Schuldenschnitt kommt per Post. Experten empfehlen, den Anleihenumtausch zu ignorieren. Oft wird darüber unzureichend informiert.
Hamburg. Die Informationen fließen spärlich. "Ich habe fast kein Wort von dem Umtauschangebot für die Griechenland-Anleihen verstanden", sagt Rüdiger H., nachdem er das entsprechende Schreiben seiner Bank Comdirect gelesen hatte. Worte wie Schuldenerlass oder Wertverlust kommen darin gar nicht vor. Auch das Umtauschangebot ist verwirrend. "Für eine Anleihe im Nennwert von 1000 Euro soll ich neue Papiere im Wert von 780 Euro bekommen", hat H. verstanden. Doch das ist eine Fehleinschätzung, da alle Gläubiger auf rund 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen.
Wie Rüdiger H. bekamen in diesen Tagen Tausende Privatanleger in Deutschland Umtauschangebote für griechische Staatsanleihen. Sie alle haben nur noch bis morgen Zeit, auf die Offerte zu reagieren. Doch viele sind mit der Entscheidung überfordert. "Für eine Direktbank, bei der die Kunden selbst ihre Entscheidungen treffen müssen, sind die Informationen etwas dürftig", kritisiert Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
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Bessere Informationen kommen von den Sparkassen, und manche Banken raten ihren Kunden auch klar, was sie tun sollen. "Wir empfehlen den Kunden, nicht auf das Umtauschangebot zu reagieren", sagt Chris Oliver Schickentanz von der Commerzbank. Denn eine Pflicht zur Annahme gibt es nicht. Auch die DSW teilt diese Einschätzung, wenn die Papiere noch in diesem oder im nächsten Jahr fällig werden. "Dann bleibt noch eine kleine Chance, dass die Anleihen von Griechenland zu 100 Prozent zurückgezahlt werden", sagt Kurz. Denn sollten mehr als 90 Prozent des ausstehenden Nominalkapitals für den Schuldenschnitt freiwillig zusammenkommen, besteht für Griechenland keine Notwendigkeit, die Verweigerer noch zum Schuldenschnitt zu zwingen.
Unterdessen hat der Haupthandelsplatz für griechische Staatsanleihen, die Börse Stuttgart, den Handel mit diesen Papieren seit Wochenbeginn bis auf Weiteres ausgesetzt. "Die Informationslage ist zu ungesichert und die Liquidität stark zurückgegangen", sagte ein Börsensprecher. Damit entfällt die Möglichkeit, sich unter großen Kursverlusten schnell noch von den Staatsanleihen zu trennen und zumindest einen Restbetrag zu sichern.
Ob langjähriger Anleger oder kurzfristiger Spekulant: Allen droht jetzt der Zwangsumtausch ihrer Papiere. "Da müssen sich die Anleger keine großen Gedanken machen, wie sie sich entscheiden sollen", sagt Schickentanz. Wer nichts unternimmt, wird nicht schlechter oder besser gestellt als die übrigen Gläubiger, die auf den Umtausch reagieren. Denn Griechenland kann den Schuldenschnitt auf alle Gläubiger ausweiten, soweit zwei Drittel der Investoren den Umschuldungsklauseln zustimmen. Mit der Bekanntgabe der Teilnehmerquote ist von übermorgen an zu rechnen. Ab 12. März soll der Umtausch beginnen.
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Alle Anleger bekommen dann für eine griechische Staatsanleihe im Nominalwert von 1000 Euro neue Papiere im Nominalwert von 315 Euro. Sie laufen über 30 Jahre und sind mit einem Staffelzins ausgestattet, der von zwei auf 4,30 Prozent steigt. Die Tilgung der Anleihe beginnt im Jahr 2023 mit fünf Prozent jährlich. Zu den Zinsen bekäme der Anleger dann jährlich einen Teil des Nominalwerts zurück. Außerdem erhalten die Anleger eine Anleihe des Rettungsfonds EFSF im Nennwert von 150 Euro. Sie läuft ein bzw. zwei Jahre und wird sich voraussichtlich schnell verkaufen lassen. Verschiedene Zinssätze, Laufzeiten und Herausgeber der Anleihen führen dazu, dass für ein altes Papier 24 neue Wertpapiere in das Depot gebucht werden.
"Die neuen griechischen Papiere werden deutlich unter ihrem Nennwert an der Börse notieren", sagt Kurz. Ein vorzeitiger Verkauf wäre also nur mit weiteren Verlusten möglich. Außerdem ist die weitere Entwicklung in Griechenland sehr unsicher. "Damit ist nicht sicher, ob Zins und Tilgung der Papiere dauerhaft gezahlt werden können", sagt Kurz. Nur wenn weniger als 75 Prozent der Gläubiger der Umschuldung zustimmen, wird sie nicht weiter verfolgt. Doch auch das ist keine gute Nachricht für die Anleger. Dann droht ein ungeordneter Schuldenschnitt mit unabsehbaren Konsequenzen.