Hamburg. Als Nummer fünf im Norden muss der HSV aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren: Vorstandsentscheidung muss sitzen! Ein Kommentar.
Wer behauptet, dass der HSV und der FC St. Pauli keine Gemeinsamkeiten haben, der wurde in der Nacht zum Montag eines Besseren belehrt. Bis in die frühen Morgenstunden feierten St. Paulis Profis überschwänglich ihren Bundesliga-Aufstieg im angesagten Noho Club auf dem Kiez – also genau da, wo eine Woche zuvor die HSV-Profis ihren Derbysieg besungen und betanzten.
Viel mehr zum Feiern gab es für den HSV in dieser Spielzeit nicht. Der Club hat gerade die schlechteste Zweitligasaison seiner immerhin schon sechsjährigen Zeit im Unterhaus gespielt – und garnierte das am Freitag in Paderborn mit einer der schlechtesten Leistungen in dieser Saison. Und wenn all das für die geschundene HSV-Seele nicht schon schlimm genug wäre, setzten Holstein Kiel und der FC St. Pauli an diesem Wochenende der HSV-Trauer noch einen drauf und feierten ihre Aufstiege. In den Stadien, auf den Straßen – und die Kiezkicker dann eben auch im Noho Club.
HSV ist zwar der größte Club, aber im Norden nur noch die Nummer fünf
Nun kann man natürlich als Hanseat über den Dingen stehen. Man kann die Verantwortlichen von St. Pauli und aus Kiel offiziell beglückwünschen – und inoffiziell sich darüber freuen, immer noch größer, toller und bedeutender zu sein. 110.000 Mitglieder, immer 57.000 Zuschauer im Stadion, große Partner – all das schafft: nur der HSV.
Doch genau an dieser Stelle wird es heikel. Denn wer hätte vor fünf Jahren in Berlin ernsthaft davon zu träumen gewagt, dass eines Tages Union die Hertha überflügelt? Mittlerweile haben die Eisernen trotz Bundesliga-Abstiegskampf in dieser Saison mehr Mitglieder als die neue, graue Zweitligamaus Hertha.
Besonders junge Fans haben genügend Alternativen zum HSV
So schnell kann es gehen. Und tatsächlich ist der einst so stolze HSV, der sich Jahr für Jahr mit Werder Bremen um den inoffiziellen Titel „Die Nummer eins im Norden“ duellierte, nur noch die Nummer fünf in dieser Kategorie. Während Kiel auch im Kern-HSV-Land Schleswig-Holstein für junge Fans eine Option werden könnte, ist der FC St. Pauli mitten in Hamburg für viele junge Anhänger längst mehr als nur „ein Stadtteilclub“.
Immerhin: Aus der zweiten Reihe beim HSV hat man diese Gefahr längst erkannt – und stemmt sich dagegen. In der Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen, die den HSV nur als chronisch erfolglosen Loserclub kennen, sind die Hamburger erstaunlicherweise immer noch sehr beliebt. 5570 Mitglieder sind bei den sogenannten Young Ones dabei, also bei den seit kurzen organisierten Nachwuchs-Fans.
Doch nur wenn der HSV irgendwann auch mal anfängt, im Kerngeschäft Sport zu performen, drohen keine zukünftigen Fanabgänge in Richtung der Nordrivalen. Kiel und St. Pauli haben es dem chronisch immer nervösen und sich intern bekämpfenden Club vorgemacht, wie man mit ruhiger und nachhaltiger Personalpolitik Erfolg haben kann.
Und nur ein kleiner Nebensatz: Dass der mitgliedergeführte FC St. Pauli nun die Bundesliga entert, ist ein weiterer Beweis dafür, dass es nicht auf die Rechtsform, sondern auf die handelnden Personen ankommt.
HSV: Aufsichtsrat muss über Boldt entscheiden
An dieser Stelle sind wir bei Jonas Boldt. Der Sportvorstand ist seit fünf Jahren im Amt – und in diesen Tagen entscheidet der Aufsichtsrat, ob er auch noch länger bleiben darf. Aktuell hat man den Eindruck, dass dies nur aus einem Grund ein denkbares Szenario ist: Weil alle anderen Kandidaten keine Lust mehr auf diesen HSV haben.
Der Aufsichtsrat muss jetzt schnell eine wohlüberlegte Grundsatzentscheidung fällen. Ist Boldt der Richtige? Oder ist er es nicht? Nur mit einer überzeugenden Antwort kann der HSV dann auch irgendwann mal einen Aufstieg feiern. Gerne auch im Noho Club.