Bis zu sechs Milliarden Euro muss die deutsche Einlagensicherung auffangen. Doch so viel ist gar nicht im Topf.

Hamburg. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers wird offenbar zum Härtetest für den Einlagensicherungsfonds der deutschen Kreditwirtschaft. Denn die Frankfurter Tochtergesellschaft Lehman Brothers Bankhaus AG ist Mitglied in dieser Sicherungseinrichtung. Von den insgesamt elf Milliarden Euro Verbindlichkeiten gegenüber den institutionellen Kunden müsse der Fonds zunächst bis zu gut sechs Milliarden Euro abdecken, erklärte eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Berichten zufolge hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück das Volumen der Einlagensicherung des gesamten deutschen Bankensystems - also nicht nur der privaten Institute, sondern auch der Sparkassen und Volksbanken - im Februar 2008 vor dem Finanzausschuss des Bundestages aber lediglich mit 4,6 Milliarden Euro angegeben.

Für Lehmans Deutschland-Tochter muss der Einlagensicherungsfonds der im Bundesverband Deutscher Banken (BdB) zusammengeschlossenen privaten Geldhäuser einspringen. Über die Ausstattung seines Fonds aber schweigt sich der Verband auch auf Nachfrage konsequent aus - und versucht zu beschwichtigen: "Der Einlagensicherungsfonds befindet sich keinesfalls in einer Notlage", hieß es gestern in einer Erklärung.

Zudem prüfe die BaFin noch, ob überhaupt ein "Entschädigungsfall" ausgesprochen werde und wie hoch gegebenenfalls der zu entschädigende Betrag sein werde, sagte eine BdB-Sprecherin dem Abendblatt. Die Prüfung könne bis zu sechs Wochen dauern. In der Regel sei aber der beim Einlagensicherungsfonds verbleibende Schaden "deutlich geringer als die Summe der geschützten Einlagen". Denn durch die Verwertung des Vermögens der insolventen Bank fließe üblicherweise "der deutlich größere Teil" der Einlagensumme wieder zurück.

Darüber hinaus sei die aktuelle Kapitalausstattung des Sicherungsfonds gar nicht entscheidend, sagte Stefan Olbermann, Sprecher des Bundesfinanzministeriums, dem Abendblatt: "Ein solcher Fonds ist immer mehrstufig aufgebaut. Für bestimmte Großrisiken sieht er ein Nachschussverfahren vor." Im Klartext: Ist der Notgroschen aufgebraucht, müssen die an dem Sicherungssystem beteiligten Banken weiteres Geld aufbringen - sofern sie dies dann noch können.

Denn für Experten ist es kein Geheimnis, dass der Fonds zumindest mit einer allgemeinen Bankenkrise überfordert wäre. Schon in dem aktuellen Umfeld könne die Einlagensicherung "sehr schnell an ihre Grenzen geraten", sagte Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, dem Abendblatt. Er hält es für einen "Fehler im System", dass in Deutschland so hohe Beträge pro Kunde abgesichert sind.

Der Fonds springt immer dann ein, wenn die gesetzliche Entschädigung, maximal 20 000 Euro pro Kunde, nicht mehr ausreicht. Er deckt bei den privaten Geldhäusern je Kunde Einlagen von bis zu 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals einer insolventen Bank ab. Im Fall der Deutschland-Tochter von Lehman Brothers sind das 285 Millionen Euro, die bei jedem Kunden abgesichert sind, bei der Deutschen Bank wären es rein rechnerisch derzeit gar zwölf Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Die entsprechende US-amerikanische Institution Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), die sehr viel kapitalstärker ist, garantiert nur für bis zu 100 000 Dollar Einlagen eines jeden Bankkunden. "Sinnvoll wäre auch in Deutschland eine Begrenzung auf 100 000 Euro oder allenfalls eine Million Euro", meint Martin Faust, denn wenn der Sicherungstopf erst leer sei und das Nachschussverfahren greifen müsse, könne es schnell zu einem Dominoeffekt kommen: "Die Krise der einen Bank infiziert dann auch andere."

Letztlich müsste dann wohl doch der Staat eingreifen, um einem Vertrauensverlust in das Bankensystem vorzubeugen, so Faust. Im Finanzministerium in Berlin räumt man immerhin ein, das mehr als 30 Jahre alte deutsche Modell der Einlagensicherung sei ursprünglich nur "für eine bestimmte Anzahl kleinerer Fälle" gedacht gewesen.

Man vertraue aber darauf, dass auch künftig "die beteiligten Banken stark genug sind, die benötigten Mittel aufzubringen", sagte Steinbrück-Sprecher Olbermann. Er sieht jedenfalls "keine Veranlassung", über ein Szenario nachzudenken, in dem das nicht mehr gilt.