Lausanne. Wegen Dopings gesperrter HSV-Profi kämpft vor dem Cas in Lausanne um seine Unschuld. Sein wichtigster Mann wurde aus Kanada eingeflogen.

  • HSV-Profi Mario Vuskovic (22) ist seit Ende 2022 wegen Dopings gesperrt
  • Am 14. und 15. Mai 2024 kämpft er vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas erneut um seine Unschuld
  • Wer Vuskovic bei diesem Vorhaben in Lausanne (Schweiz) alles rechtlich und moralisch unterstützt

Mario Vuskovic wirkte angespannt, als er um 16.02 Uhr das Palais de Beaulieu in Lausanne verließ, wo der Internationale Sportgerichtshof (Cas) seit zwei Jahren seinen Sitz hat. Zuvor wurde knapp sieben Stunden lang am ersten von zwei Prozesstagen über seinen Dopingfall verhandelt. Dabei soll es teilweise recht emotional unter den streitenden Wissenschaftlern hergegangen sein.

HSV-Profi Vuskovic sagte gleich zu Beginn der Sitzung mit stockender Stimme aus und beteuerte erneut seine Unschuld. Es soll ihm emotional nicht leicht gefallen sein, als er seine persönliche Geschichte erzählte, wie er von klein auf das Fußballspielen erlernte, Profi wurde und schließlich eine Welt für ihn zusammenbrach, als er im November 2022 von seinem positiven Epo-Test erfuhr.

Mentale Unterstützung erhielt der kroatische Abwehrspieler von seiner Mutter Sanja, an deren Seite er um 8.35 Uhr das historische Gebäude betrat, wo über nicht weniger als die Fortsetzung seiner Karriere entschieden wird. Begleitet wurde Vuskovic zudem von zwei seiner drei Anwälte, Paul Greene (USA) und Tomislav Kasalo (Kroatien).

Mario Vuskovic: HSV-Vorstand Boldt beim Cas

Kurz zuvor marschierte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt gemeinsam mit Club-Justiziar Philipp Winter, Vuskovics Berater Damir Smoljan und Anwalt Joachim Rain zum Cas. Als Erstes fuhr die Delegation der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) und der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) vor, die verdeutlichte, dass auch für beide Organisationen reichlich auf dem Spiel steht.

Mit der Besetzung um Nada-Vorstandschef Lars Mortsiefer, Kreischas Laborchef Sven Voss, Epo-Experte Jean-Francois Naud aus Québec (Kanada) sowie die Vorsitzende der achtköpfigen Epo-Expertengruppe der Wada, Yvette Dehnes aus Norwegen, setzten die Antidoping-Kämpfer auf die maximale Prominenz aus den eigenen Reihen. Und das nicht ohne Grund, denn eine Prozessniederlage könnte das gesamte Epo-Analyseverfahren auf den Prüfstand stellen.

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Warum Vuskovic Richter Benz auswählte

Als letzte Protagonisten trafen die drei Richter um den dänischen Vorsitzenden Lars Hilliger ein. Beim Cas ist es üblich, dass sich jede Partei einen Richter aus einem Pool von 300 Kandidaten aussuchen darf. Vuskovics Lager entschied sich für Jeffrey Benz aus London, die Gegenseite der Wada wählte Luigi Fumagalli aus Italien.

Benz gilt als einer der Richter, bei denen wegen Dopings gesperrte Athleten die größte Aussicht auf Erfolg in ihrem Berufungsverfahren vor dem Cas haben. So reduzierte der Engländer unter anderem 2014 die zweijährige Dopingsperre der deutschen Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle auf sechs Monate.

Vuskovics wichtigster Gutachter sagte aus

Bereits vier Minuten vor Vuskovic wurde mit David Chen der wichtigste Gutachter des 22-Jährigen mit dem Taxi vorgefahren. Der Proteinchemiker von der University of British Columbia in Vancouver ist extra aus Kanada eingeflogen worden, um persönlich vor dem Cas auszusagen. Chen ist davon überzeugt, dass es sich bei Vuskovics Epo-Test um ein falsch-positives Ergebnis handelt.

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Bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt soll der Kanadier seine Forschungserkenntnisse tiefgründig und dezidiert vorgetragen haben. Die Epo-Experten der Wada sollen allerdings kaum auf ein Detail eingegangen sein und stattdessen immer wieder darauf gepocht haben, dass ausdrücklich ihre hausinternen Labore über das nötige Wissen verfügen.

Infolgedessen sollen die Antidoping-Kämpfer weder Chen noch Vuskovics zweiten anwesenden Gutachter, Paul Scott (USA), fachlich ernst genommen haben. Stattdessen sollen die Vertreter der Wada und Nada versucht haben, Chen als eine Art zerstreuten Professor darzustellen.

Vuskovic-Urteil wird Wochen dauern

Neben Vuskovic sind auch die Nada, die Wada sowie der DFB-Kontrollausschuss in Berufung gegen die vom Regelwerk abweichende Zweijahressperre des DFB-Sportgerichts aus dem März 2023 gegangen.

Der Cas wird diese Sperre nun entweder aufheben, wodurch Vuskovic umgehend spielberechtigt für den HSV wäre, oder rückwirkend auf die bei Dopingvergehen vorgesehenen vier Jahre bis November 2026 verlängern. Mit einem Urteil ist allerdings frühestens in einigen Wochen nach der Verhandlung in Lausanne zu rechnen.

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Besondere Rolle von zwei Wada-Experten

Beide Verhandlungstage am Genfersee sind nicht öffentlich, auch Medienvertreter sind ausgeschlossen. Neben Vuskovic und Chen sagten auch Voss, dessen Labor in Kreischa (Sachsen) Vuskovics A- und B-Probe analysierte, und Naud von der Wada aus. Die Befragung fand parallel an einem U-förmigen Tisch statt, um einen wissenschaftlichen Diskurs zu fördern. Die drei Richter sollen dabei durch eine faire Moderation aufgefallen sein, jedem Experten wurde Gehör geschenkt.

Naud war nach zwei Verhandlungstagen vor dem Frankfurter Sportgericht von DFB-Richter Stephan Oberholz ausgewählt worden, um ein neues Gutachten zu erstellen sowie die restliche Urinmenge der Dopingprobe erneut auf Epo zu testen.

Letzteres fand allerdings nie statt, weil die Wada ihr Veto gegen den richterlichen Beschluss eingelegt hatte. Und das, obwohl Naud in einem Vorgespräch mit Oberholz einer erneuten Analyse bereits zugestimmt hatte. Am Ende stützte Naud das Laborergebnis von Kreischa, ohne dabei auf alle Fragen von Vuskovics Anwälten einzugehen. Nach Ansicht der Verteidigung ist das Gutachten daher unvollständig. In Lausanne soll der Kanadier allerdings keine Ambitionen gezeigt haben, für mehr Klarheit zu sorgen.

Zwei Dopingfällen bereiten Vuskovic Hoffnung

Bei Epo gibt es keine Grenzwerte, stattdessen werden Bilder verglichen, nach denen die Laboranten entscheiden, ob es sich um einen positiven Test handelt oder nicht. Die Anfälligkeit dieses umstrittenen Sar-Page-Verfahrens anzufechten, ist daher einer der Schwerpunkte in der Verteidigungsstrategie von Vuskovics Anwälten, die sich zudem auf die Fälle von Peter Bol und Wojtek Sommer berufen.

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Die Dopingsperre des australischen Mittelstreckenläufers Bol, der im Oktober 2022 zunächst positiv auf Epo getestet worden war, wurde nach einer „atypischen“ B-Probe aufgehoben. Wie Vuskovic wurde auch der Olympiavierte von Anwalt Greene vertreten sowie von Gutachter Chen unterstützt.

Der tschechische Triathlet Sommer war 2016 falsch-positiv auf Epo getestet worden. Als seine Unschuld erwiesen war, wurde seine Sperre unter Vereinbarung einer Verschwiegenheitsklausel mit der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) aufgehoben. Das verantwortliche Labor für diesen Fehler liegt in Kreischa, also dort, wo auch Vuskovics Dopingproben analysiert wurden.

Mario Vuskovic: Wie entscheidet der Cas?

Die Verteidigung sieht bei beiden Sportlern ausreichend Parallelen, um von Präzedenzfällen zu sprechen. Die Nada und Wada pochen hingegen darauf, dass jeder Epo-Fall individuell und nicht vergleichbar sei. Nun liegt es am Cas zu entscheiden, wer in Lausanne die überzeugenderen Argumente präsentieren kann.

Am Mittwoch geht es weiter mit der Befragung von HSV-Mannschaftsarzt Wolfgang Schillings und dem englischen Wissenschaftler Keith Ashcroft, der die beiden von Vuskovic bestandenen Lügendetektortests durchführte. Vuskovics Anspannung wird sich aber wohl erst bei einem finalen Urteil lösen.

Die Chronologie im Dopingfall Vuskovic

  • 16. September 2022: Vuskovic gibt bei einer Trainingskontrolle eine Urinprobe ab, die auf Epo getestet wird.
  • 10. November 2022: Die Wasserschutzpolizei und die Staatsanwaltschaft durchsuchen Vuskovics Spind und seine Wohnung. Mehrere elektronische Geräte (u.a. Handy und Laptop) sowie Kleidung werden beschlagnahmt, belastbare Beweise werden dabei nicht gefunden.
  • 3. Februar 2022: Erste von drei Verhandlungen vor dem DFB-Sportgericht: Der Dopingkontrolleur lagerte die Urinprobe drei Tage in seinem privaten Kühlschrank. Zudem lieferte der DHL-Kurier die Probe erst weitere 24 Stunden später beim Labor in Kreischa ab.
  • 17. März 2023: Vuskovic weint vor Gericht. Die Wada verhindert eine vom Sportgericht beschlossene C-Probe.
  • 30. März: Der DFB weicht vom Regelwerk ab und sperrt Vuskovic zwei (statt vier) Jahre.