Landeschef aus Rheinland-Pfalz sieht nach Scheitern der Auffanglösung für Schlecker-Mitarbeiter enorme Kosten auf die Kommunen zukommen.
Berlin/Baden-Baden. Das Scheitern der Auffanglösung für Tausende Schlecker-Mitarbeiter wird die Kommunen aus Sicht des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck teuer zu stehen kommen. "Das wird ein x-faches kosten an Sozialleistungen“, sagte der SPD-Politiker am Freitag im SWR. Es sei ein Skandal, dass die FDP die Bürgschaft der Länder für eine Auffanggesellschaft habe platzen lassen. Bei der Bürgschaft über gut 70 Millionen Euro sei es nicht einmal um bares Geld gegangen, erklärte Beck.
Während der Bundestag über 700 Milliarden Euro für einen neuen Euro-Rettungsschirm debattiere, sei den Schlecker-Frauen Hilfe verweigert worden, sagte Beck. "Ich war selten auf Politik so wütend wie gestern“, erklärte er. Die Bürgschaft hätte die betroffenen Frauen unterstützen sollen, nicht eine insolvente Firma.
Beck widersprach der Ansicht, die gekündigten Schlecker-Frauen hätten auch ohne Umschulung in einer Auffanggesellschaft gute Chancen auf neue Jobs im Einzelhandel. "Man kann nicht, wenn man 30 Jahre im Bereich eines Drogeriemarktes gearbeitet hat, dann einfach in den Bereich beispielsweise des Einzelhandels für Bekleidung gehen“, sagte er.
Mehr als 11.000 Schlecker-Mitarbeiter betroffen
Durch das Scheitern der Transfergesellschaft stehen aller Voraussicht nach mehr als 11.000 Beschäftigte der insolventen Drogeriemarktkette vom nächsten Montag an auf der Straße. Eine Transfergesellschaft, in der der Großteil von ihnen für sechs Monate weiterbeschäftigt werden sollte, kommt wegen des Widerstands dreier Länder nicht zustande, in denen die FDP den Wirtschaftsminister stellt. "Es war leider nicht möglich, alle unter einen Hut zu bekommen", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag. Das Vorhaben sei damit gescheitert.
+++Transfergesellschaft für Schlecker gescheitert+++
+++Wie Arbeitnehmer richtig vor Gericht klagen+++
Sein bayerischer Amtskollege Horst Seehofer (CSU) machte Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) dafür verantwortlich. Finanzminister Markus Söder (CSU) und er hätten die Beteiligung an einer 71 Millionen Euro schweren Bürgschaft zur Finanzierung der Auffanggesellschaft für vertretbar gehalten, Zeil habe dies aber abgelehnt.
Um die Bürgschaft war über Nacht intensiv gerungen worden, nachdem eine Lösung unter Beteiligung aller 16 Bundesländer an Niedersachsen und Sachsen gescheitert war. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hatte auf die Transfergesellschaft gedrängt, weil er andernfalls Kündigungsschutzklagen fürchtet, die die Suche nach einem Käufer für die verbliebenen 3000 Filialen von Schlecker erschwerten. Geiwitz will bis Pfingsten einen neuen Eigentümer für die einst größte deutsche Drogeriekette gefunden haben.
+++"Wie eine Beerdigung" - Letzter Ladenschluss bei Schlecker+++
Ver.di-Chef Frank Bsirske verurteilte die Blockade der FDP-Minister scharf: "Das, was diese FDP-Wirtschaftsminister machen, ist einfach verantwortungslos. Ideologie auf dem Rücken von zehntausend Kolleginnen." Die Transfergesellschaften hatten eine Debatte ausgelöst, ob der Staat mit den Bürgschaften zu sehr in den Wirtschaftskreislauf eingreife.
FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte, die Bundesagentur für Arbeit müsse den Schlecker-Beschäftigten neue Perspektiven geben. Die Lage am Arbeitsmarkt sei derzeit günstig. "Das Land Baden-Württemberg hat falsche Hoffnungen bei den Schlecker-Beschäftigten geweckt, die jetzt jäh enttäuscht werden." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte die Freidemokraten: "Die FDP will gnadenlos und mit allen Mitteln Profil gewinnen und nimmt dafür die Schlecker-Frauen als Geiseln." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, äußerte sich ähnlich: "Die FDP kämpft verzweifelt um die eigene Zukunft, das Schicksal der Schlecker-Mitarbeiterinnen gerät dabei unter die Räder."
Der Handelsverband HDE und die Bundesagentur für Arbeit machen den Schlecker-Beschäftigten indes Mut. Raimund Becker aus dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit sagte Reuters TV, es gebe bundesweit 25.000 offene Stellen für Verkäuferinnen. "Der Markt ist aufnahmefähig." Auch der Arbeitgeberverband des deutschen Einzelhandels erwartet, dass die 11 000 Schlecker-Mitarbeiter rasch neue Stellen in der Branche finden.
Mit Material von dapd