Teil 5: Milch.Bauer Quast hat 50 Kühe und eine Menge Probleme - nicht zuletzt wegen der Bürokraten in Brüssel.

Hamburg. Es ist es still, zu still für einen Bauernhof. Nur ganz hinten, aus einem kleinen Stall, muht ab und an eine Kuh, die an diesem Tag nicht auf die Weide darf. Kein Mensch ist auf dem Platz um den Misthaufen zu sehen. Keine Maschine zu hören. Bauer Jochen Quast (43) ist auf seinen Feldern unterwegs, das Gras wenden, das er in wenigen Tagen zu Heu verarbeiten will. Es sind diese Stunden, nachdem die Tiere versorgt sind, die Quast für wichtige Arbeiten auf den Feldern nutzen muss. Seine Milchkühe grasen auf der Weide direkt hinter dem Haus. "Meinen Damen muss es gut gehen, dann geben sie viel Milch. Das ist schließlich die Grundlage für meine Existenz", sagt der Landwirt, als er von seinem grünen Trecker steigt.

50 Tiere besitzt er und ist damit einer der "eher kleineren Betriebe". Im Norden hat der durchschnittliche Milchbetrieb etwa 70 Kühe. Mehr als zwei Drittel seines Einkommens erwirtschaftet Quast mit seinen Tieren, den Rest mit Ackerbau. "Der Verkauf der Tiere ist dann eher ein Zubrot für mich", sagt der große schlanke Mann. 1000 Liter Milch geben die Hilde, die Hilke, die Berta und die anderen Kühe täglich. Alle zwei Tage holt ein großer Tankwagen die Milch bei ihm ab.

Nur vor etwa vier Wochen, als im Zuge des bundesweiten Milchstreiks auch die Molkereien blockiert waren, konnte Quast sein Produkt nicht abliefern. Da musste auch er, der sich nicht an dem Lieferboykott beteiligen wollte, seine Milch wegschütten. "Das hat mich wütend gemacht, denn so hatten selbst die Bauern, die nicht dabei sein wollten, keine Chance, ihre Milch zu verkaufen. Und ein Nahrungsmittel wie Milch wegzuschütten, finde ich einfach verwerflich." Insgesamt sieht Quast, der auch Mitglied im Vorstand des Hamburger Bauernverbandes ist, die höheren Preise als Folge des Streiks kritisch. "Ich rechne damit, dass ich in meiner Juni-Abrechnung etwa einen Cent pro Liter mehr haben werde", sagt er. "Ob die massenhafte Vernichtung der Milch das wirklich wert war?"

Auch der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist mit dem Ergebnis des Bauernstreiks nicht zufrieden. "Wir haben Bewegung in die Diskussion gebracht und vorerst einen weiteren Preisverfall gestoppt, aber das reicht noch lange nicht", sagt Hans Foldenauer, Sprecher des BDM, der selbst zusammen mit seinem Sohn einen Milchbetrieb führt. Noch sei nicht klar, welcher Teil von der Erhöhung des Milchpreises im Einzelhandel auch wirklich bei den Erzeugern ankomme.

Die Vertreter des BDM fordern vor allem Konsequenzen der Politik. In einem ersten Schritt müsse die so genannte Saldierung der Quote aufgehoben werden, bei der die Überbelieferung des einen Bauern mit der Unterbelieferung des anderen verrechnet wird. "Derzeit haben wir durch diese Regelung eine stetige Überproduktion, weil jeder denkt, die Kollegen werden schon weniger Milch liefern." Dieses bundesweite Überangebot drücke den Preis in den Keller. In einem zweiten Schritt will der BDM erreichen, dass die Milchquote auf europäischer Ebene von Produzenten und Molkereien flexibel gesteuert wird. "Dann können wir uns der steigenden oder sinkenden Nachfrage anpassen", so Foldenauer, der gegen eine Abschaffung der Milchquote ist. "Ohne sie würde Chaos ausbrechen, weil die Landwirte immer mehr Milch produzieren würden. Und das kann nicht unser Ziel sein."

Landwirt Quast unterstützt dagegen grundsätzlich eine Abschaffung der Milchquote, mit der die Politik in Brüssel die Produktion der Milch europaweit reguliert. "Wir Bauern müssen lernen, unternehmerisch zu denken und ohne die Quote werden wir auch dazu gezwungen", sagt er. Dennoch müsse mit Hilfe der Bundesregierung dafür gesorgt werden, dass man die kleinen Milchwirtschaftsbetriebe in bestimmten Regionen schützt. "Es gibt bereits jetzt ein Gefälle. Besonders in bergigen Regionen nimmt die Zahl der Milchbauern ab. Da ist für viele die Produktion zu kostspielig geworden."

Um möglichst geringe Herstellungskosten geht es mittlerweile allen Bauern. Schließlich kostet sie die Produktion teilweise mehr als sie mit einem Liter verdienen können. Bauer Quast hat in seiner Maiabrechnung 29,5 Cent pro Liter Milch erhalten. Die Kosten beziffert der Landwirt derzeit allerdings mit 30 bis 40 Cent - je nach Jahreszeit. Zu teuer seien Futtermittel und Energie geworden. "Würde ich 35 Cent erhalten, könnte ich kostendeckend produzieren und hätte am Ende eine schwarze Null stehen", sagt er und steckt die Hände wie zum Protest in die tiefen Taschen seiner grünen Latzhose. So zehre er im Moment noch von dem Geld, das er im vergangenen Herbst verdient habe, als die Preise hochgeschnellt waren.

"Auch wenn es hart klingen mag, die Bauern müssen sich endlich damit abfinden, dass es einen Markt gibt, der je nach Angebot und Nachfrage den Preis regelt", sagt Michael Brandl, Geschäftsführer beim Milch-Industrieverband, der die Molkereien vertritt. "Und dieser Markt ist nicht mehr auf Deutschland beschränkt, sondern hat sich auf Europa, ja auf die ganze Welt ausgedehnt." Er könne die Wut der Bauern zwar verstehen. Es müsse jedoch darüber nachgedacht werden, ob die Art des Vorgehens angemessen sei, sagt er und meint damit den Milchboykott. "Die deutschen Bauern sind gut aufgestellt um weltweit mitzuhalten, auch wenn die Quote abgeschafft werden sollte." Und dies sei nur noch eine Frage der Zeit.

"Bei allen Entscheidungen, die wir treffen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Einkommen der Milcherzeuger schnellstmöglich verbessert und nachhaltig stabilisiert werden", sagt Udo Folgart, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Jetzt gehe es darum, kurzfristig auf nationaler und europäischer Ebene das sogenannte Begleitprogramm Milch umzusetzen. Folgart fordert von den politisch Verantwortlichen in Brüssel, jede Erhöhung der EU-Milchquote zu verhindern. Außerdem müsse ein langfristig abgesicherter Milchfonds zur Unterstützung der Milchbauern noch in diesem Jahr geschaffen werden. Dieser Fonds solle Direktzahlungen an Milcherzeuger leisten, die unter besonders schwierigen Bedingungen wirtschaften, und Investitionen von Milcherzeugerbetrieben fördern.

All diese Diskussionen beeindrucken Bauer Quast nur wenig. Er hat einen genau geplanten Tagesablauf, den er fast minutiös einhalten muss, da bleibt nur wenig Zeit zum Nachdenken über die große Politik. Schließlich bewirtschaftet er den elterlichen Hof seit sechzehn Jahren ganz allein, krank werden darf er nicht. Das ist auch der Grund, warum der Hof oft verwaist wirkt. Dennoch stimmt ihn seine Situation manchmal nachdenklich. "Das Schlimme ist, egal wie sehr es mich trifft, ich kann nicht weglaufen und den Hof schließen", sagt er. "Ich muss weitermachen. Die Verantwortung habe ich mit dem Hof übernommen."