Hamburg. Der Aufsteiger wartet weiter auf das erste Heimtor der Bundesliga und ebenso auf das Öffnen des Transferfensters im Winter.

Oke Göttlich ist als progressiver Mensch bekannt. Einer, der seiner Zeit – trotz Uhrenumstellung – gern voraus sein möchte. So rechnete der Präsident des FC St. Pauli am Sonntag beim „Sport1-Doppelpass“ fröhlich vor: „Die mannschaftliche Geschlossenheit mit unserer Achse und den Führungsspielern funktioniert hervorragend – obwohl wir jetzt nur acht Punkte haben und einige mehr haben müssten.“ Experte Stefan Effenberg insistierte: „Da muss ich mal kurz einhaken: Haben Sie acht Punkte?“ Göttlich fiel das Versehen sofort auf, da sein Club erst fünf Zähler gesammelt hat. Er bat um Verzeihung und fügte an: „Ich hoffe, wir haben sie sehr bald.“

Einerseits: Wenn der FC St. Pauli weiter so stabil verteidigt wie beim 0:0 gegen den VfL Wolfsburg am Sonnabend, tritt dieser Fall ein. Andererseits: Wenn der FC St. Pauli weiter so impotent angreift, kann Effenberg seine Frage auch in einigen Wochen noch genau so stellen. Die Diskrepanz zwischen defensiver Verlässlichkeit und offensivem Unvermögen beim Aufsteiger wird immer drastischer. In sämtlichen vier Heimspielen blieb das Team von Trainer Alexander Blessin ohne Treffer. Das ist Bundesligarekord.

St. Paulis Torlosserie setzt sich gegen Wolfsburg fort

„Wir sind nah dran, der Ball muss irgendwie einmal über die Linie. Vergangene Saison habe ich vom Ketchupflaschen-Effekt gesprochen. Ich glaube, so wird es jetzt auch kommen“, sagte Innenverteidiger Hauke Wahl. Stürmer Johannes Eggestein gab seinen Senf zum Ketchup dazu, meinte: „In der Zweiten Liga hatten wir vergangene Saison anfangs auch eine Phase, in der wir ständig 0:0 gespielt haben. Dann hat man ein Spiel, in der man alles zerschießt und es plötzlich läuft.“ Auch Jackson Irvine, der selbst eine riesige Chance vergab, ist sicher: „Die Tore werden kommen.“

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Morgan Guilavogui (26) wartet auf seinen ersten Pflichtspieltreffer für St. Pauli. © Witters | Leonie Horky

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, sondern offenkundig auch eine Frage der Qualität. Zwar bekam St. Pauli von seinen 15 Torschüssen diesmal fünf tatsächlich aufs Tor, was über der vorherigen Quote von knapp 30 Prozent lag, wie Blessin positiv hervorhob. Doch kein Akteur scheint in der Lage, konstant platzierte Abschlüsse abzugeben. Zudem mangelt es an Tempo, was exemplarisch war, als Eggestein mit großem Vorsprung frei aufs Tor lief und noch abgefangen wurde, sowie Entschlossenheit.

Präsident Oke Göttlich: „So viel Geld haben wir nicht“

„Mitunter könnten wir den Ball klarer mitnehmen, in einem Fluss abschließen und nicht zu lange überlegen, den Ball perfekt vorzulegen, sondern den Schuss nehmen, wie er kommt“, sagte Blessin. Ansonsten lobte der 51-Jährige aber sowohl Eggestein als auch Morgan Guilavogui, „dessen Speed uns guttut“, und stellte klar: „Solange ich sehe, dass die Jungs täglich arbeiten, lege ich immer meine Hand schützend über sie.“

Die Verpflichtung eines Angreifers hat nach Abendblatt-Informationen im Wintertransferfenster dennoch Priorität. „Wir beschäftigen uns natürlich mit offensiven Spielern“, sagte Göttlich, „diejenigen, die tatsächlich einen Unterschied machen würden, bewegen sich in einer Größenordnung von fünf Millionen Euro. So viel haben wir nicht.“ Das liegt etwas unter der Summe, die der Verein internen Quellen zufolge bislang für den zu Brighton & Hove Albion abgewanderten Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler eingenommen haben soll.

Stürmersuche beim Kiezclub im Winter

Daher wird auch das Modell der Leihe von jüngeren Akteuren mit Potenzial geprüft. Die Hamburger schauen sich dabei international, wohl auch außerhalb Europas, um. Vergleichsweise günstige Stürmer, die im Optimalfall eine Soforthilfe darstellen, werden freilich ebenfalls unter die Lupe genommen. Ein Kandidat könnte dem Vernehmen nach Leonardo Rocha (27) sein. Der zwei Meter große Portugiese mit brasilianischer Zweitstaatsbürgerschaft hat in der polnischen Ekstraklasa in zwölf Partien bislang zehn Tore für Radomiak Radom erzielt – dem Club, von dem Maurides ans Millerntor gewechselt war.

2024.09.14 Gdansk Pilka nozna PKO BP Ekstraklasa sezon 2024/2025 Lechia Gdansk - Radomiak Radom N/z Leonardo Rocha Foto
Leonardo Rocha (27) führt derzeit die Torschützenliste der ersten polnischen Liga an. © Imago | Piotr Matusewicz

Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass St. Pauli gegen das offensivstarke Wolfsburg ein weiteres Mal sehr stabil verteidigte. „Unser oberstes Ziel ist, Tore zu verhindern. Darüber kann man die Liga halten“, sagte Göttlich.

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Das stimmte auch Blessin optimistisch. „Ich finde es bisher gar nicht so schlecht“, sagte er. Fünf Zähler habe seine Elf bereits liegen lassen, addierte er sich noch weiter in die Zukunft als Göttlich. In dieser sollte St. Pauli möglichst bald ankommen. Am besten weit vor der Uhrenumstellung im Frühjahr.