“, sagt Anika Schönfeldt-Schulz, 1. Vorsitzende des Immobilienverbandes Nord. „Bei einem derart hohen Vervielfältiger ist bei steigenden Zinsen der Kauf nicht wirtschaftlich und reine Liebhaberei oder eine Wunschbleibe für den Ruhestand.“

Das Maklerportal Hausgold untermauert diese These mit einer anderen Betrachtungsweise, indem es die Nettorendite einer Vermietung (Mieterträge abzüglich Verwaltungs- und Instandhaltungskosten) mit den Zinskosten vergleicht. In den vergangenen Jahren war die Nettorendite immer höher als die Zinskosten „Doch in diesem Jahr reichen die Mieterträge nicht mehr aus, um anfallende Zinszahlungen zu bedienen“, sagt Wagner, von Hausgold. Grossmann & Berger wartet mit anderen Zahlen auf und sieht für Hamburg nur einen Kaufpreisfaktor von 35. „Bis dahin kann ein Kauf durchaus noch attraktiv sein“, davon ist Gnielka überzeugt.

Fallen die Immobilienpreise?

Ein heikler Punkt für die Maklerbranche, denn am Verkaufspreis hängt ihre Provision, die sie von Käufer und Verkäufer kassieren, im Schnitt sind das rund sieben Prozent – bezogen auf den Verkaufspreis. Hausgold konstatiert zumindest für Luxusimmobilien Preisrückgänge. „Seit Beginn des Jahres fiel der Quadratmeterpreis sogar um rund sechs Prozent“, sagt Wagner von Hausgold. Die durchschnittlichen Immobilien seien dagegen seit Jahresbeginn um rund vier Prozent teurer geworden.

„Wir nehmen in bestimmten Regionen und bei gewissen Immobilienarten aktuell einen Preisrückgang wahr“, sagt Boba von Sparda Immobilien. Allmählich kommt also auch in die Immobilienpreise langsam Bewegung. Steigerungsraten von mehr als sechs Prozent wie in den vergangenen Jahren (s. Grafik) dürften bald Vergangenheit sein.

Lohnt sich der Kauf einer Immobilie noch?

Wenn es zum Schwur kommt, kneifen alle befragten Makler. „Die Investition in eine Immobilie ist weiterhin für Selbstnutzer und auch für Kapitalanleger attraktiv, wenn es um eine langfristige Anlage geht“, sagt Zarenko von Dahler & Company. „Nein, grundsätzlich warnen wir nicht vor einem Kauf in Hamburg, insbesondere nicht in den Top-Lagen Hamburgs“, sagt Lundt von von Poll Immobilien.