Politiker kritisieren Verschleudern von Steuergeld. Rücktritt von Vorstand gefordert. Erinnerungen an IKB-Desaster werden wach.

Hamburg. Die Aktion gleicht einem Stück aus dem Tollhaus. Nach dem Milliardendebakel bei ihrer früheren Mittelstandsbank IKB ist die staatliche Förderbank KfW im Zuge der Finanzkrise nun selbst in den Fettnapf getreten - mit wiederum millionenschweren Folgekosten für die Steuerzahler.

Noch am gleichen Tag, an dem die US-Investmentbank Lehman Brothers diese Woche in die Insolvenz schlitterte, überwies die deutsche Staatsbank "irrtümlich" den Betrag von 300 Millionen Euro an das marode Institut. Die KfW spricht bei dieser Transaktion, die am Montag im Rahmen eines Swap-Termingeschäfts zur Absicherung von Währungsrisiken erfolgte, von einer "technischen Panne".

Das Bundesfinanzministerium, das die Fachaufsicht über die Bank hat, nannte die Zahlung "mehr als verwunderlich und ärgerlich". Der technische Fehler, "der für uns unerklärlich ist", müsse rasch aufgeklärt werden und werde Konsequenzen haben, sagte der Ministeriumssprecher Torsten Albig. Die KfW müsse prüfen, wie dies habe passieren können. Schließlich war die drohende Pleite von Lehman Brothers seit Tagen Börsengespräch, selbst jeder Normalbürger war schon am Wochenende über die Schieflage informiert.

Bundesregierung und Opposition reagierten völlig fassungslos auf den Vorfall und forderten Aufklärung. Der neue Vorstandschef der KfW Bankengruppe, Ulrich Schröder, der für seinen Job 800 000 Euro im Jahr bekommt, muss heute im Verwaltungsrat dazu Rede und Antwort stehen.

Angeblich erfolgen Zahlungen für Swap-Geschäfte nicht sofort, sondern werden oft automatisch vom Computer ausgeführt, hieß es. Die KfW soll nach der Überweisung noch hektisch versucht haben, diese zu stoppen. Allerdings erfolglos.

Zynisch stellte der Linksfraktionschef Gregor Gysi fest: "Futsch sind 'se. Tolle Experten, die da sitzen." FDP-Parteichef Guido Westerwelle warf der Regierung Versagen vor. Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel zeigte sich fassungslos "über den leichtfertigen Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers".

Der Finanzprofessor Wolfgang Gerke sieht die Schuld beim Vorstand, der versagt habe. "Es handelt sich um einen 100prozentigen Managementfehler, für den der Vorstandschef die Verantwortung trägt." KfW-Chef Schröder hätte bereits beim Aufflackern der Gerüchte um Lehman Brothers sämtliche Geschäfte der KfW mit dem Institut auf Risiken überprüfen lassen und Vorkehrungen treffen müssen, so Gerke: "Die Verantwortlichen an der Spitze der KfW Bankengruppe sind nicht die Richtigen."

Die Staatsbank KfW hofft unterdessen, zumindest die Hälfte des Geldes aus der Vermögensmasse von Lehman Brothers zurückzuerhalten. Finanzkreise schätzen, dass eine Konkursquote von 40 bis 50 Prozent denkbar sei. So will die britische Bank Barclays Teile von Lehman Brothers übernehmen.

Der Vorfall wirft erneut ein sehr schlechtes Bild auf das Management und die Struktur der KfW. Die Staatsbank erlebt hiermit schon ihr zweites Debakel in der Finanzkrise. Die langjährige Vorstandssprecherin und frühere SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier legte ihr Amt bereits im April hin, weil sie die Lage nicht mehr in den Griff bekam - und ging in den Ruhestand. Das viel Ärgerlichere an dem Fall ist aber, dass die Folgen dieses andauernden Missmanagements die deutschen Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Allein die Rettung der angeschlagenen IKB Mittelstandsbank verschlang bisher 10,7 Milliarden Euro, von denen 9,2 Milliarden Euro aus der Staatskasse bezahlt wurden. Damit koste die Rettung der Bank jeden der 82,4 Millionen Bundesbürger rund 111,65 Euro. Von der Summe hätten 1,2 Millionen Kindergartenplätze à 7500 Euro im Jahr bezahlt werden können. Durch das neue "Missgeschick" könnte ein weiterer dreistelliger Millionenbetrag fällig werden.

Die einst solide Mittelstandsbank IKB - eine Tochter der KfW - war im Juli 2007 als erste deutsche Bank in den Sog der US-Immobilienkrise geraten. Das Institut hatte sich mit Ramschhypotheken massiv verspekuliert und konnte nur mit milliardenschweren Rettungspaketen vor der Pleite bewahrt werden. Um einen Schlussstrich unter das Desaster zu ziehen, wurde die IKB mit Einwilligung von Finanzminister Peer Steinbrück an den umstrittenen Finanzinvestor Lone Star für nur rund 115 Millionen Euro verkauft. Sowohl das Verscherbeln der Bank für einen "zu niedrigen Preis" als auch der Käufer aus Texas, der wegen seines teils rüden Umgangs mit Firmen in der Geschäftswelt nicht sehr beliebt ist, wurden heftig kritisiert.