Die Odenwaldschule kommt wegen der sexuellen Übergriffe nicht zur Ruhe. Es gibt neue Kritik am Vorstand. Und es droht ein Rechtsstreit.
Heppenheim. Fast ein Jahr nach dem Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule spitzt sich Kritik am Vorstand wieder zu. Die Aufklärung der Übergriffe auf die mehr als 130 Betroffenen sei noch nicht gelungen, sagte Trägervereins-Mitglied Philipp Horstmann am Montag. „Das ist eingeschlafen“, meinte der 36-Jährige. Aus der von der Schule im südhessischen Heppenheim beschlossenen Stiftung „Brücken bauen“ stünden jährlich noch nicht einmal 5000 Euro für die Opfer zur Verfügung. Die Stiftung sei „ein Feigenblättchen“, sagte Horstmann. „Für Betroffene gibt es keine Ansprechpartner.“
Horstmanns Kritik konzentriert sich auf Philip von Gleichen, der als Vorstand auch für Kommunikation zuständig ist. „Er versucht massiv, einen Dialog mit Betroffenen zu hintertreiben“, lautete der Vorwurf. „Diese werden beleidigt und systematisch ausgegrenzt“, sagte Horstmann. Von Gleichen zeigte sich verwundert, dass ein Mitglied des Trägervereins sich „schulschädigend verhält“. Gegen Horstmann werde ein Strafantrag unter anderem wegen vorsätzlicher Rufschädigung gestellt.
Laut einer im Dezember 2010 veröffentlichten Untersuchung missbrauchten vor allem in den Jahren 1965 bis 1985 damalige Lehrer insgesamt 132 Schüler. Vor drei Wochen hatte der Vorsitzende des Opferschutz-Vereins „Glasbrechen“ Adrian Koerfer die Zahl als wesentlich höher eingeschätzt. „Wir gehen von etwa 500 Betroffenen aus“, hatte er gesagt. Es hätten sich noch Opfer gemeldet. Der Verein „Glasbrechen“ kritisiert die Odenwaldschule seit seiner Gründung im September 2010. Sie gehe mit dem Aufarbeiten des Missbrauchs nicht ehrlich um.
Für den 1. November ist auf Initiative von Opfer-Anwalt Thorsten Kahl in der Nähe der Odenwaldschule in Bensheim ein Theaterabend mit dem Titel „Missbraucht“ geplant. (dpa)