Fast jede zweite Reederei ist von Piratenangriffen betroffen. Die Branche beklagt hohe Zinsen der deutschen Banken für Kredite.
Hamburg. Immer mehr deutsche Reeder sind von Piratenangriffen betroffen. Ihre Zahl hat sich gegenüber 2009 mehr als verdoppelt. Das geht aus einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) unter 101 Firmen hervor, die gemeinsam 90 Prozent des Marktes abdecken. "42 Prozent der Befragten waren 2010 in einen Überfall verwickelt und für 71 Prozent der Reedereien sind in den vergangenen zwölf Monaten die wirtschaftlichen Belastungen durch die Piraten gestiegen", sagte Claus Brandt, der Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums von PwC. Denn die Folgekosten für Umwege, Sicherheitsdienste oder auch höhere Versicherungsprämien treffen die gesamte Branche. An Bord werden inzwischen Stacheldraht und Wasserkanonen installiert oder die Frachter fahren in Konvois. Dies löst aber durch Wartezeiten erneut steigende Kosten aus.
Die Operation Atalanta, mit der die EU die Transportwege vor der afrikanischen Küste mit Fregatten sichert, halten nur 40 Prozent der befragten Reeder für einen Erfolg. "Die Sicherung ist nicht so umfangreich wie es dem Anteil der aus Deutschland gemanagten Flotte entsprechen würde", kritisierte der Hamburger Reeder und Schiffsmakler Thomas Rehder, der bei der Präsentation der Studie als Experte geladen war. In der Containerschifffahrt sind deutsche Firmen weltweit führend.
Lösegeldzahlungen verschärfen Lage. Branche hofft auf Prozess in Hamburg
Verschärft hat sich die Lage nach Meinung der Mehrheit der Reedereien nach einzelnen Lösegeldzahlungen. "In dem Gebiet vor der Küste von Somalia versuchen jetzt immer mehr Trittbrettfahrer, auf diese Weise zu Geld zu kommen", sagte Brandt. Nun hoffe die Branche auf die abschreckende Wirkung des Hamburger Prozesses gegen zehn Somalier, die an Ostern den Frachter "Taipan" der Reederei Komrowski überfallen haben sollen.
Trotz der Belastungen durch die Piraterie haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen der Unternehmen deutlich gebessert. 80 Prozent der Schiffe sind derzeit wieder voll ausgelastet. Noch vor einem Jahr galt das nur für die Hälfte der Frachter. Für die kommenden zwölf Monate werden von mehr als zwei Dritteln der Befragten höhere Preise für den Transport (Frachtraten) und auch höhere Charterraten für das Mieten von Schiffen erwartet. Damit würden die Erlöse steigen. Fast zwei Drittel der Firmen wollen innerhalb eines Jahres Mitarbeiter einstellen.
Allerdings spüren die Reeder die Zurückhaltung der Banken bei der Schiffsfinanzierung. Gegenüber dem Vorjahr haben die Institute ihre Zinsmarge ausgeweitet. "Statt eines Aufschlags von knapp 1,4 Prozent auf die Kosten, zu denen sie sich selbst Kapital leihen können, werden drei bis 3,5 Prozent fällig", sagte Brandt. Wegen der vorsichtigen Vergabe von Krediten der Banken bestehe nun jedoch Gefahr für den Finanzplatz Deutschland.
Finanzierung ist Thema beim Maritimen Gipfel in Berlin
Denn in der Folge könnte sich das Geschäft mit Finanzierungen rasch nach Asien verlagern, wo schon jetzt die meisten Schiffe gebaut werden. "Danach wäre es auch möglich, dass Reedereistandorte verlegt werden", sagte Brandt. Die Sicherung der Finanzierung von fahrenden und noch bestellten Schiffen wird am kommenden Montag auch beim Maritimen Gipfel in Berlin diskutiert. Denn noch immer gibt es, verursacht durch die Krise, Tilgungsrückstände bei fahrenden Frachtern sowie Probleme bei Krediten für bestellte Schiffe. "Gerade für Ablieferungen in den Jahren 2013 und 2014 würde eine Verlängerung der Bürgschaften aus dem KfW-Programm helfen", sagte Brandt. Die Hilfen laufen jedoch zum Jahresende aus. "Derzeit können die Banken bei weiten nicht die Gelder bereitstellen, die die Unternehmen brauchen", sagte Rehder. "Wenn die EU verlangt, dass sich die öffentliche Hand aus den Landesbanken zurückziehen soll, sollten sich die Banken nach strategischen Partnern umsehen." Dafür schlägt er asiatische Finanzhäuser vor. Dies würde auch die Finanzierung von deutschen Zulieferungen für Werften in Asien sichern - denn deutsche Technik wird von vielen deutschen Reedern bei dortigen Bestellungen bevorzugt.