Hamburg. HSV-Talent ist der schnellste Spieler des Kaders. Das liegt in der Familie – seine Cousine träumt von Olympia.
Fabio und Vanessa Baldé sind es gewohnt, der Konkurrenz davonzulaufen. Als der 19 Jahre alte HSV-Youngster und seine zwei Jahre ältere Cousine am Mittwoch für einen Sprint im Volksparkstadion in ihre Startpositionen gehen, kommt es allerdings zu einer Premiere. Denn die beiden zusammen aufgewachsenen Cousins sind noch nie gegeneinander angetreten. Bis zu diesem Fototermin mit dem Abendblatt. Wer also ist schneller?
„Kennst du deine Zeit über 100 Meter?“, fragt Hürdenläuferin Vanessa den Flügelstürmer, der kurz überlegt: „Nein, aber im Spiel habe ich einmal 36,4 km/h erreicht.“
HSV-Youngster ist schneller als Jatta
Damit ist Baldé der schnellste Spieler des HSV-Kaders. „Dieses Tempo schafft nicht einmal Bakery Jatta“, hatte Julian Hübner, der frühere Co-Trainer unter Tim Walter, einmal in einem clubeigenen YouTube-Video gesagt. Anders als mit Vanessa ist der aus Wilhelmsburg stammende, aber aktuell in Bahrenfeld lebende Baldé im Training schon häufiger gegen Jatta zum Sprintduell angetreten – mit unterschiedlichem Ausgang.
Die Frage, ob er seiner Cousine weglaufen kann, bleibt indes unbeantwortet – beide ziehen nicht voll durch. Entscheidung vertagt. Dabei ist es schon eine kuriose Parallele, dass nicht nur das Nachwuchstalent vom HSV, sondern seine ganze Familie über eine auffällige Schnelligkeit verfügen. Vanessa läuft die 100 Meter Hürden in 13,2 Sekunden und liegt damit nur rund vier Zehntel hinter den besten Deutschen.
Seit Kurzem sprintet sie auch über die Strecke von 400 Metern. Eine Distanz, auf der sie in diesem Jahr ihren bislang größten Erfolg erreicht hat, als sie deutsche U23-Meisterin wurde. Bei der regulären Deutschen Meisterschaft vor einem Jahr wurde sie Sechste über 200 Meter. In dieser Disziplin qualifizierte sie sich 2022 für das Halbfinale der U20-WM in Kolumbien.
Das HSV-Geheimnis, warum Fabio und Vanessa Baldé so schnell sind
Vanessa und Fabio verbindet nicht nur ihre Geschwindigkeit. Ihr Vater ist der Bruder seiner Mutter, in ihrer Kindheit wuchsen sie zusammen auf. Eine für Cousins durchaus ungewöhnliche Konstellation, die der HSV-Youngster mit dem für Spiele attraktiveren Garten von Vanessas Eltern in Billstedt erklärt. „Als Kind war ich gefühlt jeden Tag bei ihrer Familie zu Hause und habe auch dort geschlafen. Bei mir zu Hause war es manchmal eher langweilig, weshalb es mich zu meinem Cousin Samba und Vanessa zog.“
Samba Baldé (19), der Bruder von Vanessa, hat auch eine Verbindung zum HSV. Nach einigen Jahren in der Hamburger Jugend war er zuletzt für die U19 des Chemnitzer FC aktiv. Und auch er ist natürlich pfeilschnell. Genauso wie Fabios 17 Jahre alter Bruder, der beim Eimsbütteler TV spielt.
Zur Familie zählen die Baldés auch Saido Baldé (16), der gerade erst von der U19 des HSV zum VfL Wolfsburg gewechselt ist. Fabio und Vanessa nennen ihn zwar ihren Cousin. Tatsächlich weiß aber niemand, ob sie wirklich verwandt sind. Die Tendenz spricht eher dagegen, aber weil die Familien so gut miteinander befreundet sind, stellte sich diese Frage nie. Und natürlich läuft auch Saido allen davon.
Welche Emotionen Vanessa bei Baldés HSV-Debüt spürte
„In unserer Familie verfügen alle über ordentlich Tempo: Mein Vater Djulde spielte früher unterklassig in Portugal, dort zählte er zu den Schnellsten“, erklärt Baldé die Ursache seiner Tempovorteile, die er im Nachwuchs auch gegen Ältere ausspielte. „Es liegt in der Familie“, ergänzt Vanessa, die ihre guten Gene auf ihre Mutter zurückführt, die als Hobby viel gelaufen ist.
Während andere aus Baldés Umfeld anfangs versucht hatten, ihn von einer Karriere als Leichtathlet zu überzeugen, wusste die HSV-Sprinterin Vanessa, dass ihr Cousin nur eines möchte: Fußballprofi werden. „Mir war immer klar, dass er es packen kann, weil er dieses Ziel enorm ehrgeizig verfolgt.“
Am Freitag vor einer Woche war es schließlich so weit. Baldé wurde in der 65. Minute beim Zweitligastart des HSV in Köln (2:1) eingewechselt, es war sein Profidebüt. Dieser Moment habe sie „mit Stolz erfüllt“, sagt Vanessa, die das Spiel per Livestream auf dem Handy mit einer Freundin im Park verfolgte.
„Ich hatte Gänsehaut. Manchmal denke ich darüber nach, was er bereits erreicht hat. Es ist einfach unglaublich.“ Nach dem Spiel schrieb ihm Vanessa eine Nachricht, womit sie eine von 600 war, wie Baldé erzählt. Die meisten erhielt er von HSV-Fans über Instagram. „Die Liebe der Fans zu spüren hat mich sehr glücklich gemacht“, zeigt sich der Linksaußen gerührt.
HSV-Traum von Baldé – Vanessa will zu Olympia
Baldé, der zuvor nur einen Jugendvertrag besaß, verfügt seit Juli über einen Fördervertrag bis 2026, der sich nach Abendblatt-Informationen nach drei Einsätzen in einen Profivertrag umwandelt. Nach dem Debüt in Köln fehlen ihm also nur noch zwei Spiele bei den Profis. Darüber hinaus befindet sich der HSV in guten Gesprächen mit Baldés Berater, die Laufzeit zu erhöhen. Konkret werden die Verhandlungen allerdings erst nach Ende der Transferperiode am 30. August.
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Um diesen Zeitpunkt wird Vanessa bereits zurück in die USA reisen, wo sie seit zwei Jahren dank eines Vollstipendiums an der University of Louisiana Sport und Englisch auf Lehramt studiert. Nach dem Abschluss möchte sie als Lehrerin arbeiten, doch auch sportlich verfolgt die Leichtathletin ambitionierte Ziele: „Mein Ziel sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles“, sagt die 21-Jährige, die am Dienstag für einen Tag nach Paris gefahren war, um den Hürdenläufer Manuel Mordi (HSV) anzufeuern. „Die Stimmung war überwältigend. Ich habe zwischenzeitlich daran gedacht, wie es wäre, wenn ich selbst bei Olympia antreten würde.“
Die sprintstarken Baldés befinden sich also weiter auf der Überholspur. Ihr gemeinsames Vierjahresziel: Fabio spielt mit dem HSV in der Bundesliga, und Vanessa nimmt an Olympia teil. „Das würde ich sofort unterschreiben“, sagt das HSV-Talent. Und Vanessa springt ihm bei: „Ich glaube zu 100 Prozent an diesen Traum.“