Hamburg. Aus für Zwei-Milliarden-Deal, keine Abtretung der TV-Gelder. Und nun? DFL droht bereits mit dem Ende der Zentralvermarktung.

Als Hans-Joachim Watzke am Mittwoch nach einer knapp vierstündigen Sitzung der Deutschen Fußball Liga (DFL) das Pressepodium betrat, wirkte es für einen kurzen Moment so, als hätte sich der Aufsichtsratschef der Liga mit seinen Plänen durchgesetzt.

„Es gab eine klare Mehrheit“, sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund über die geheime Abstimmung aller 36 Erst- und Zweitligisten, ob es konkrete Verhandlungen mit einem Investor geben soll. 20 Vereine plädierten dafür, den Prozess eines zwei Milliarden Euro schweren Einstiegs in eine noch zu gründende DFL-Tochtergesellschaft zu vertiefen.

Im Gegenzug träte die Liga 20 bis 30 Jahre lang 12,5 Prozent der Einnahmen aus der TV-Vermarktung ab, wodurch der Investor bis zum Ende der Laufzeit mindestens drei Milliarden Euro zurückerhielte. Ein Deal, den elf Vereine ablehnten und damit auch verhinderten.

HSV mittendrin: DFL-Pläne scheitern krachend

Denn das Problem an Watzkes fast schon euphorisierend klingenden Einstiegsworten: Die selbst gesteckte Hürde einer Zweidrittelmehrheit wurde krachend verfehlt. Die Ablehnung weiterer Gespräche mit einem Investor ist somit auch eine herbe Niederlage für Watzke und die DFL-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki und Axel Hellmann, die sich im Vorfeld klar für einen Investoreneinstieg positioniert hatten.

Die Idee dahinter: Durch einen Ausbau der Digitalisierung soll die Bundesliga für junge Fans und Interessierte aus dem Ausland interessanter werden, damit die Erlöse aus der TV-Vermarktung, anders als bei der letzten Verhandlung im Jahr 2020, wieder steigen. Davon sollten sowohl die Liga als auch der Investor profitieren. Doch daraus wird nun nichts, auch nicht in absehbarer Zukunft.

„Der Prozess ist mit dem heutigen Tag zu Ende. Wir können nicht alle sechs Monate eine neue Sau durchs Dorf treiben“, sagte Watzke, der zugleich durchblicken ließ, wie tief die abstimmenden Vereine untereinander zerstritten sind. „Es ist genug an Vertrauen in letzter Zeit verloren gegangen, das müssen wir erst einmal wieder zusammenfügen und aufarbeiten.“

DFL: Watzke stichelt gegen Göttlich

Völlig verständnislos zeigte sich der BVB-Chef über die fünf Enthaltungen unbekannter Vereine. „Wer sich bei so einer zentralen Frage enthält, über den kann man sich nur wundern.“

Die Abstimmung über einen Investoreneinstieg hat letztlich genau das Gegenteil von Watzkes Plänen erreicht. Statt gemeinsam den Kampf mit den finanzstärkeren Ligen in England, Spanien und Italien aufzunehmen, ist die DFL so gespalten wie nie zuvor.

Ein Beispiel: Eines der Argumente der Kritiker, die DFL solle erst über eine Neubesetzung der Geschäftsführung entscheiden, bezeichnete Watzke als „kompletten Humbug“, „verbrannte Nebelkerze“ und „totalen Bullshit“. „Bis vor zwei Wochen hat das niemand in den Gremien angemerkt“, klagte Watzke und verteilte damit eine Spitze an DFL-Präsidiumsmitglied Oke Göttlich, der genau diesen Punkt im Vorfeld kritisiert hatte.

DFL-Pläne geplatzt: Und nun?

St. Paulis Präsident war es auch, der die Abstimmung wegen der vielen ungeklärten Details auf August schieben wollte. Letztlich zog er seinen Antrag aber zu Beginn der Sitzung zurück, weil die DFL ihren Antrag nachgebessert habe. So ist die Liga den Vereinen entgegengekommen, indem ihnen unter anderem die Möglichkeit gewährt wurde, bis zum 23. Juni Änderungsvorschläge einzureichen.

HSV-Supporters begrüßen Ablehnung der DFL-Pläne:

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Möglicherweise wäre Göttlichs Vorhaben aber ohnehin nicht mehrheitsfähig gewesen, denn das Angebot der drei verbliebenen Kapitalbeteiligungsgesellschaften galt nur bis Juli. Am Ende dieses ereignisreichen Mittwochs in Frankfurt ist der Umgang mit diesem Antrag nur ein weiterer Beleg für die unterschiedlichen Ansichten der 36 Vereine. Unter dieser Voraussetzung erscheint es zumindest fraglich, wie jemals eine Einigung über eine Alternative zum Investorendeal erzielt werden soll.

„Ich bin sehr davon überzeugt, in den nächsten Wochen konstruktive Vorschläge zu erhalten, wie es stattdessen weitergehen soll“, sagte Watzke süffisant mit all seiner Ironie. „Diejenigen, die mit teilweise fadenscheinigen Argumenten dagegen sind, werden eine Antwort auf die Frage finden müssen, wo in Zukunft die Stabilität für die Liga herkommen soll“, ergänzte DFL-Interimschef Hellmann.

Lesen Sie auch den Kommentar:

Warum St. Paulis Vorschlag abgelehnt wird

Fest steht lediglich, dass St. Paulis Vorschlag, die von der DFL mit 750 Millionen Euro taxierte Digitalisierung mithilfe von Fremdkapital voranzutreiben, auf eine breite Ablehnung gestoßen ist. Eine überwältigende Mehrheit, zu der auch der HSV gehören soll, lehnt es ab, sich für tägliche Videoformate auf einer neuen Plattform zu verschulden.

Zumal die Vereine ihre Stadien beleihen müssten, um für die Rückzahlung des Kredits Zinsen von rund vier Prozent zu erhalten. Ohne die Angabe von Sicherheiten läge der Zinssatz bei um die zehn Prozent. Ein für viele Clubs finanziell kaum zu stemmendes Szenario.

DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke ist enttäuscht von zahlreichen Vereinen. Die Rolle des BVB bezeichnet er als solidarisch.
DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke ist enttäuscht von zahlreichen Vereinen. Die Rolle des BVB bezeichnet er als solidarisch. © dpa

„Eins ist klar: Wenn die Lösung der Mehrheit wäre, dass wir uns hemmungslos verschulden sollen, um Wachstum zu generieren, dann würde ich diesen Weg definitiv nicht mitgehen“, drohte Watzke mit seinem Rückzug aus der DFL. „Eine solche Verschuldung kann nicht die Aufgabe der Liga bei solchen Summen sein.“ Zumindest mit dieser Ansicht repräsentiert Watzke einen Großteil der Liga.

DFL: Wofür sich der HSV starkmachte

Sein Nebenmann Hellmann, der im Vorfeld der Abstimmung durch markante Aussagen aufgefallen war und damit den Ärger einzelner Clubs auf sich gezogen haben soll, versuchte nach dem geplatzten Investorendeal gar nicht erst, seinen Kritikern die Hand zu reichen. Schließlich habe er einen „absoluten Konsens gespürt, dass alle Vereine einen Investitionsbedarf sehen“. Es wüssten auch alle, „dass Kapital aufgenommen werden“ müsse.

Hellmanns Fazit: „Es ist erstaunlich, dass der Prozess beendet wurde, obwohl der Bedarf erkannt wurde.“ Was Hellmann nicht sagte: Die vielen offenen Details des Deals, zum Beispiel über die Verwendung des Geldes, haben die Vereine zu sehr verunsichert.

So soll sich der HSV nach Abendblatt-Informationen dafür starkgemacht haben, dass die Clubs nur einen geringen Anteil in Spieler und Beraterhonorare investieren dürfen. Doch auch darüber soll gestritten worden sein.

Hätte HSV profitiert? DFL droht mit Aus der Zentralvermarktung

Wie aber geht es nun weiter? Kann es überhaupt ein „Weiter so“ geben? Fragen, die Hellmann mit einer Drohung beantwortet. Nach seiner Darstellung könnten jetzt insbesondere die international erfolgreicheren Vereine wie Bayern München und Dortmund ihre Live-Auftritte selbst vermarkten. Eine gewagte Theorie, die gleichbedeutend mit dem K. o. der Bundesliga in ihrer derzeitigen Form wäre.

„Für mich ist die heutige Entscheidung eine Niederlage der Zentralvermarktung, wodurch die Schere zwischen Arm und Reich eher noch weiter auseinandergetrieben wird“, spekuliert Hellmann.

Was der Frankfurt-Boss verschwieg: Die für die Vereine frei verfügbaren Gelder des geplatzten Deals in Höhe von 290 Millionen Euro hätten nach dem Schlüssel des bisherigen TV-Geldes verteilt werden sollen. Eine Maßnahme, von der die großen Vereine profitiert hätten. Der FC Bayern bekäme beispielsweise das Fünffache im Vergleich zum HSV. Oder mit anderen, von Watzke tatsächlich ernsthaft gewählten Worten: „Solidarischer als Bayern und Dortmund kann man nicht sein.“