Lausanne. Verhandlung nach emotionalen Plädoyers des Vuskovic-Lagers beendet. Wie es jetzt weitergeht und wann mit einem Urteil zu rechnen ist.
Mario Vuskovic verließ den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) am Mittwoch um 15.24 Uhr mit betretener Miene. Nach einer an beiden Prozesstagen insgesamt 13 Stunden andauernden Verhandlung wirkte der Tross um den HSV-Profi ratlos über das Verhalten der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) und der Welt-Antidoping-Agentur (Wada), die keinen Millimeter von ihrer Sichtweise abwichen.
Vuskovic habe mit Epo betrogen und gehöre für vier Jahre gesperrt, davon sind die Antidopingkämpfer überzeugt.
Mario Vuskovic: HSV rechnet mit Urteil vor Saisonstart
Die Experten und Anwälte beider Organisationen sollen in Lausanne jeden Widersacher vom Lager Vuskovics teilweise diskreditiert und das Fachwissen seiner internationalen Gutachter angezweifelt haben. Dennoch bleibt der HSV bezüglich des Prozessausgangs optimistisch und hofft weiterhin auf einen Freispruch seines momentan bis November gesperrten Abwehrspielers.
„Wir können davon ausgehen, dass es eine Entscheidung vor Saisonstart geben wird“, sagte Boldt, der damit den Zeitraum bis Anfang August eingrenzt. Dieses Interesse bestehe von allen Seiten, also auch vom DFB, der seine vom Regelwerk abweichende Zweijahressperre mit dem Verweis auf die Verhältnismäßigkeit verteidigt. Eine zweifellos humaner Ansatz, für den allerdings die rechtliche Grundlage fehlt.
Vuskovic-Gutachter sehen Verfahrensfehler
Nach seinem emotionalen Eingangsstatement vom Dienstag sagte Vuskovic am Mittwoch nicht noch einmal aus. Nach den Befragungen von Keith Ashcroft, der die beiden von Vuskovic bestandenen Lügendetektortests durchführte, sowie HSV-Mannschaftsarzt Wolfgang Schillings, der über unauffällige Blutwerte berichtete, wodurch ein systematisches Doping auszuschließen ist, standen stattdessen die möglicherweise entscheidenden Schlussplädoyers auf dem Programm.
Für Vuskovic ergriff US-Anwalt Paul Greene das Wort. Bei der Möglichkeit, im Nachgang auf die Plädoyers der Gegenseite einzugehen, wurde er vom Kroaten Tomislav Kasalo unterstützt. In ihren mit viel Herz vorgetragenen Reden bezogen sich die Juristen speziell auf die Argumentation der beiden eingeflogenen Gutachter David Chen (Kanada) und Paul Scott (USA), die sich auf den Vorwurf der überladenen Banden durch eine überhöhte Urinmenge fokussierten.
Zur Erinnerung: Bei Epo gibt es keine Grenzwerte. Stattdessen wird Urin (Protein) auf einen mit Gel befüllten Teststreifen (Banden) aufgetragen, wodurch das Bild eines schwarzen Rechtecks (legales körpereigenes Epo) entsteht, das eine Art Schattierung abwirft. Je größer diese ausfällt, desto wahrscheinlicher ist der Dopingbetrug. Das Urteil fällen die Experten der Wada mit ihrem bloßen Auge.
Sorgte hartes HSV-Training für falsch-positiven Dopingbefund?
Bei diesem sogenannten Sar-Page-Verfahren wurden laut Vuskovics Lager erhebliche Verfahrensfehler begangen. Nach Chens Ansicht hätten verschiedene Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dem entgegenzuwirken, dass die Probe als falsch-positiv interpretiert werden kann. So hätte die Probe beispielsweise verdünnt werden können, um den Proteingehalt zu senken und eine Überladung der Banden zu verhindern.
Es ist das Kernargument der Verteidigung, die von der Wada allerdings fachlich nicht ernst genommen worden sein soll. Die Organisation beharrt darauf, dass ausschließlich die hausinternen Labore über das nötige Fachwissen verfügen.
- Geht es noch um Argumente? Das Drama um Vuskovics Prozess
- Ergreifender Auftritt: Vuskovic schildert seinen Albtraum
- HSV-Fans werden von der Polizei jetzt per Drohne überwacht
Chen und Scott betonten dagegen, dass Vuskovics Urinprobe am 16. September 2022 unmittelbar nach einer harten Trainingseinheit, also einer extremen körperlichen Belastung entnommen wurde, wodurch die Proteinverdichtung zunahm. Ein wissenschaftlich erwiesener Vorgang, der das Risiko von falsch-positiven Testergebnissen erhöht. Die Wada ist allerdings davon überzeugt, bei der Analyse der Dopingprobe keine Fehler begangen zu haben.
Mario Vuskovic: Keine Spuren, kein Doping?
Vuskovics Anwälte argumentierten zudem, dass es für eine Person mit einem Bekanntheitsgrad des HSV-Profis nahezu unmöglich sei, Epo gespritzt zu bekommen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Und diese Spuren gibt es nicht, das stellte bereits die ermittelnde Hamburger Staatsanwaltschaft mit der Rückgabe aller Datenträger fest.
Für Vuskovic bleibt nun nur noch die Hoffnung, dass seine Anwälte und Gutachter die drei Cas-Richter inhaltlich mehr überzeugen konnten als die Wada. Der Innenverteidiger fliegt am Donnerstag zurück in seine kroatische Heimatstadt Split. Auf ein Urteil muss er noch einige Wochen warten.
Die Chronologie im Dopingfall Vuskovic
- 16. September 2022: Vuskovic gibt bei einer Trainingskontrolle eine Urinprobe ab, die auf Epo getestet wird.
- 10. November 2022: Die Wasserschutzpolizei und die Staatsanwaltschaft durchsuchen Vuskovics Spind und seine Wohnung. Mehrere elektronische Geräte (u.a. Handy und Laptop) sowie Kleidung werden beschlagnahmt, belastbare Beweise werden dabei nicht gefunden.
- 3. Februar 2022: Erste von drei Verhandlungen vor dem DFB-Sportgericht: Der Dopingkontrolleur lagerte die Urinprobe drei Tage in seinem privaten Kühlschrank. Zudem lieferte der DHL-Kurier die Probe erst weitere 24 Stunden später beim Labor in Kreischa ab.
- 17. März 2023: Vuskovic weint vor Gericht. Die Wada verhindert eine vom Sportgericht beschlossene C-Probe.
- 30. März: Der DFB weicht vom Regelwerk ab und sperrt Vuskovic zwei (statt vier) Jahre.