An einer Sportschule sollen sich 16-Jährige an Mitschülern vergangen haben. Fast noch schlimmer wiegt das anfängliche Schweigen der Mitarbeiter.
Potsdam. Gedrückte Stimmung an der Potsdamer Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“: Nicht Erfolge sondern Missbrauchsvorwürfe an der „Eliteschule des Sports“ sorgen für Schlagzeilen. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt wegen sexueller Nötigung gegen zwei Elftklässler. Die 16-Jährigen sollen sich Ende September an zwei 13 und 14 Jahre alten Mitschülern vergangen haben. Ein Trainer und eine Mitarbeiterin des Schulwohnheims wurden suspendiert, weil sie den Vorfall nicht sofort meldeten. Die beiden mutmaßlichen Täter bekamen Hausverbot und sind zunächst vom Unterricht ausgeschlossen. „Eine Klassenkonferenz soll klären, wie es mit ihnen weitergeht“, sagte Stephan Breiding, Sprecher des Bildungsministeriums, am Mittwoch.
Ungeachtet der Ermittlungen steht für die beteiligten Institutionen fest: Es hat einen Übergriff während der Nachtruhe im Wohnheim gegeben. „Es gibt zwei Täter und zwei Opfer“, sagte Breiding. „Klar ist auch, dass die Kommunikationswege nicht so funktioniert haben, wie sie es sollten.“ Obwohl sich die mutmaßlichen Opfer Mitarbeitern anvertrauten, geschah nichts. Die Eltern der mutmaßlichen Opfer erstatteten schließlich Anzeige. Eine weitere kam von der Luftschiffhafen GmbH, die das Wohnheim der Sportschule für auswärtige Schüler betreibt und ein Tochterunternehmen des Unternehmensverbundes Pro Potsdam ist.
Nun bemühen sich Behörden und Schulträger um zügige Aufklärung - zumal der Ruf der Schule am Olympiastützpunkt auf dem Spiel steht. Erschwert wird dies durch verschiedene Trägerschaften von Schule und Wohnheim. „Wir wollen aber alle an einem Strang ziehen“, sagte Kirstin Gebauer von Pro Potsdam. Mehrere Stunden lang berieten darum die Beteiligten am Mittwoch das weitere Vorgehen.
Fazit: Noch am selben Tag sollte entschieden werden, ob die beiden 16-Jährigen an der Schule bleiben dürfen. Der Vorfall soll im Unterricht thematisiert werden. „Der Übergriff hat sich zwar im Wohnheim abgespielt, doch es handelt sich um die gleiche Klientel“, so Breiding.
Für mögliche weitere Opfer soll es zudem ein gemeinsames Angebot geben, es ist an eine Hotline gedacht. „Vor allem sollen aber auch die Opfer Hilfe erfahren“, so der Sprecher. Die Jugendlichen seien derzeit krankgeschrieben und würden von den Eltern betreut. „Wir gehen aber davon aus, dass sie wiederkommen.“
Der Geschäftsführer des Landessportbundes, Andreas Gerlach, zeigte sich besorgt. „Wir nehmen das sehr, sehr ernst und wollen das möglichst schnell klären.“ Darum sei inakzeptabel, dass der Vorfall nicht sofort gemeldet worden sei, nachdem sich die Betroffenen den Mitarbeitern anvertraut hätten. „Das ist eine Vertrauenssache. Da muss man schnell reagieren.“ Gerlach kündigte Gespräche mit allen Erziehern an. Zudem sei am Freitag eine Elternversammlung geplant.
„Es gibt mehrere Mitwisser“, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Es seien mehrere Mitarbeiter um eine Stellungnahme nach Bekanntwerden der Vorwürfe gebeten worden. „In Reaktion darauf wurde bislang eine Mitarbeiterin bis zur vollständigen Klärung des Vorfall vorläufig suspendiert.“ Weitere Details nannte er aus personalrechtlichen Gründen nicht.
Auch die Staatsanwaltschaft hält sich zurück. „Aufgrund des Alters der mutmaßlichen Geschädigten und der Beschuldigten ist dies zu deren Schutz geboten“, sagte Sprecher Ralf Roggenbuck. Anzeigen zu möglichen weiteren Übergriffen in dem Wohnheim liegen der Behörde nicht vor. Laut Medien soll es jedoch auch einen Fall von gewalttätigem Mobbing geben, bei dem ein Siebtklässler von älteren Mitschülern über längere Zeit drangsaliert wurde. „Wir gehen der Sache nun nach“, so Ministeriumssprecher Breiding.