Euro-Länder und IWF stellen ein gigantisches Rettungspaket für Not leidende Staaten zur Verfügung. An der Börse steigen die Kurse.

Hamburg. Es war ein hektischer Wettlauf gegen die Zeit. Als die Finanzminister der 27 EU-Länder die Details für den Euro-Rettungsschirm bis tief in die Nacht zu Montag schnürten, hatten sie immer die Uhr im Blick. Um 2 Uhr in der Früh - Mitteleuropäische Zeit (MEZ) - öffnet in Japan die wichtigste Börse in Asien. Hier liegt der erste Prüfstein für ihr Handeln. Stundenlang trieben sie in Krisendebatten ihr Ziel voran, den Euro vor zerstörerischen Angriffen durch Spekulanten zu schützen. Zum Schluss wurde es zwar knapp, aber es reichte und wurde zur Punktlandung.

Rechtzeitig zum Tokioter Handelsstart meldeten die Nachrichtenagenturen gestern in Brüssel den Durchbruch als Eilmeldung: "Rettungsplan der Euro-Länder steht." Die Händler reagierten sofort. Die Aktien schossen ins Plus. Erst in Asien, dann in Europa und schließlich in den USA lösten die Beschlüsse ein wahres Kursfeuerwerk aus. Der DAX übersprang wieder die 6000 Punkte-Marke, insbesondere Bankaktien legten in zweistelligen Prozentbereichen zu. Auch der Euro gewann wieder an Stärke - und kletterte zeitweise über die Marke von 1,30 US-Dollar. Aufatmen an den Finanzmärkten.

Bundeskanzlerin will Geld der Deutschen schützen

Zur Rettung der hoch verschuldeten Euro-Länder hat die EU ein gigantisches Kreditprogramm über 750 Milliarden Euro beschlossen. 250 Milliarden Euro davon soll der Internationale Währungsfonds (IWF) beisteuern. Zudem zeigte sich die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals bereit, Staatsanleihen angeschlagener EU-Länder zu kaufen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht jeder Zweifel an dem Hilfsprogramm außer Frage: "Wir schützen das Geld der Menschen in Deutschland." Dazu müssten die Probleme an der Wurzel angepackt werden. Auch der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, nannte die Aktion eine "wichtige Maßnahme". Für die führenden Industrienationen (G7) sei das Paket ein "starker Beitrag zur finanziellen Stabilität". Was das Paket enthält:

Wie viel Geld steht den Ländern zur Verfügung?

Die Euro-Länder können über Kredite im Gesamtvolumen von bis zu 750 Milliarden Euro zurückgreifen. Ökonomen bezeichnen die Summe als außerordentlich hoch. "Die EU lässt damit keinen Zweifel offen, dass sie eine gemeinsame Verantwortung für den Währungsraum tragen und spekulative Angriffe auf den Euro parieren wird", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav A. Horn. "Es ist eine sinnvolle Abwehrmaßnahme gegen Spekulanten", ist der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, überzeugt. Der Volkswirt geht nicht davon aus, dass die Mittel in voller Höhe in Anspruch genommen werden.


Woher stammt das Geld für den europäischen Anteil?

Bis zu 60 Milliarden Euro der Kredite kommen aus dem Notfallfonds der EU, aus dem auch Nicht-Euro-Länder unterstützt werden. Weitere 440 Milliarden Euro sollen über eine europäische Zweckgesellschaft zur Verfügung gestellt werden, die noch gegründet werden muss. Dafür gewähren alle Euro-Länder Garantien. Wie diese neue Institution funktioniert, soll in "den nächsten Tagen" geregelt werden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble vertrat.

Wie hoch ist der Beitrag Deutschlands?

Deutschland wird mindestens 123 Milliarden Euro der Summe tragen müssen. Das Geld müssen der Bundestag und Bundesrat per Gesetz genehmigen. Die Beratung dazu müsse "zügig, aber auch gründlich" erfolgen, sagte Merkel. Deutschland muss bereits für die Griechenland-Rettungshilfe rund 23 Milliarden Euro bezahlen.

Müssen Länder für die Unterstützung bezahlen?

Für die Freigabe der Kredite gelten strenge Bedingungen. So müssen Not leidende Länder, die um Hilfe bitten, unter anderem Reform- und Sparpläne erfüllen, wie dies auch bei Finanzhilfen durch den IWF üblich ist. Die genauen Auflagen stehen aber noch nicht fest. Für die Kredite müssen Zinsen bezahlt werden, die nach dem Modell für das Griechen-Hilfspaket berechnet werden, das einen Zinssatz von etwa fünf Prozent vorsieht.

Was bringt der Ankauf von Staatsanleihen?

Staatsanleihen sind für jedes Land ein wichtiges Instrument, um seinen Haushalt oder seine Schulden mit dem Geld von Investoren zu finanzieren. Erstmalig wollen die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken künftig Staatsanleihen kaufen, um Anschlussfinanzierungen der Staaten zu sichern. Praktisch bedeutet der Schritt, dass die Notenbanken damit zur Gelddruckmaschine für Not leidende Staaten werden. "Das ist der Einstieg in eine höhere Inflation", sagt der Finanzexperte Wolfgang Gerke. Zahlreiche Ökonomen sehen durch die zusätzliche Geldmenge im Markt langfristig die Preisstabilität gefährdet.

Sind die Finanzhilfen überhaupt rechtens?

Generell dürfen Euro-Länder anderen Mitgliedern nicht helfen, deren Schulden zu begleichen. Dies schreibt der Lissabon-Vertrag in Artikel 125 vor. Die Euro-Länder berufen sich bei ihrer jetzigen Hilfe jedoch auf den Artikel 122. Danach kann ein Land auf den Beistand der Gemeinschaft zurückgreifen, wenn es "aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen" ernstlich bedroht ist. Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) bezeichnet diese Auslegung als fragwürdig, da die Finanzkrise kein Naturereignis ist. "Die EZB wirft damit ihre Grundprinzipien über Bord. Das ist ein schlechtes Zeichen für ihre Unabhängigkeit und die Stabilität des Euro."