Hamburg. Der letzte Gang des Rinds führt leicht bergab zum Licht. Es fällt durch die zum Hof geöffnete Stalltür. Auf dem Hof wartet der Arzt, der noch einmal die Gesundheit des Tieres prüft. Dann sind es nur noch wenige Schritte bis in die Tötungsbucht, in der der Kopf arretiert wird und wie bei einer Guillotine herausragt. Das Tier steht still und es bleiben ihm noch drei, vier Sekunden bis es ein Bolzen niederstreckt.

"Es macht keinen Sinn, lange zu warten, es ist besser für das Tier, wenn alles schnell vorbei ist", sagt Christian Korb, Diplom-Agraringenieur und Fleischermeister sowie einer der beiden Geschäftsführer der Heinrich Fricke GmbH &Co KG. Die 1892 gegründete Firma ist der einzige Schlachtbetrieb mit EU-Zulassung für Rinder in Hamburg.

Korb (29) und sein Bruder Andreas (26), die den Betrieb seit Anfang des Jahres in fünfter Generation führen, passen jedoch so gar nicht zum Klischee des Schlachters. Beide schauten zwar schon als Jungen immer mal wieder auf dem Schlachthof vorbei. Doch Andreas wechselte erst nach der Ausbildung zum Finanzfachwirt bei der Haspa in das elterliche Geschäft und bei Christian steht beim geplanten Ausbau des Stalls das Wohl der Tiere mit im Vordergrund. "Wir überlegen, das Zwitschern von Schwalben per Band einzuspielen. "Das kennen die Tiere aus ihren Ställen, es beruhigt sie."

Heute ist der Stall leer und penibel blank geputzt. Geschlachtet wird bei Fricke jeweils dienstags, durchschnittlich 60 Rinder, Kühe oder Bullen, deren Fleisch bis zum Wochenende verkauft sein soll. Damit gehören die Korbs und ihre 18-köpfige Stammbelegschaft bei einem Umsatz von vier Millionen Euro zu den Mittelständlern der Branche. Große Betriebe bringen es auf 600 Schlachtungen pro Tag.

Das Geschäft ist hart. Die Deutschen achten bei ihren Ausgaben fürs Essen auf den Cent und reagieren rasch auf Preissteigerungen bei Rindfleisch. Gleichzeitig geben immer mehr Züchter auf, weil Futtermittel und Dünger teurer werden und sich die Produktion von Pflanzen für Biosprit eher lohnt. "Richtig knapp werden die Schlachttiere in ein- bis eineinhalb Jahren", glaubt Christian Korb. Aber schon jetzt müssen die Höfe - auch Argentinien und Brasilien liefern weniger (siehe Interview) - für ein Kilo Fleisch bei Kühen 51und bei Jungbullen 41 Cent mehr zahlen als noch im Juni 2007.

Bei der Konkurrenz um die Tiere können immer weniger kleine Firmen mithalten. "Es werden jedes Jahr weniger Betriebe, das ist eine schleichende Entwicklung", sagt der Hauptgeschäftsführer des deutschen Vieh- und Fleischhandelsbundes, Patrick Steinke. Ohne die Metzger, die selber schlachten, zählt er bundesweit noch 250 bis 260 Firmen.

Die Korbs haben ihre Stammlieferanten in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, "nicht mehr als ein bis eineinhalb Transportstunden" entfernt. Verhandelt über Lieferungen und Preise wird jedoch jede Woche neu: in der Küche der Firma, gleich neben dem Eingang auf einer hölzernen Eckbank, wo jederzeit Kaffee nachgeschenkt werden kann. "Menschlicher Kontakt, Bekanntschaft, die auch mal derbe Worte zulässt, das ist wichtig in dieser Branche", sagt Andreas Korb.

Die Strategie der Frickes steht. Seit 1977 gilt ihre EU-Zulassung, die für Topsauberkeit, ständige Kontrollen, Hygieneschleusen für die Mitarbeiter und blitzblank geschrubbte Zerlegetische und Kühlräume steht, in denen die Hälften von Rindern und Bullen fein säuberlich nebeneinander hängen. "Wir vergleichen uns mit den Operationssälen im Krankenhaus", sagt Christian Korb. So erlaubt der EU-Standard die Lieferung an Kitas und Krankenhäusern, die sonst verwehrt bleibt.

Um dem Preisdruck der Züchter als Lieferanten und der mächtigen Handelsketten als Abnehmer zu entgehen, soll nun das Geschäft ausgeweitet werden. Am weitesten fortgeschritten ist dazu der Kauf eines Imbisswagens, der schon in zwei Wochen auf dem Hof von Fricke stehen soll. "Auch unser Ladengeschäft, das jetzt zehn Jahre besteht, wird nicht das einzige bleiben", versichert Andreas Korb. Als größten Schritt peilt Christian Korb sogar die Übernahme eines Hofes an, auf dem die Schlachttiere aufgezogen werden können. Dann hätte der Agraringenieur ihr Wohl von Anfang an im Blick.