Hamburg. In der kommenden Woche trifft sich der Aufsichtsrat zur Saisonanalyse. Dann geht es um den Sportvorstand. Alle Hintergründe.
Am späten Montagabend geht es für Jonas Boldt in die Schweiz. Der Sportvorstand des HSV reist nach Lausanne, wo am Dienstag und Mittwoch der Dopingfall Mario Vuskovic vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) verhandelt wird. Der Kroate, der seit November 2022 wegen einer positiven Epo-Probe gesperrt ist, kämpft dort um seine Unschuld. Und wird dabei wie schon vor dem DFB-Sportgericht von Boldt unterstützt.
Für Boldt könnte es möglicherweise die letzte Dienstreise als Funktionär des HSV sein. Am Freitagabend hatten die Hamburger mit 0:1 beim SC Paderborn verloren. Die Niederlage war gleichbedeutend mit dem sechsten verpassten Aufstieg in Folge. Ob sie gleichzeitig das Aus für Boldt bedeutet, entscheidet sich noch in dieser Woche. Der 42-Jährige hat seinen fünften Nichtaufstieg zu verantworten. Und wird sich Ende der Woche vor dem Aufsichtsrat erklären müssen.
Aufsichtsratssitzung in der kommenden Woche
Nach Abendblatt-Informationen hat das Kontrollgremium seine Saisonanalyse nach der vorzeitigen Gewissheit über die künftige Ligazugehörigkeit vorgezogen. Noch vor dem letzten Spiel der Saison gegen den 1. FC Nürnberg am kommenden Sonntag müssen die Vorstände um Boldt und Finanzchef Eric Huwer bei einer Aufsichtsratssitzung ihre Saisonanalyse und gleichzeitig ihre Ideen für die kommende Spielzeit vortragen. Anschließend wird das Kontrollgremium über die Zukunft von Boldt entscheiden und diese Entscheidung auch kommunizieren.
Ob Boldt, der noch bis 2025 beim HSV unter Vertrag steht, vorzeitig von seiner Aufgabe entbunden wird, ist noch offen. Vieles wird auch davon abhängen, ob der Aufsichtsrat bis dahin eine geeignete Nachfolgelösung findet. Gespräche hat es in den vergangenen Wochen bereits mehrere gegeben. Auf Initiative von Investor Klaus-Michael Kühne (86) und Unternehmer Eugen Block (83) traf sich der Aufsichtsrat zum einen mit Felix Magath. Der frühere Spieler, Trainer und Manager des HSV konnte den Personalausschuss um Aufsichtsratschef Michael Papenfuß, Stellvertreter Markus Frömming sowie Block-Manager Stephan von Bülow mit seinem Konzept aber nicht überzeugen.
So lief das wirklich mit Magath und dem HSV
Nachdem der Aufsichtsrat Magath eine Absage erteilt hatte, ließ dieser via „Bild“ seinen Plan für ein Vorstandsamt beim HSV öffentlich verlautbaren. Dieser beinhaltete demnach, den früheren spanischen Weltstar Raul, aktuell Trainer bei Real Madrid II, als neuen Chefcoach zu installieren. Von dieser Idee war im ersten Gespräch zwischen Magath und dem Aufsichtsrat allerdings keine Rede. Boldt-Nachfolger wird Magath jedenfalls nicht.
Gleiches gilt für Jörg Schmadtke, mit dem sich der Aufsichtsrat des HSV ebenfalls getroffen hat. Der 60-Jährige, der zuletzt als eine Art Übergangsmanager beim FC Liverpool an der Seite von Jürgen Klopp gearbeitet hat, steht als Nachfolger von Boldt aber nicht zur Verfügung. Boldt selbst hätte sich offenbar auch auf eine Konstellation zusammen mit Schmadtke eingelassen. Die beiden kennen sich seit Jahren und pflegen ein gutes Verhältnis. Das hätte allerdings bedeutet, dass Boldt die Position des Vorstandsvorsitzenden übernommen hätte – und Schmadtke als Sportvorstand dazugekommen wäre.
Boldt wird nicht Vorstandsvorsitzender
Diese Lösung kommt für den Aufsichtsrat aber nicht infrage. Nach Abendblatt-Informationen schließt das Gremium eine Konstellation mit Boldt als Vorstandsvorsitzenden aus. Dabei hat der aktuelle Sportvorstand bereits in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben übernommen, die eigentlich in den Tätigkeitsbereich eines CEO gehören. Zwischenzeitlich war Boldt nach der Entlassung von Interimsvorstand Thomas Wüstefeld mal als Alleinvorstand tätig.
Im Zuge des Machtkampfs mit dem umstrittenen Wüstefeld hatte Boldt schon vor zwei Jahren den Plan gehabt, die Führung im Vorstand zu übernehmen und mit Sascha Lense einen Technischen Direktor zu verpflichten, der die Verantwortung im Sport übernommen hätte. Dieser Plan wurde allerdings vom Aufsichtsrat abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt hieß der Aufsichtsratsvorsitzende aber auch noch Marcell Jansen. Der Präsident stand auf der Seite von Wüstefeld, am Ende setzte sich Boldt durch.
Verantwortlich dafür, dass Wüstefeld überhaupt in das operative Geschäft entsendet wurde, hatte nicht nur Jansen, sondern der gesamte Aufsichtsrat. Es war daher nicht verwunderlich, dass das Gremium Boldt am Ende dieses monatelangen Theaters das Vertrauen aussprach und mit Huwer einen Vertrauten von Boldt zum zweiten Vorstand machte. Nachdem die beiden zusammen zwar für gute Zahlen sorgten, den Aufstieg aber ebenfalls nicht schafften, wird sich die Vorstandskonstellation nun aller Voraussicht nach verändern.
Kommt ein dritter Vorstand zum HSV?
Möglich sind zwei Szenarien: Sollte sich der Aufsichtsrat dazu entscheiden, mit Boldt als Sportvorstand weiterzumachen, würde er wohl einen dritten Vorstand installieren, der sich vor allem um das Thema Marketing kümmert. Offen wäre dann allerdings, ob Boldt sich mit so einer Lösung anfreunden könnte. Die zweite Variante wäre die Ablösung von Boldt durch einen neuen Sportvorstand.
Sollte sich der Aufsichtsrat für das zweite Szenario entscheiden, hätte das erhebliche Auswirkungen auf der Geschäftsstelle des HSV. Dort genießt Boldt nach wie vor hohes Ansehen. Offen wäre zudem, wie es mit Horst Hrubesch weitergeht. Der Nachwuchsdirektor hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass seine Tätigkeit beim HSV vor allem an den Verbleib von Boldt geknüpft sei.
Costas Vertrag läuft länger als der von Boldt
Keine direkten Auswirkungen hätte ein Aus von Boldt für Sportdirektor Claus Costa. Der Kadermanager steht über das Jahr 2025 hinaus beim HSV unter Vertrag und plant aktuell bereits die neue Saison. Costa führt viele Gespräche mit Beratern, unter anderem mit denen der Leihgaben Dennis Hadzikadunic und Lukasz Poreba. Mit beiden Spielern kann sich der HSV eine weitere Zukunft vorstellen. Gleiches gilt für den von RB Salzburg ausgeliehenen Ignace Van der Brempt.
Zudem läuft der Vertrag von Verteidiger Stephan Ambrosius aus. Wie es mit dem Wilhelmsburger weitergeht, ist noch offen. Ebenfalls offen ist die Zukunft der Leistungsträger Robert Glatzel, Ludovit Reis und Laszlo Benes, die den HSV im Sommer alle per Ausstiegsklausel verlassen könnten. Ein Abgang von Benes, der mit der Slowakei die EM spielt, ist am wahrscheinlichsten.
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Zunächst aber geht es in der kommenden Woche um die Zukunft von Boldt. Anschließend sollte dann auch schnell entschieden werden, ob und wie es mit Steffen Baumgart weitergeht. Der Trainer selbst hat seine Bereitschaft für einen Neustart unmittelbar nach der Niederlage in Paderborn bereits erklärt. „Ich möchte gerne mit diesem Verein nach oben. Ich möchte es ganz klar angreifen“, sagte Baumgart und deutete an, dass er sich für die kommende Saison neue Spieler mit einer anderen Mentalität wünscht. „Was brauchen wir an diesem Standort, um aufzusteigen? Braucht es die besten Spieler, oder braucht es Jungs, die vielleicht andere Qualitäten haben? Da reden wir klar drüber“, sagte Baumgart.
Klar sind seit diesem Wochenende aber vor allem zwei Dinge: Der HSV wird auch in der kommenden Saison in der Zweiten Liga spielen. Und trägt ab sofort den Titel des Zweitliga-Dinos. Wer hätte das nach dem Abstieg am 12. Mai 2018 gedacht?