Letzter Teil. Weltweit haben 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Neue politische Konflikte drohen.

Hamburg. Für Tausende Frauen in Afrika ist es ein tägliches Ritual. Nach dem Aufstehen klemmen sie ihre Krüge untern Arm. Machen sich auf den Weg über staubige Pfade zum nächsten Bach oder See. Oft sind es mehrere Kilometer, die sie zu Fuß überwinden müssen. Für ein paar Liter Wasser. Wasser, das oft noch nicht einmal sauber ist, aber das sie so dringend zum Kochen, Trinken und Waschen benötigen. Das kostet viel Kraft und Zeit, ist beschwerlicher Alltag.

Auf dem nördlichen Nachbarkontinent Europa macht sich unterdessen kaum ein Bürger mehr Gedanken über das täglich nötige Nass. "Fließend Wasser" gehört hierzulande zur Grundausstattung jeder Wohnung. Wasser kommt aus der Leitung - warm und kalt, so viel jeder mag. In Deutschland ist es sogar zum Trinken geeignet. Was für ein luxuriöser Komfort.

Wasser ist für den Menschen das wichtigste Nahrungsmittel. Es ist lebensnotwendig. Zwar kann der Mensch viele Tage ohne Nahrung überleben, aber nur bis zu vier Tage ohne Flüssigkeit. Dennoch ist es heute in der Welt nicht selbstverständlich, dass jeder Bürger darüber verfügen kann. In mehr als 80 Ländern dieser Erde herrscht Wasserknappheit. Tendenz steigend. Etwa 1,1 Milliarden Menschen haben nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) keinen Zugang zu sauberem oder bezahlbarem Trinkwasser. Stattdessen holen viele Bürger ihr Wasser aus verschmutzen Seen, Flüssen und Brunnen. Rund 2,6 Milliarden Menschen müssen dazu ohne Toilette auskommen - und damit etwa jeder Dritte der 6,6 Milliarden Erdenbürger. Und die UN schätzen, dass bis 2025 sogar 1,8 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben werden. Betroffen sind vor allem jene Menschen, die schon heute in großer Armut leben.

Das Problem hat bereits dramatische Auswirkungen: Denn fehlendes sauberes Wasser und hygienische Sanitäreinrichtungen verursachen etwa 80 Prozent aller schweren Krankheitsfälle, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Rund 2,2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen - darunter 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Den täglichen Trinkwasserbedarf eines Menschen beziffert die WHO auf 100 Liter.

Besonders leiden die Menschen in Afrika südlich der Sahara und in Asien unter diesem Missstand. In fast allen Slums fehlt eine Abwasserentsorgung. Fäkalien landen in Flüssen, die sich immer mehr in Kloaken und zu gefährlichen Infektionsherden verwandeln. Ein Teufelskreis aus Armut, unzureichender Wasserversorgung und Krankheit, der dringend durchbrochen werden muss. "Wasserknappheit ist primär ein Problem von Armut und Ungleichheit", urteilen Experten des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. "Wenn Wasser knapp ist, bekommen es die Mächtigen. Die Schwachen gehen leer aus."

Schon 2002 hatte sich die UN zum Ziel gesetzt, die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben, bis zum Jahr 2015 zu halbieren. "Ein ehrgeiziges Ziel", meint der Süßwasserexperte vom World Wide Fund For Nature (WWF), "das flächendeckend wohl kaum erreichbar ist." Vielerorts fehle es an Geld, um die notwendigen Verbesserungen zu finanzieren.

Bereits vor sechs Jahren forderte der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Vereinten Nationen ein allgemeines "Recht auf Wasser": "Das Menschenrecht auf Wasser ist unumgänglich, wenn Menschen in Würde leben wollen. Es ist eine Vorbedingung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte." Alle Vertragsstaaten müssten Maßnahmen ergreifen, um den begrenzten Rohstoff Wasser für "absolut jeden zugänglich zu machen". Niemand möchte diesem Ziel ernsthaft widersprechen - dennoch ist man weit davon entfernt.

Das Dilemma hat auch geologische Ursachen: Obwohl unser Planet Erde zu mehr als 70 Prozent mit Wasser bedeckt ist, sind die Ressourcen stark begrenzt. Nur knapp drei Prozent der Wassermassen sind trinkbares Süßwasser. Von diesen knapp drei Prozent sind wiederum nur ein Drittel für den Menschen - über Seen, Flüsse und das Grundwasser - zugänglich. Die anderen Zweidrittel sind in Gletschern gespeichert.

Der Großteil der Wasservorkommen mit 97 Prozent ist dagegen Salzwasser. Vor dem Genuss muss dieses erst aufbereitet werden. Diese Situation ist ein Grund, sorgsam mit Wasservorräten umzugehen, Ausbeutung und Verschmutzungen zu verhindern. Gleichzeitig hat Wasser - im Gegensatz zu Öl oder Gas - einen großen Vorteil: Es wird niemals ausgehen, sofern der Mensch richtig damit umgeht. Wasser ist Teil eines Kreislaufs, so Experten: "Wasser wird nicht verbraucht, sondern gebraucht."

Klar ist: Angesichts der weiter wachsenden Weltbevölkerung und der zunehmenden Industrialisierung wird die Nachfrage für Trinkwasser steigen. Weltweit werden 70 Prozent des Wassers von der Landwirtschaft, 22 Prozent von der Industrie und acht Prozent von Haushalten genutzt.

Die Wasser- und Abwasserversorgung ist schon heute ein internationales Geschäft und riesiger Wachstumsmarkt. Das Marktvolumen der Wasserbranche wird von der UN weltweit auf 20 bis 60 Milliarden Euro allein für die Wasser- und Abwasserentsorgung geschätzt, mit Jahreszuwächsen bis zu zehn Prozent. Denn in vielen Regionen fehlt bislang eine ausreichende Infrastruktur.

Viele Konzerne wittern im Wassermarkt bereits das neue "blaue Gold" eines boomenden Zukunftsgeschäfts. Die Herausforderungen sind je nach Land und Region unterschiedlich. Mal geht es um den Bau neuer Leitungen, mal um die Gewinnung von Trinkwasser aus dem Meer. Das alles kostet sehr viel Geld, was sich vor allem wohlhabendere Staaten leisten können. Eine Privatfinanzierung würde sich allein über die Einnahmen aus den Wasserpreisen nicht gewinnbringend auszahlen. Hier ist staatliche Mithilfe erforderlich. Die größten Wachstumsmärkte sehen Experten deshalb in Asien wie China und Indien und im Mittleren Osten.

Große Player in dem Markt sind Anlagenbauer wie General Electric (GE), Siemens und der US-Konzern ITT. In Europa beschäftigen sich rund 200 Anbieter mit dem Bereich - 100 davon in Deutschland. Sie entwickeln Wasseraufbereitungsanlagen wie Entsalzungsmaschinen. Aber auch die großen Lebensmittel- und Getränkekonzerne wie Nestle, Danone, Pepsico und Coca-Cola verdienen bereits kräftig am Verkauf von Mineral- und Tafelwasser, wo Trinkwasser fehlt. In Hamburg ist Wasser üppig vorhanden. Der Wasserverbrauch liegt bei 107 Liter pro Kopf. Extreme Preisanstiege werden in Zukunft nicht erwartet, so der Vize-Chef von Hamburg Wasser, Wolfgang Werner: "Natürlich werden wir den Wasserpreis mittelfristig an die gestiegenen Kosten anpassen müssen. Aber weiterhin sehr moderat. Entwicklungen wie bei den Energiekosten wird es bei uns nicht geben."

Im Kampf um Wasser gab es in einigen Regionen der Welt bereits politische und blutige Auseinandersetzungen. Im Nahen Osten führen die knappen Wasservorräte immer wieder zu Spannungen zwischen Israel, Palästina, Syrien und Jordanien. Die Türkei, Syrien und der Irak tragen Konflikte um die großen Flüsse der Region, Euphrat und Tigris, aus. In Cochabamba in Bolivien, wo die Wasserprivatisierung die Preise verdreifachte, führte dies zum Generalstreik. UN-Experten schließen nicht aus, dass im 21. Jahrhundert sogar Kriege um Wasser geführt werden.

Offen bleibt, wie sich der Klimawandel auf die Wasservorkommen auswirkt. Nehmen Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen zu, könnte dies die weltweite Versorgung erheblich beeinträchtigen, sind UN-Experten sicher. Der Welt gehe das Wasser zwar nicht aus, aber für Millionen Menschen werde der Zugang immer schwieriger.