Hamburg. Chef des Bauunternehmens Otto Wulff spricht über gedämmte Häuser und gibt eine Prognose für die Immobilienpreise der nächsten Jahre ab.

Als Stefan Wulff sich entschloss, in das Bauunternehmen seines Vaters und Großvaters einzusteigen, waren die Aussichten schwierig. Für Hamburg sagten Studien damals einen Bedarf von mehreren Hundert Neubauwohnungen pro Jahr voraus, mehr nicht. Heute könnte man jedes Jahr 10.000 bauen, wenn es denn genügend Grundstücke gäbe …

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Chef des Unternehmens Otto Wulff, das inzwischen 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, über viel zu stark gedämmte Häuser, die steigenden Bauzinsen und Immobilienpreise, die wohl erst einmal nicht sinken dürften. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Stefan Wulff über …

… schwierige Zeiten in der Hamburger Immobilienbranche, die noch gar nicht so lange her sind:

„Ich kenne als Kind noch die wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ich habe meinen Vater manchmal sehr, sehr traurig erlebt, weil er nicht wusste, wie er am Ende des Monats die Löhne bezahlen sollte. Das prägt einen natürlich. In meiner Lehrzeit haben wir an der Berufsschule eine Studie zu den Perspektiven am Hamburger Immobilienmarkt bekommen. Das war 1986. In dieser Studie wurde vorhergesagt, dass Hamburg schrumpfen und keine 500 neuen Wohnungen pro Jahr brauchen würde.“

… seinen Einstieg ins Familienunternehmen im Jahr 1995:

„Sechs Jahre nach der Wiedervereinigung waren viele Hamburger Bauunternehmen vor allem in den neuen Bundesländern aktiv. Wir haben das nicht gemacht. Wir waren immer hier, und das war der Grund für unsere ersten großen Wachstumsschritte. In der Zeit hatten wir übrigens Quadratmeterpreise von etwa 1500 bis 1700 Euro …“

… den wichtigsten Preistreiber bei Hamburger Immobilien:

„Der Grundstückpreis spielt eine wahnsinnig große Rolle. In den vergangenen Jahren ist er unglaublich gestiegen. Wir haben jetzt in Eimsbüttel ein Projekt, bei dem der Grundstückspreis pro Quadratmeter über dem liegt, was der Bau der Wohnungen pro Quadratmeter dort kostet. Und die Baukosten pro Quadratmeter liegen schon bei 3700 bis 4000 Euro.

Entscheider treffen Haider: Die Preise drängen Menschen ins Umland

… die energetischen Vorgaben für Häuser und Wohnungen:

„Die energetischen Vorgaben der Politik führen dazu, dass wir die Gebäude immer mehr aufrüsten. Wir zahlen zwar immer weniger fürs Heizen, dafür aber exorbitant mehr für den Strom. Die Gebäude sind inzwischen so stark gedämmt, dass wir sie zwangsbelüften müssen. Das ist eine Entwicklung, die ich sehr kritisch sehe und der wir gegensteuern müssen. Aus meiner Sicht sind die besten Häuser die, die wir in den 90er-Jahren gebaut haben. Die waren energetisch gut, aber technisch so, dass man sie auch als Nicht-Ingenieur bewohnen konnte. Die Gebäude aus dieser Zeit sind die, bei denen die Mieten und Nebenkosten noch moderat geblieben sind. Das ist bei vielen Neubauten leider ganz anders.“

… das Bündnis für das Wohnen und ein großes Problem:

„Was wir im Bündnis für das Wohnen erreicht haben, ist, dass der Senat mit der Wohnungswirtschaft spricht. Das hat es vorher so nicht gegeben, und das ist gut. Aber leider hat die Politik es aus meiner Sicht versäumt, aktiv Bauland auszuweisen. Das hat dazu geführt, dass nicht nur die Baukosten, sondern vor allem die Grundstückspreise gestiegen sind. Unser größtes Problem sind nicht Engpässe bei den Baustoffen, uns fehlen die Grundstücke. Und es passt angesichts der extrem angespannten Situation und den steigenden Bauzinsen auch nicht, dass Hamburg im nächsten Jahr die Grunderwerbsteuer erhöht.“

… die Frage, ob steigende Bauzinsen dazu führen, dass die Nachfrage nach Immobilien in Hamburg sinkt:

„Es gibt sicherlich viele, die jetzt an ihre finanziellen Grenzen kommen und ins Hamburger Umland ausweichen – obwohl die Preise auch dort stark ansteigen. Aber nach wie vor ist wahnsinnig viel Geld im Markt, und das legen viele Menschen weiter in Immobilien an, bevor sie bei ihrer Bank dafür Strafzinsen bezahlen müssen oder das Geld durch die Inflation an Wert verliert. Insbesondere in guten Lagen wie Ottensen ist die Nachfrage extrem hoch, und da spielt die Finanzierung oft keine große Rolle.“

… lange Lieferzeiten bei Baumaterialien:

„Wir kriegen alles. Es ist nur eine Frage des Preises und eine Frage der Zeit. Wir müssen ganz anders planen – ein Gebäude komplett bis zum letzten Lichtschalter durchdenken und dann überlegen, wie wir die einzelnen Bauabschnitte genau takten.“

… die Margen bei einem Bauunternehmen und die Grenzen des Wachstums:

„Wir verdienen, wenn es gut läuft, drei bis vier Prozent auf den Gesamtumsatz. Das ist übrigens seit 20 Jahren so. Leider müssen wir im Moment viele interessante Aufträge ablehnen, weil wir für die nächsten zwei, drei Jahre sehr gut ausgelastet sind. Wir würden gern weiterwachsen, aber dafür fehlen uns die Leute. Derzeit bilden wir 25 Maurer und Betonbauer in drei Lehrjahren sowie zwei kaufmännische Azubis aus.“

Der Fragebogen: Was Wulff vom Lufthansa-Chef wissen will

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ich wollte etwas mit Autos machen. Die haben mich schon als Kind fasziniert. Mein erstes Wort war „Auto“ – noch bevor ich „Mami“ und „Papi" sagen konnte.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Stets den eigenen Wünschen und Ideen zu folgen und den Weg, für den man sich entscheidet, konsequent zu gehen. Kurskorrekturen sind erlaubt und erwünscht.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Ich habe tatsächlich kein wirkliches Vorbild, keine Persönlichkeit, an der ich mich orientiere. Vielmehr begeistern mich die Menschen, die trotz ihres Erfolges bzw. ihrer Leistungen sie selbst geblieben sind.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Mein ehemaliger Mathematik-Lehrer aus der Oberstufe hat auf einem Abiturtreffen zu mir gesagt, dass er niemals gedacht hätte, dass ich ein Ingenieurstudium beginnen und abschließen würde.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Relativ spät. Nach dem Abitur 1985 und der anschließenden Bundeswehrzeit habe ich eine Bankausbildung begonnen und abgeschlossen. Danach war der Plan, in Hamburg Jura zu studieren. Für den Studienplatz kam nach der abgeschlossenen Ausbildung schnell die Zusage. Um etwas Zeit zu überbrücken, wollte ich für zwei Monate auf einer unserer Baustellen arbeiten – daraus sind dann zehn Monate geworden! Ich wusste bereits nach wenigen Wochen: Bauen ist das, was ich machen will!

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Insbesondere der Berufseinstieg 1993 nach dem Studium bei Held Francke in Hamburg war für mich prägend. Ich bekam die Chance, als Sohn des Wettbewerbers, mit dem Start in den Beruf meinen eigenen Weg zu gehen. Das war wichtig für mich. Bei Otto Wulff war es mein Vater, der mir vom ersten Tag an voll vertraut hat und seine Rolle eher als Berater anstatt als Vorgesetzter verstanden hat.

Auf wen hören Sie?

Der Rat meiner Familie ist mir sehr wichtig. Meine Frau und Tochter sind oft ein gutes Regulativ und halten mir den Spiegel vor. Ich höre aber auch auf die Gedanken meiner Kollegen in der Geschäftsführung und schätze den Austausch mit den wirklich richtig guten Freunden.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Was mich beeindruckt hat, ist unternehmerischer Mut, gepaart mit der Fähigkeit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Umsetzung der Idee zu begeistern.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Man sollte als Führungskraft niemals respektlos und arrogant auftreten und Menschen von „oben herab“ behandeln.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Mein Führungsstil ist geprägt von einem Urvertrauen. Ich vertraue jeder Mitarbeiterin, jedem Mitarbeiter bei Otto Wulff zu 100 Prozent.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Ehrlicherweise ist Geld nicht das, was mich antreibt. Bei Otto Wulff müssen wir mit unserem Geschäft natürlich Geld verdienen. Aber die realisierten Gewinne verbleiben zum größten Teil im Unternehmen. Wir investieren derzeit viel in Zukunftstechnologien.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Ich wünsche mir authentische, engagierte, motivierte und kreative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich aktiv ins Unternehmen einbringen und durch konstruktive Kritik und gute Ideen aktiv an der Zukunft von Otto Wulff arbeiten. Unsere wirklich besondere Arbeitsatmosphäre ist etwas sehr Fragiles. Wir müssen täglich gegenseitig auf uns achten, um diesen Spirit zu erhalten.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Ich schaue mir in erster Linie den Menschen an. Zeugnisse spielen eine untergeordnete Rolle. Der Lebenslauf muss nicht immer geradlinig sein. Neben der fachlichen Qualifikation spielt bei uns die entscheidende Rolle, ob die Bewerberin oder der Bewerber menschlich zu uns passt.

Duzen oder siezen Sie?

Bei uns gibt es beide Formen. Es gibt das „Du“ und das „Sie“. Das ist nicht einheitlich geregelt. Wir kommen mit dem Mix aber gut zurecht.

Was sind Ihre größten Stärken?

Meine größte Stärke ist sicherlich, Menschen für mich bzw. für Otto Wulff zu gewinnen und zu überzeugen. Ich bin neugierig und habe Lust auf neue Themen und Geschäftsfelder, die in unsere Zukunftsstrategie passen könnten.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ich bin nicht gut im Detail, und ich mag keine komplexen Tabellen und Zahlenkolonnen. Es ist gut, dass es da Menschen gibt, die Freude daran haben und unsere Zahlen im Griff haben.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Ich würde mich gern mit Carsten Spohr, dem CEO der Lufthansa, unterhalten.

Was würden Sie ihn fragen?

Ich möchte ihn fragen, warum die Lufthansa ihren Kunden gegenüber immer weniger Service bietet und sich dazu auch noch teilweise kundenunfreundlich verhält.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Wir haben über 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unser Betriebsrat ist kompetent besetzt und hat stets immer auch das Wohl des Unternehmens als Ganzes im Blick. Wir pflegen einen konstruktiven und guten Umgang.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

50 bis 60 Stunden.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Acht Stunden reichen mir unter der Woche. Am Wochenende schlafe ich gerne aus.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich kann gut mit Stress umgehen und schlafe meistens gut – auch in schwierigen Phasen. Regelmäßiger Sport und sich bewusst Zeit zu nehmen für die Familie und meine Hobbys helfen mir dabei, den Abstand zu wahren.

Wie kommunizieren Sie?

Ich kommuniziere am liebsten persönlich – im Gespräch – das kann ich auch am besten. Aber wir haben in letzten Jahren gelernt, Videokonferenzen intern und extern effektiv zu nutzen. Innerhalb des Unternehmens bauen wir unsere Social-Media-Plattform COYO für den Informationsaustausch stetig weiter aus.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Relativ wenig. Ich bin entweder mit unseren Kunden unterwegs oder tausche mich mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den laufenden Projekten aus. Wir haben neben Hamburg noch zwei weitere Standorte in Berlin und Leipzig, die ich regelmäßig besuche.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und die eigenen Ideale und Wertvorstellungen nicht aus dem Auge zu verlieren.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Stefan Wulff?

Ich bin im Unternehmen und privat ein und derselbe Mensch. Da gibt es wirklich keinen Unterschied.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Wir stehen als Gesellschaft und als Volkswirtschaft vor unglaublichen Herausforderungen. Meines Erachtens brauchen wir eine breit ausgelegte gesamtgesellschaftliche Diskussion, wie wir in Zukunft als Gesellschaft in Hamburg leben und unsere Stadt weiterentwickeln wollen. Leider wird eine aktive Stadtentwicklung allzu oft durch das Partikularinteresse einzelner Gruppen blockiert und verhindert.