Die 27 EU-Finanzminister haben sich in Brüssel auf schärfere Eigenkapitalregeln für Banken geeinigt. Parlament verlangt noch Änderungen.
Brüssel. Gut dreieinhalb Jahre nach der Lehman-Pleite haben die 27 EU-Finanzminister in Brüssel einen riesigen Schritt zur Sicherung der 8300 europäischen Banken gemacht: Nach monatelangem Tauziehen einigten sie sich am Dienstag darauf, wie die schärferen Eigenkapitalregeln – die sogenannten Basel-III-Regeln – umgesetzt werden sollen. London gab auf der Sitzung in Brüssel seine Blockade auf, nachdem es die Möglichkeit erhalten hatte, im Alleingang seinen Instituten noch deutlich höhere Puffer vorzuschreiben und auf Krisen flexibel reagieren zu können.
„Wir können der Grundsatzeinigung zustimmen“, sagte Schatzkanzler George Osborne. „Wir haben ein großes Stück Arbeit erledigt“, stellte die dänische Ressortchefin und amtierende Ratspräsidenten Margarethe Vestager zum Abschluss der Sitzung erleichtert fest. Mit dem Mandat des Rates würden nun die Verhandlungen mit dem Parlament starten. Das hat allerdings noch weitergehende Forderungen, sodass das Tauziehen noch weitergehen wird. Aber auch viele Abgeordnete teilen Hoffnung, dass noch im Juni eine Lösung unter Dach und Fach gebracht werden kann.
+++ Finanzminister wollen neue Bankenregeln bestimmen +++
+++ Hintergrund: „Basel III" – Strengere Kapitalvorgaben für Banken weltweit +++
Mit der Umsetzung der Basel-III-Regeln, auf die sich die G-20-Länder nach dem Lehman-Crash einigten, wird die wichtigste Lehre aus der Krise gezogen. Sie schreiben mehr als die Verdreifachung der harten Kernkapitalquoten der Banken von heute zwei auf sieben Prozent bis zum Jahr 2019 vor. Kompliziert ist die Umsetzung in der EU, weil vor allem Briten, aber auch Schweden, Polen und Tschechen weit über Basel III hinausgehen wollen. Die Rettung seiner Banken hatte London Hunderte Milliarden gekostet und die Staatsverschuldung bedrohlich in die Höhe schnellen lassen. Damit das Trauma nicht wiederkehrt, will Schatzkanzler Osborne seinen Instituten noch deutlich höhere Kapitalpuffer vorschreiben.
+++ EU-Minister streiten über schärfere Banken-Kapitalregeln +++
+++ Neue Regeln für EU-Banken werden kommen +++
Doch die Flexibilität hat ihren Preis. Schärfere Auflagen bremsen die Kreditvergabe, und das weit über die Landesgrenzen hinaus. Außerdem bringen sie den Banken Wettbewerbsvorteile im umkämpften Markt. Frankreich, Luxemburg und andere Länder fürchten von Alleingängen in London oder Stockholm massive Auswirkungen, und setzten durch, dass diese eingeschränkt werden.
Der Kompromiss ist kompliziert, aber „ausgewogen“, wie Vestager betonte. Die Regierungen können ihren Banken zusätzliche Puffer vorschreiben. Aber wenn davon andere Länder betroffen sind oder die Polster bestimmte Schwellen überschreiten, können die europäischen Aufsichtsbehörden eingreifen, oder der Rat der Finanzminister muss grünes Licht geben.
Das Parlament will die Ratsposition in zahlreichen Punkten verändern oder ergänzen. Der Wirtschaftsausschuss hatte sich gestern auf einen eigenen Vorschlag geeinigt. Demnach sollen die Puffer für alle international aufgestellten Großbanken auf bis zu zehn Prozent aufgestockt werden. Zudem wehren sich die Volksvertreter gegen einen nationalen Flickenteppich und wollen der EU-Kommission ein nachträgliches Prüfungsrecht einräumen. Weiteres Anliegen des Parlaments: Die Banker-Boni sollen gedeckelt werden, sie sollen die Festgehälter der Manager nicht mehr übersteigen dürfen.
Die G-20-Staaten haben sich zur Einführung der Basel-III-Regeln zu Beginn kommenden Jahres verpflichtet. Einigt sich die EU nicht bis zum Sommer auf die genauer Umsetzung, dann droht sie in Verzug zu geraten, schließlich sind damit weitgehende Eingriffe in die Banken verbunden. Gelingt der EU aber der Durchbruch, dann wird sie zum Vorreiter: Ein entsprechendes Gesetz hat bislang nur Saudi-Arabien ausgearbeitet. Die US-Regierung konnte sich bislang noch nicht einmal auf einen Gesetzentwurf einigen.
Die obersten Kassenhüter der Eurozone machten in der Nacht zuvor deutlich, dass sie das krisengeschüttelte Griechenland als Mitglied behalten wollen. „Es ist unser unerschütterlicher Wille, dass Griechenland in der Eurozone bleibt“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Ein Ausstieg sei kein Thema in der Sitzung gewesen. „Keiner hat in dieser Richtung argumentiert.“
Eine neue Regierung in Athen muss nach dem Willen der Eurostaaten die vereinbarten Spar- und Reformziele einhalten. „Das ist nicht die Zeit, bei den Reformanstrengungen nachzulassen“, sagte der luxemburgische Premier- und Schatzminister.
Juncker schloss nicht aus, dass unter außergewöhnlichen Umständen Fristen für Athen verschoben werden könnten – dazu müsse es jedoch erst einmal eine Regierung geben. Das Thema Verschiebung sei auch nicht von den Ressortchefs debattiert worden.
+++ Schäuble offenbar als neuer Euro-Gruppenchef im Gespräch +++
Athen hängt am Tropf internationaler Geldgeber; falls Mitte Juni kein neues Geld aus dem Hilfsprogramm fließt, ist das Land pleite.
Die Euro-Minister begrüßten zudem die Reformen zur Sanierung des spanischen Bankensektors. Die Regierung in Madrid hatte am Freitag beschlossen, „Bad Banks “ zur Abwicklung von faulen Immobilienkredite der Geldhäuser zu gründen. Juncker forderte von der Regierung ausreichende Notfonds, um einheimischen Banken unter die Arme greifen zu können.
Juncker machte deutlich, dass er nicht mit schnellen Entscheidungen für seine Nachfolge an der Spitze der Euro-Kassenhüter rechnet. Er habe festgestellt, dass seine Amtszeit bis 17. Juli laufe, meinte der Luxemburger. Bisher hatte es geheißen, dass sein Mandat Ende Juni auslaufe. Als Favorit für den Top-Posten gilt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ). (dapd/dpa/abendblatt.de)