Die EU-Staats- und Regierungschefs haben den Krisenfonds ESM für schwächelnde Euro-Länder gebilligt und sich auf einen Fiskalpakt geeinigt.

Brüssel. Die EU-Staaten haben einen beispiellosen Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin vereinbart – allerdings mit Ausnahmen: Großbritannien und überraschend auch Tschechien ziehen nicht mit. Das teilte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy am späten Montagabend beim Sondertreffen in Brüssel mit. Damit konnte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihren wichtigsten Forderungen durchsetzen. Wegen der Forderung aus Deutschland nach einem „Sparkommissar“ für Griechenland musste sie heftige Kritik einstecken, gab allerdings nur in der Wortwahl nach.

Die 25 Länder verpflichten sich in ihrem zwischenstaatlichen Fiskalvertrag zum Sparen und zur Einführung einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Die Staaten akzeptieren eine schärfere Haushaltskontrolle der EU sowie härtere Strafen gegen Schuldensünder.

Der Vertrag soll nach bisherigem Zeitplan im März unterschrieben werden und muss dann noch in den Mitgliedstaaten gebilligt (ratifiziert) werden. Besonders Deutschland hatte auf den neuen Pakt gepocht.

Der Streit um das völlig überschuldete Griechenland belastete den Sondergipfel erheblich. Die Bundesregierung blieb trotz heftiger Kritik aus Europa bei ihrer Forderung nach verstärkter Kontrolle für den Schuldensünder. Merkel machte aber deutlich, dass mit – und nicht gegen Griechenland – gehandelt werden müsse.

Bei dem eintägigen Spitzentreffen gab es am Montag scharfe Vorwürfe wegen des Berliner Vorstoßes, dem völlig überschuldeten Griechenland die Hoheit über seine Haushaltspolitik zu entziehen und einem EU-Kontrolleur zu übertragen. Dem Vernehmen nach kamen die Ideen aus dem Berliner Finanzministerium.

Selbst Merkels enger Verbündeter, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, sagte nach Abschluss der Beratungen: „Man kann kein Land, egal welches es ist, unter Vormundschaft stellen.“

Die Staatenlenker legten beim Fiskalpakt nach längeren Debatten einen Streit mit Polen und anderen Nicht-Euro-Ländern über die Teilnahme an Gipfeltreffen der Euro-Gruppe bei. Diese Staaten sollen an allen Beratungen teilnehmen dürfen, bei denen es um drei Themen geht: die Wettbewerbsfähigkeit, Veränderungen in der globalen Strategie der Euro-Währung und künftige Reformen der Grundregeln für die Gemeinschaftswährung.

Das Ziel des Fiskalpakts lautet, verlorenes Vertrauen an den Finanzmärkten wiederzugewinnen. Ein strikter Sparkurs soll die Staatsdefizite begrenzen und Fälle wie Griechenland künftig verhindern.

In der Griechenlanddebatte bezeichnete der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, den Berliner Vorschlag für den „Sparkommissar“ als „inakzeptabel“. Eine solche Regelung sei nur möglich, wenn es sie für alle Staaten gebe. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: „Beleidigen muss man niemanden in der Politik.“

Merkel sagte zwar: „Ich glaube, dass wir eine Diskussion führen, die wir nicht führen sollten.“ Sie fügte aber hinzu: „Es geht darum: Wie kann Europa unterstützen, dass in Griechenland die Dinge eingehalten werden, die als Auflagen gegeben werden. Aber alles geht nur, indem Griechenland und die anderen Staaten das miteinander diskutieren.“

Aus der Ferne distanzierte sich auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP): „Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte“, sagte er auf einer Nahost-Reise in Kairo. Wir sollten „eine Ermutigungsdebatte führen, keine Entmutigungsdebatte“.

Die Staatenlenker billigten auch den dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder ESM. Dieser soll am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Ob das Volumen für Notkredite ausreicht, soll der nächste EU-Gipfel im März überprüfen.

Der Gipfel beschloss auch, mehr für das Wirtschaftswachstum und vor allem für Arbeitsplätze junger Menschen zu machen. Schweden zieht als einziges Land bei der Wachstumsinitiative vorerst nicht mit. Dazu sollen vorhandene Mittel aus den milliardenschweren Brüsseler EU-Töpfen rascher und besser eingesetzt werden. Derzeit sind in den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht für konkrete Projekte vorgesehen sind.

Die Staaten, in denen die Jugendarbeitslosigkeit bei mindestens 30 Prozent liegt und die deswegen auf Hilfe bei der Suche nach förderungswürdigen Projekten hoffen dürfen, sind Estland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Spanien, Lettland und Litauen.

Sorge macht auch das hochverschuldete Portugal, das wieder ins Visier der Anleger geraten ist. Die Renditen für Staatsanleihen kletterten auf die höchsten Stände seit Einführung des Euro. Der Fast-Pleitestaat erhält bereits 78 Milliarden Euro Nothilfen aus dem derzeitigen Rettungsfonds EFSF.

Ein Streik in Belgien gegen das Sparpaket der Regierung hatte am Mittag die Anreise der Gipfelteilnehmer behindert. Merkel und andere Regierungschefs landeten nicht wie gewohnt auf dem Flughafen Brüssel, sondern auf einer Luftwaffenbasis südöstlich der Hauptstadt. (dpa)