Teil 3: Fleisch. Höhere Preise, weniger Schlachter, mehr Konkurrenz - wie kleinere Züchter den Großen trotzen.

Hamburg. Sie riechen streng. Und sie grunzen. Die rund 160 Muttertiere und ihr Nachwuchs führen sich auf, als fühlten sie sich im Stall von Bauer Hans-Hartwig Schmidt aus Kollmar bei Elmshorn sauwohl. Einige säugen gerade ihre frisch geborenen Ferkel, anderen Muttersauen wurden vom Nachwuchs zwecks weiterer Aufzucht schon wieder getrennt. "Der Geruch kommt nicht von den Ausscheidungen der Tiere. Es ist der übliche Schweinegeruch", sagt Wilhelm Ahrens. Er hat unter der Marke Susländer ein besonders natürliches Aufzuchtverfahren für Schweine entwickelt. Zudem hat er Schmidt schon vor Jahren dazu überredet, seine Tiere als Susländer Schweine zu züchten. Anders als bei üblicher Massentierhaltung werden die Tiere in der Region geschlachtet und ihnen ein stressiger Weg zum preiswertesten Schlachter quer durch die Republik erspart. Bei Ahrens beträgt der Weg höchstens 24 Kilometer.

Kurze Wege zum Schlachter findet auch Matthias Wolfschmidt, Vize-Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, wichtig. "Man sollte gesetzlich festlegen, dass immer einer der vier am nächsten liegenden Schlachthöfe angefahren werden muss", sagt er dem Abendblatt. Denn Stress, den Tiere beim Transport erleiden, beeinträchtige die Fleischqualität.

Die Tiere von Schmidt bekommen ein spezielles Futter, das Ahrens liefert und in der benachbarten Mühle der Familie Haars herstellen lässt. Von Speziallaboren lässt er sein Verfahren immer wieder kontrollieren. Die Zutaten des Futters sind Betriebsgeheimnis. Nur so viel verrät Ahrens: Hauptbestandteil sind Erbsen, gemischt mit Kokos- und Palmkernfett. Auf schädliche chemische Zusatzstoffe wird verzichtet. Auch auf zu viel Getreide, das das Entstehen von Ammoniak begünstigt - den typischen Geruch von Dung. Vier Höfe hat Ahrens bereits unter Vertrag, ein fünfter kommt demnächst hinzu. Ahrens kontrolliert die Aufzucht und kauft den Bauern das Schlachtfleisch am Ende ab.

Auch die Vermarktung des Fleisches ist regional und mittelständisch angesiedelt. Das Hamburger Familienunternehmen Wendt mit seinen 17 Mitarbeitern zerlegt die Susländer Schweinehälften und bietet sie Schlachtern und Restaurants in Norddeutschland an. Das Fleisch kommt inzwischen offenbar so gut an, dass auch der Großanbieter Citti Susländer ins Sortiment aufgenommen hat.

Wie fast alle Nahrungsmittel wird auch Fleisch - ob Rind, Schwein oder Geflügel - immer teurer, sagen Experten voraus. Schon allein deshalb, weil die weltweite Nachfrage mit dem zunehmenden Wohlstand in den Schwellenländern explodiert. Weltweit hat sich der Fleischkonsum deshalb bereits in den vergangenen 25 Jahren verdoppelt. In China stieg der Pro-Kopf-Verbrauch seit 1980 um 150 Prozent.

Der schwache Trost für den Konsumenten: Die Preise für Fleisch explodieren nicht kurzfristig wie bei anderen landwirtschaftlichen Produkten geschehen. Denn anders als bei Getreide oder Milch reagieren die Verbraucher auf Preiserhöhungen beim Fleisch auch mit Konsumverzicht, oder sie meiden teures Filet. Deshalb wird Fleisch in Deutschland zwar knapper, aber laut Matthias Kohlmüller, Fleischexperte der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle (ZMP), wird es keinen Notstand geben. Denn die höheren Preise locken weltweit immer mehr Züchter auf den Markt.

Die Anzahl der Weiden und jene Flächen, die für die Produktion von Tierfutter verwendet werden, sind international entsprechend gestiegen. In den USA hat der Trend zu mehr Viehzucht paradoxe Züge angenommen: Während in den Städten die Immobilienpreise ins Bodenlose gesunken sind, sind die Preise für Farmland im Mittleren Westen stark gestiegen. Denn Fleisch ist ein flächenintensives Geschäft. Um ein Kilo Schweinefleisch zu produzieren, braucht man grob gerechnet drei Kilo Futter, für ein Kilo Rindfleisch sogar sieben Kilo.

Gerade in Deutschland ist Fleisch in den vergangenen Jahren durch Seuchen wie BSE oder Geflügelpest ins Gerede gekommen. Die Folge war nicht nur, dass der Konsum zeitweilig sank, sondern dass immer mehr Verbrauchern der Appetit auf industrielle Massentierhaltung, bei dem nur der Preis zählt, vergangen ist. Auch das Fleischerhandwerk durchlitt einen dramatischen Wandel. Immer mehr klassische Familienbetriebe mussten aufgeben. So gab es vor zehn Jahren nach Aussagen des Deutschen Fleischer-Verbandes noch 32 400 Metzger (inklusive Filialen) in Deutschland, heute sind es um die 27 500. Ein Ende des Betriebssterbens ist noch lange nicht in Sicht, denn der Kostendruck wächst weiter.

Fleischkauf ist Vertrauenssache. Denn auf einem Kilo Braten prangt kein Haltbarkeitsstempel. Foodwatch rät unter anderem, das Personal des Fleischanbieters mit gezielten Fragen zu testen. Nur so könne man herausfinden, ob der Anbieter wirklich über Fachpersonal verfügt. Zudem solle man sich bei vielversprechenden Namen von Zuchtbetrieben erkundigen, wo sich der Betrieb tatsächlich befindet. "Meist gibt es diese Betriebe gar nicht. Die Fantasienamen sollen nur den Eindruck vermitteln, dass es sich um eine idyllische Aufzucht handelt", so Wolfschmidt. Zu Achtsamkeit rät der Experte auch bei mariniertem Fleisch. Käufer sollten genau prüfen, ob die Würzmischung nur verdecken soll, dass das Fleisch schon in die Tage gekommen ist.

Die Frage nach der Qualität bewirkt, dass immer mehr Verbraucher neue Formen der Landwirtschaft bevorzugen, mit kleineren Betrieben und dem Versprechen, das Tier nicht nur artgerechter zu halten, sondern auch hochwertiger zu füttern. Bauer Schmidt kann sich darüber freuen, schließlich erhält er von Ahrens einen Kilopreis, der zehn Cent über dem Marktpreis liegt. Für den Verbraucher bedeutet dies 30 bis 40 Cent Mehrkosten pro Karbonade. Rund 2500 Nachkommen seiner Mastschweine verkauft Schmidt jedes Jahr, nachden er sie in den eigenen Stallungen aufgezogen hat.