Eine kleine Firma aus Wunstorf gilt als Vorreiter der neuen Batterie-Technik. Lüneburg hat bereits den ersten Kleintransporter gekauft.
Hamburg. Wenn Ralf Dibowski mit dem kantigen Elektrolaster EcoCarrier durch Lüneburg fährt, fühlt er sich ein wenig wie Gottlieb Daimler, der 1886 mit der ersten Motorkutsche von Cannstatt nach Untertürkheim ratterte. "Man fällt auf und wird angesprochen", sagt der Mann, der das Batterieauto vor einigen Monaten für die Grünflächenpflege der Hansestadt kaufte und damit ähnlichen Pioniergeist bewies wie der Erfinder des Automobils vor 123 Jahren. Der Leiter der Abwasser, Grün & Lüneburger Service (AGL) schätzt das grüne Image des Null-Emissions-Vehikels und überzeugte den Bürgermeister von der Anschaffung.
Der Transporter bewältigt die Beschleunigung von 0 auf 50 Kilometer pro Stunde zwar nicht im Spurt, aber immerhin in 8,5 Sekunden und überbrückt mit einer Batterieladung Entfernungen bis zu 80 Kilometer. Den Laster in auffälligem Kommunalorange ziert ein unbekanntes Logo und er hat die Anmutung einer Lkw-Zeichnung eines Kleinkindes. Aber dafür belaufen sich die Kosten für 100 Kilometer auch nur auf vier Euro für den Strom aus der Steckdose, an die das Gefährt in der Nacht acht Stunden angeschlossen wird. Am Morgen, wenn die Gärtner in die Parks der Stadt ausschwärmen, sind die Batterien dann wieder voll geladen. "Bei den derzeitigen Spritkosten rechnet sich das und reicht für unsere Ansprüche", sagt Dibowski, der nicht nur auf den ungewöhnlichen Antrieb setzt. Er hat sich mit dem Hersteller EcoCraft auch noch auf eine Firma verlassen, die bis dato keine Erfahrung im Autobau hatte.
Dennoch scheinen EcoCraft und ihr leise surrendes Elektrogefährt ihrer Zeit weit voraus zu sein. Nicht nur Dibowski ist mit dem Produkt zufrieden. In der Automobilindustrie wird die Nutzung des Elektroantriebs, der Fahrzeuge von der endlichen Ressource Öl unabhängig machen soll, derzeit mit ähnlicher Spannung verfolgt wie Ende des 19. Jahrhunderts die Frage, ob Pferde nun als Transporthelfer ausgedient haben. Doch keiner der renommierten Autobauer im Range von Daimler oder VW hat bisher ein reines Elektroauto in den Verkaufsprospekten. Die Traditionshersteller befinden sich mit Projekten wie dem E-Smart oder dem E-Mini noch in der Testphase.
"Wir wollten ein günstiges Auto bauen, das schlicht und simpel ist und funktioniert, mehr nicht", sagt Achim Wiedey von EcoCraft zum Erfolgsrezept der Firma aus Wunstorf bei Hannover. Der EcoCarrier in der Lüneburger Version, das erste Auto, das EcoCraft ausgeliefert hat, bietet nur das Nötigste, keinen elektrischen Fensterheber, keine Servolenkung, weder ABS noch Airbags. Einige Extras gibt es allerdings mittlerweile auf Wunsch, dann wird der EcoCarrier, der in der Grundausstattung 26 000 Euro kostet, etwas teurer und die Leistung sinkt. Die Beschränkung auf das Wesentliche hat EcoCraft in die Lage versetzt, den großen Autobauern davonzufahren. Die Firma geht auf die Initiative von Giso Gillner und Dirk-W. Morche zurück, die sich als Wirtschaftsingenieure zwar bereits mit Fahrzeugtechnik befasst hatten, mit der Produktion eines eigenen Autos allerdings Neuland betreten haben. Am Anfang bastelten sie das Auto aus Aluminiumteilen, einem Motor des Zulieferers ABM und einer Hawker-Batterie per Hand zusammen. Doch im Januar dieses Jahres konnte EcoCraft sogar VW als Auftragnehmer gewinnen: Der Hersteller fertigt den EcoCarrier in seiner Fabrik in Sarajevo. Realistisches Ziel von EcoCraft sind in diesem Jahr 360 verkaufte Autos. Bei dieser Stückzahl erreicht die Firma mit bisher gut 20 Mitarbeitern, die die Entwicklung mit dem Geld privater Investoren stemmte, die Gewinnschwelle. 2010 sollen 1500 Fahrzeuge abgesetzt werden.
Bisher fährt das Batteriemobil außer in Lüneburg etwa noch am Flughafen in Hannover und für die Stadt Magdeburg. "Letztlich können Sie das Auto aber auch in großen Werken, auf Märkten, in Freizeitparks oder als Handwerker einsetzen", sagt Thomas Bitter, der sich in Norddeutschland um den Vertrieb kümmert und auch in Hamburg Gespräche mit potenziellen Kunden führt. "Der Kauf von Elektroautos wird in ganz Europa inzwischen subventioniert, nur eigenartigerweise in Deutschland noch nicht", sagt Wiedey, der auch auf Generalimporteure in Holland, Belgien, Luxemburg, Österreich, Spanien und Frankreich setzt.
Dibowski, der erste Kunde von EcoCraft, glaubt an den Erfolg der Firma: Er hat in alten Büchern der Kommunen recherchiert und herausgefunden, dass die Elektrowagen in Deutschland offenbar nur ein Zwischentief hatten. So waren schon 1935 von insgesamt 360 Wagen der Berliner Stadtreinigung 254 E-Fahrzeuge. "Die Autohersteller haben die Technik einfach aus den Augen verloren", wundert sich der Elektrofan.