Hamburg. Im Umland fallen die Preisanstiege bei den Mieten noch stärker als in Hamburg aus. Wie Betroffene nun reagieren können.

Während potenzielle Immobilienkäufer auf eine Beruhigung bei den Preisanstiegen hoffen, geht es Mietern nicht anders. Auch sie hadern mit einem knappen Angebot und seit Jahren steigenden Mieten in Hamburg und im Umland. Zwar fallen die Preissteigerungen bei den Immobilien deutlich stärker aus als die Mietpreisanstiege, aber dennoch ist die Lage bei den Mietwohnungen alles andere als entspannt. Außerdem ist Hamburg eine Mieterstadt. Zu 76 Prozent wohnen Hamburger zur Miete.

Die Immobilienpreise für Eigentumswohnungen sind in der Hansestadt zwischen 2012 und 2021 um 112 Prozent gestiegen. Bei den Mieten lag die Steigerung je nach Wohnungsgröße zwischen 24 und 27,3 Prozent (s. Grafik), wie die Daten des Beratungsunternehmens Empirica Regio, die dem Abendblatt exklusiv vorliegen, zeigen. 2012 wurde als Ausgangsjahr gewählt, weil von diesem Zeitpunkt an der Markt erst in Bewegung gekommen ist, in den Jahren davor gab es eher eine stagnierende Entwicklung.

Mieten in Hamburg steigen weiter: Auch Umland stark betroffen

Der Mietpreisanstieg fällt im Hamburger Umland deutlich stärker als in der Hansestadt aus. Nur im Kreis Pinneberg stiegen die Kaltmieten für Vierzimmerwohnungen geringfügig weniger als in Hamburg. „Das ist vor allem der hohen Bautätigkeit in Hamburg geschuldet“, sagt Jan Grade, Geschäftsführer von Empirica Regio. Gleichzeitig habe die Zuwanderung auch durch die Corona-Pandemie abgenommen. Seit 2012 hat Hamburg im Schnitt jährlich rund 8000 Wohnungen neu fertiggestellt. Das Ziel im Bündnis für das Wohnen ist, jedes Jahr 10.000 Wohneinheiten zu genehmigen. Das wurde bis auf die Jahre 2012, 2015 und 2021 erreicht. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr lediglich 7461 neue Einheiten, was einem Rückgang von 34 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Baugenehmigungen wurden im vergangenen Jahr für 9852 Wohnungen erteilt. Doch nicht jede geplante und genehmigte Wohneinheit wird auch errichtet. In den letzten Jahren lag der jährliche Zuzug bei etwa 7000 Personen.

Dass in einer Metropole wie Hamburg im Vergleich zum Umland in absoluten Beträgen die höchsten Mieten von bis zu 13 Euro je Quadratmeter im Schnitt bei Bestandsobjekten, also ohne Einbeziehung von Neubauten, zu zahlen sind, mag einleuchten. Dabei liegt die Spanne der Angebote zwischen 7,40 und 19,40 je Quadratmeter. Mit rund 31 Prozent ist die Wohnkostenbelastungsquote bezogen auf das Einkommen in Hamburg am höchsten und die Leerstandsquote mit 0,5 Prozent am geringsten. Im Schnitt zahlen Mieter in Hamburg 40 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Aber eigentlich sind kleinere Wohnungen – gemessen am Quadratmeterpreis – teurer als größere. Doch in Hamburg wird diese „Regel“ nicht eingehalten. In Hamburg und dem Landkreis Lüneburg sind die größeren Wohnungen rund zehn Prozent teurer.

Haushalte mit Kindern steigen stärker an

„Es gibt in vielen Städten das Problem, dass zu viele kleine Wohnungen gebaut werden und Raum für Wohnungen mit vier und mehr Zimmern für Familien fehlen“, sagt Grade. „Dabei steigen die Haushalte mit Kindern gerade in den Metropolen stärker.“ Das zeigt sich auch in Hamburg. So haben seit 2011 die Haushalte mit ein bis zwei Personen in Hamburg nur um vier Prozent zugenommen, während die Haushalte mit mehr als zwei Personen um 16 Prozent wuchsen, wie aus der Datenbank von Empirica Regio hervorgeht.

„Gerade wenn Familien nicht in das Umland abgedrängt werden sollen, müssen vernünftige Alternativen für sie im Geschosswohnungsbau entstehen“, sagt Grade. Doch in diesem Bereich hat Hamburg Nachholbedarf. Denn der Anteil der Neubauwohnungen mit vier Zimmern lag im Zeitraum 2011 bis 2015 noch bei 23 Prozent und ist auf 19 Prozent im Zeitraum 2016 bis 2020 gesunken. Noch dramatischer fällt der Rückgang bei Neubauwohnungen mit mehr als vier Zimmern aus. Ihr Anteil ist von 31 auf 18 Prozent zurückgegangen.

Den höchsten Mietpreisanstieg gab es in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Lüneburg mit bis zu 47 Prozent seit 2012. Kleine Wohnungen kosten in Lüneburg rund 9,70 Euro je Quadratmeter und im Herzogtum Lauenburg 8,85 Euro. „Lüneburg ist ein Universitätsstandort, das treibt auch die Preise bei Mietwohnungen“, sagt Grade. Die Leerstandsquote liegt geschätzt bei 1,1 Prozent in diesem Jahr, und die Baugenehmigungen sind in den letzten fünf Jahren zurückgegangen, wobei ein Großteil noch auf Ein- und Zweifamilienhäuser entfällt. Es fehlen Wohnungen im Geschosswohnungsbau.

Bevölkerungswachstum soll bis 2031 anhalten

Im Herzogtum Lauenburg ist die Bevölkerung in den letzten fünf Jahren um 3,2 Prozent gewachsen. Bereits seit 2013 gibt es ein ungewöhnliches Bevölkerungswachstum, was der Empirica-Prognose zufolge bis zum Jahr 2031 anhalten soll. Die Folge ist auch eine hohe Neubautätigkeit, was aber den bisherigen Mietpreisanstieg von bis zu 46 Prozent nicht stoppen konnte. Im Jahr 2020 wurden je 1000 Einwohner 7,8 Wohnungen fertiggestellt. Das waren mehr als in Hamburg (6,1).

„Die Mieten in Hamburg werden auch künftig steigen, weil die Nachfrage groß bleibt und Material- und Fachkräftemangel sowie enorme Kostensteigerungen den Neubau beeinträchtigen“, erwartet Grade. Auch für das Umland erwartet er eine ähnliche Entwicklung. „Da Familien sich mehr Wohnfläche wünschen und möglichst auch einen Garten, wird das Umland weiter gefragt sein, weil sich diese Vorstellungen dort eher umsetzen lassen“, sagt Grade. Was bisher nur für Kaufinteressenten postuliert wurde, gilt auch für Mieter. Im Vergleich zu Hamburg sind die Mieten für größere Wohnungen im Umland bis zu 49 Prozent (Kreis Steinburg) günstiger als in Hamburg. Weitere günstige Standorte für Familien sind die Kreise Stade (8,13 Euro) und Herzogtum Lauenburg (8,19 Euro). Viele Firmen bieten inzwischen – unabhängig von der Corona-Infektionslage – die Möglichkeit, mehrere Tage in der Woche vom Homeoffice aus zu arbeiten.

Mieten in Hamburg steigen: Grenze für Erhöhung gibt es nicht

Auf deutliche Mietsteigerungen spätestens im nächsten Jahr müssen sich Mieter mit Indexmietverträgen einstellen. Die Miete kann dann um den Prozentsatz erhöht werden, wie die Inflationsrate, also die Lebenshaltungskosten, gestiegen sind. Experten erwarten für dieses Jahr einen Wert zwischen sechs und sieben Prozent. Manche dürften nicht einmal wissen, dass sie einen solchen Vertrag haben. Wegen der niedrigen Inflationsraten in der Vergangenheit haben manche Vermieter die Möglichkeit nicht umgesetzt, weil ihnen der Aufwand zu hoch erschien. In den Jahren 2015, 2016 und 2020 lag die Inflationsrate lediglich bei 0,5 Prozent im Jahr. Doch das schützt nicht vor rückwirkenden Erhöhungen. „Es gibt da keine Begrenzungen auf die letzten zwei oder drei Jahre“, sagt Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. „Eine Grenze für die Indexmieterhöhung sieht das Mietrecht derzeit nicht vor.“ Auch die Mietpreisbremse hilft nicht, denn sie bezieht sich nach Angaben des deutschen Mieterbunds nur auf die Ausgangsmiete. Die der jeweiligen Ausgangsmiete nachfolgenden erhöhten Mieten unterliegen dagegen nicht mehr den Begrenzungen durch die Mietpreisbremse.

„Wir gehen davon aus, dass 70.000 bis 90.000 Mieterhaushalte in Hamburg von Indexmietverträgen betroffen sind. In der Beratung bei uns ist das jetzt ein ganz großes Thema.“ Es wird sich in Zukunft noch verschärfen. „Denn inzwischen ist jeder zweite neu abgeschlossene Mietvertrag außerhalb von Saga und Genossenschaften ein Indexmietvertrag“, sagt Bosse. „Steigende Mieten aufgrund der hohen Inflationsrate und dazu noch steigende Nebenkosten werden vielen Mieterhaushalten bis in die Mittelschicht hinein das Genick brechen. Sie werden ihre Wohnungen nicht halten können.“ Bosse fordert: „Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen von elf Prozent in drei Jahren muss bei der bevorstehenden Gesetzgebung auch auf Indexmieten angewendet werden.“ Es müsse jetzt im Bundesjustizministerium schnell gehandelt werden.