Bis Donnerstag müssen sich die Gläubiger für oder gegen den Schuldenschnitt entscheiden. Ohne den Forderungsverzicht droht die Staatspleite.
Frankfurt/Main. Der Schuldenschnitt Griechenlands befindet sich auf der Zielgeraden. Bis Donnerstagabend haben private Investoren Zeit, auf das hochkomplexe, 167 Seiten starke Umschuldungsangebot der griechischen Regierung zu reagieren. Unter dem Strich gilt es als unwahrscheinlich, dass Griechenland auf die umstrittene Aktivierung seiner nachträglich eingeführten Umschuldungsklauseln (CAC) verzichten kann, um die Gläubiger notfalls zum Forderungsverzicht zu zwingen. Zugleich ist ein Scheitern des gesamten Schuldenschnitts zwar möglich, allerdings ebenfalls nicht sehr wahrscheinlich. Wichtige Fragen und Antworten hierzu:
Werden sich die Gläubiger freiwillig am Schuldenschnitt beteiligen?
Dass alle dies tun, ist sehr unwahrscheinlich. Jedenfalls stellen sich die internationalen Finanzkontrolleure von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) laut einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ auf einen erzwungenen Umtausch von griechischen Staatsanleihen ein. Entsprechende nachträgliche Klauseln (Collective Action Clauses/CAC), mit denen ein Verzicht privater Gläubiger erzwungen werden kann, hatte das griechische Parlament im Februar beschlossen.
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Warum ist dieser Schritt denn umstritten?
Mit der Aktivierung der Zwangsklauseln würde aus der freiwilligen eine unfreiwillige Umschuldung, durch die auch Kreditausfallversicherungen fällig werden könnten. Diese sogenannten Credit Default Swaps (CDS) waren einer der Gründe, warum die Finanzkrise des Jahres 2008 so dramatische Ausmaße angenommen hatte.
Wovon hängt die Aktivierung der Umschuldungsklauseln ab?
Grundsätzlich kann Griechenland den angestrebten freiwilligen Schuldenschnitt auf alle Gläubiger ausweiten, soweit zwei Drittel der Investoren den Umschuldungsklauseln zustimmen. Voraussetzung ist aber ein Quorum, wonach mindestens die Hälfte aller Anleihegläubiger auf das Umschuldungsangebot reagieren müssen, also überhaupt antworten. Grundsätzlich stimmt jeder Gläubiger, der auf das Umschuldungsangebot Athens eingeht, auch den Umschuldungsklauseln zu. Es gibt allerdings die Möglichkeit, das Umschuldungsangebot nicht zu akzeptieren, aber der Aktivierung der Zwangsklauseln zuzustimmen. Von dieser Möglichkeit dürften insbesondere Gläubiger Gebrauch machen, die auf die Auszahlung ihrer Kreditausfallversicherungen spekulieren.
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Wie hoch sind die Erfolgsaussichten für die angepeilte Umschuldung?
Im Grunde recht gut, wobei Erfolg oder Misserfolg von bestimmten Quoten abhängt, die Griechenland gesetzt hat. Demnach scheitert der Schuldenschnitt, falls mehr als 25 Prozent der Anleihebesitzer das Umschuldungsangebot Athens und zugleich die CAC-Aktivierung ablehnen. Stimmen hingegen mehr als 75 Prozent der Gläubiger dem Angebot zu, wird es komplizierter: Liegt die Zustimmung unter 90 Prozent, kommt es darauf an, ob sich Griechenland und seine öffentlichen Geldgeber mit der Entlastung durch den Schuldenschnitt zufriedengeben. Stimmen hingegen mehr als 90 Prozent der Gläubiger dem Angebot zu, soll der Schuldenschnitt auf jeden Fall durchgeführt werden.
Welche freiwillige Beteiligung wird erwartet?
Die von Griechenland und seinen öffentlichen Geldgebern anvisierte Zustimmung von mindestens 90 Prozent gilt als sehr hohe Zielmarke, die vermutlich nicht erreicht werden wird. Realistischer ist eine Zustimmung zwischen 75 und 90 Prozent sowohl zum Umschuldungsprogramm als auch zu den CACs. Dann würde die Entscheidung, ob die Umschuldung erfolgt und über die CACs auf alle Gläubiger ausgeweitet wird, letztlich bei Athen und seinen Partner-Staaten liegen.
Was passiert, wenn mehr als ein Viertel der Gläubiger ablehnen?
In diesem Fall soll die anvisierte geordnete Umschuldung nicht weiter verfolgt werden. Griechenland bliebe die Möglichkeit eines „harten“, ungeordneten Schuldenschnitts. Die Konsequenzen sind aber kaum vorhersehbar, sowohl für Athen als auch für seine Gläubiger. Deshalb gilt dieser Fall unter Experten als unwahrscheinlich.
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Welche Entlastung ergibt sich für Athens Schuldenstand?
Liegt die Zustimmung der Investoren über 75 Prozent, geht die italienische Großbank UniCredit von einer Schuldenreduzierung um bis zu 110 Milliarden Euro aus. Dieser Maximalwert wird aber nur dann erreicht, falls Athen die Zwangsklauseln aktiviert und den Schuldenschnitt auf alle privaten Gläubiger ausweitet. Sollten die CACs nicht gezogen werden und es zu einem rein freiwilligen Schuldenerlass kommen, hängt die Schuldenreduktion vom Ausmaß der Beteiligung ab. (dpa/abendblatt.de)