Hamburg. Die Kiezkicker treten beim ungeliebten Konkurrenten RB Leipzig an, Trainer Blessin will rotieren. Wie das Oladapo Afolayan betrifft.
Alexander Blessin setzte ein Ausrufezeichen. „Wir sind keine Kirmestruppe!“, verteidigte der Trainer der FC St. Pauli die Flugreise zum DFB-Pokal-Zweitrundenspiel zu RB Leipzig an diesem Dienstag (18 Uhr/Sky). In einer englischen Woche, in der Regeneration über allem steht, kann es da eigentlich keine zwei Meinungen geben. Dafür gibt es keine weiteren Ausrufezeichen, sondern zwei Fragezeichen.
„Bei zwei Positionen bin ich noch am Überlegen“, sagte Blessin über eine mögliche Rotation. Konkret könne er sich die Wechsel im Sturm und im Mittelfeld vorstellen. Naheliegend wäre es, dass Robert Wagner für den erst vor Kurzem von einer Verletzung genesenen Carlo Boukhalfa kommt. In vorderster Front könnte auf Geschwindigkeit gesetzt werden, dann wäre Scott Banks ein Kandidat für Johannes Eggestein, während Morgan Guilavogui ins Sturmzentrum rückt. Oder aber Danel Sinani muss Rechtsaußen das Feld wieder für Oladapo Afolayan räumen.
Alexander Blessin und die zwei Fragezeichen vor dem DFB-Pokalspiel in Leipzig
Hinter dem Engländer liegen vergleichsweise turbulente Monate. Im Sommer, so hieß es, habe er sich aus diversen Gründen auch einen Abschied von St. Pauli vorstellen können. Nun war zu vernehmen, dass Überlegungen über einen Verbleib über die bisher vereinbarte Vertragsdauer hinaus angestellt werden. Nach Abendblatt-Informationen ist der Wahrheitsgehalt am jeweiligen Gemunkel allerdings überschaubar. So oder so: Für Afolayan ging es zuletzt auf und ab, und beim Sportlichen sind wir noch gar nicht angekommen.
Unter Blessin hatte der Rechtsaußen anfangs Schwierigkeiten, verlor seinen Stammplatz, was die Wechselgedanken zusätzlich befeuert haben soll. Das lag jedoch weniger am neuen Trainer, denn an ihm selbst. Zunächst war es vor allem die für Blessin so wichtige Arbeit gegen den Ball, in die der 27-Jährige zu wenig investiert hatte, unlängst störte sich der Übungsleiter an „einfachen Ballverlusten, fehlender Aggressivität und dass er nicht so klar mit dem Ball war“.
Oladapo Afolayan steigerte sich im Saisonverlauf
Entscheidend ist allerdings, was dazwischen passiert war. Blessin und Afolayan bauten in Gesprächen ein Vertrauensverhältnis auf. „Wir sind auf einer Wellenlänge, was ich von ihm erwarte“, sagt Blessin. Auch dadurch steigerte sich Afolayan massiv, kam am vierten Spieltag – ausgerechnet, die Erste – gegen RB Leipzig erstmals von Beginn an zum Einsatz und avancierte beim 0:0 – ausgerechnet, die Zweite – zum besten Feldspieler St. Paulis. Daher ist es gut vorstellbar, dass der Flügelstürmer wieder anstelle von Sinani anfängt. Andererseits hatte Blessin am Sonnabend betont: „Danel ist immer eine Option.“
Einen Pokaltorwart wird es in dieser Saison bis auf Weiteres nicht geben, Nikola Vasilj ist gesetzt. Zumal Ersatzkeeper Eric Oelschlägel erst vergangene Woche verpflichtet worden war und noch Zeit benötigt, um die Feinheiten der Spielsystematik zu verstehen. „Wäre Ben Voll fit, wäre es sicher zustande gekommen. Bei Eric ist es noch zu frisch, zumal Niko im Rhythmus und richtig gut drauf ist“, sagte Blessin.
RB Leipzig gab 35-mal so viel aus wie die Hamburger
Ganz anders sieht es in puncto Rotation bei Leipzig aus. Dort kündigte Trainer Marco Rose an, den Kader ordentlich durcheinanderzuwirbeln. Dies ist unter anderem notwendig durch die Verletzungen von Nationalspieler David Raum und Starakteur Xavi Simons (beide Sprunggelenks-OP), die beim 0:0 am Millerntor noch dabei waren. „Wir müssen dennoch bei 100 Prozent sein. Die haben trotzdem eine sehr gute Mannschaft. Wenn jemand ausfällt, dann springen andere in die Bresche“, sagte Blessin. Er bezeichnete seinen Ex-Club, bei dem er von 2012 bis 2020 als Jugendtrainer angestellt war, als „Maß aller Dinge“.
Maßgeblich liegt das neben der konzeptionell wirklich guten Arbeit wenig überraschend auch an den finanziellen Möglichkeiten der Sachsen. 62 Millionen Euro investierte der Champions-League-Teilnehmer diesen Sommer in seinen Kader – fast 35-mal so viel wie St. Pauli. Ungleicher kann ein Duell kaum sein.
Für St. Pauli geht es im DFB-Pokal um Millionen
Und während RB von den 837.813 Euro für den Einzug in die dritte Runde vermutlich nur die nächste Europapokalreise etwas luxuriöser gestalten kann, wären sie für den Kiezclub von großer Bedeutung. Einerseits, um die Vereinsfinanzen weiter zurück auf Kurs zu bekommen und strukturelle Weichenstellungen vorzunehmen, andererseits um einen eher geringeren Anteil der Prämie im Winter auf dem Transfermarkt einsetzen zu können.
In der vergangenen, sehr erfolgreichen DFB-Pokal-Saison nahmen die Braun-Weißen durch das Erreichen des Viertelfinales 3,234 Millionen Euro ein. Nun sind es durch die Teilnahme und das Überstehen der ersten Runde zumindest schon 629.000 Euro. In die Budgetierung vor der Saison fließen keinerlei mögliche Prämien aus dem Pokal hinein. Alles Geld, das hier verdient wird, gibt es also „obendrauf“.
Einzige Voraussetzung, damit die Kasse klingelt: St. Pauli muss beim haushohen Favoriten ein gewaltiges Ausrufezeichen setzen.
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RB Leipzig: Vandevoordt – Klostermann, Orban, Bitshiabu – Henrichs, Kampl, Haidara, Nusa – Baumgartner, Sesko – Poulsen.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Wagner, Treu – Afolayan, Eggestein, Guilavogui.