Hamburg. DFL will 12,5 Prozent des künftigen TV-Geldes für zwei Milliarden verkaufen. Viele Details noch offen, aber die Zeit drängt.

Am Dienstag saßen Eric Huwer und Jonas Boldt auf der Geschäftsstelle im Volksparkstadion zusammen. Auf der turnusmäßigen Vorstandssitzung tauschen sich die beiden HSV-Manager jede Woche aus. Diesmal dürfte ein ganz besonderes und vor allem in Fankreisen viel diskutiertes Thema auf die Agenda gerückt sein: der mögliche Investoreneinstieg bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Im Kern sieht der Plan Folgendes vor: Ein Investor zahlt der Liga 1,8 bis 2 Milliarden Euro und erhält im Gegenzug 20 bis 30 Jahre lang 12,5 Prozent der Einnahmen aus der TV-Vermarktung einer noch zu gründenden Tochterfirma der DFL. So weit, so gut – oder schlecht? Über die genaue Bewertung des Deals herrscht eine große Unklarheit unter den 36 Erst- und Zweitligisten, weil viele Details noch nicht feststehen.

HSV-Millionen? Das Drei-Säulen-Modell der DFL

Bekannt ist bislang nur die grobe Aufteilung in drei Säulen. 40 Prozent (720 bis 800 Millionen Euro) sollen in die Digitalisierung der DFL fließen, die eine eigene Onlineplattform für die tägliche Verbreitung von Inhalten der Vereine anstrebt. Damit sollen junge, sich zunehmend vom Fußball entfernende Fans sowie Interessenten aus dem Ausland angesprochen werden. Ziel sei es, die Reichweite der Bundesliga zu erhöhen, um höhere Erlöse aus der TV-Vermarktung zu generieren.

Mit den Erlösen aus der zweiten Säule, die 45 Prozent (810 bis 900 Millionen Euro) ausmacht, sollen die Clubs ihre In­frastruktur verbessern. Das Geld soll in Stadien, Trainingsgelände sowie den Ausbau von WLAN und dem schnelleren Mobilfunknetz 5G investiert werden.

Zudem sollen aus diesem Topf die Mindereinnahmen aufgefangen werden (500 Millionen Euro). Denn jeder Club bekäme zwar eine einmalige Millionenspritze, würde aber zugleich jedes Jahr auf 12,5 Prozent seines Fernsehgeldes verzichten. Zum Vergleich: Der HSV hat in dieser Saison 17,5 Millionen Euro aus der TV-Vermarktung erhalten. Gäbe es den Deal bereits, wären es nur 15,3 Millionen Euro gewesen.

Dafür, und das wäre die dritte Säule des Pakets, hätten die Clubs schon jetzt frisches Geld zur freien Verfügung – nämlich 15 Prozent, also rund 290 Millionen Euro. Die Summen aus Säule eins und zwei sollen wie das bisherige TV-Geld verteilt werden. Die Spitzenklubs erhielten also mehr Geld, der FC Bayern bekäme beispielsweise das Fünffache im Vergleich zum HSV.

HSV wundert sich über offene Details des DFL-Deals

So weit, so klar – oder eben nicht? Noch immer sind viele Fragen über die konkrete Verwendung des Geldes offen. Ein Umstand, der beim HSV für Verwunderung sorgen soll. Zumal die Zeit eilt, denn das Angebot ist nur noch zwei Monate lang gültig. Bis Juli braucht die DFL eine Zweidrittelmehrheit der 36 Vereine, um einem der Investoren den Zuschlag zu geben. Dabei gilt das demokratische Prinzip: Sandhausen hat als Tabellenletzter der Zweiten Liga das gleiche Stimmrecht wie Branchenprimus Bayern München.

Eine erste Frist läuft sogar schon am 24. Mai ab. Dann wird auf der Mitgliederversammlung der Liga darüber entschieden, ob überhaupt konkrete Verhandlungen mit den Investoren geführt werden sollen. Wirklich infrage kommen nur vier der sechs Angebote der Kapitalbeteiligungsgesellschaften Advent, Blackstone, Bridgepoint, CVC, EQT und KKR. Das Kuriose daran: Die Vereine sollen noch nicht einmal wissen, welche der beiden Firmen bereits aus dem Rennen sind.

DFL-Investorendeal: Die Position des HSV

Zumindest etwas konkreter ist es seit diesem Montag geworden, nachdem die DFL auf einer Sitzung ein paar Fragen der Vereine beantwortet hat. Klar ist: Die Liga will alle Vereine in die Pflicht nehmen, mehr Präsenz im Internet zu zeigen. Mit der Finanzspritze sollen Mitarbeiter eingestellt werden, um sieben Tage die Woche Einblicke aus dem Innenleben der Mannschaft zu liefern, idealerweise sogar aus der Kabine. Als Vorbilder dienen die Formel 1 und nahezu alle Ballsportarten in den USA, wo es bereits gängige Praxis ist, Fans über neue Formate zu gewinnen.

Der HSV ist mit einem Club-TV, Podcast, diversen YouTube-Formaten, einer Fußballschule und der im Winter praktizierten Vermarktungsreise in die USA bereits viel weiter als andere Vereine. Hinzu kommt, dass die Finanzierung der Stadionmodernisierung sowie des neuen Athleticums für die medizinische Betreuung bereits steht und der erst 2017 errichtete HSV-Campus den neuesten Anforderungen entspricht. Dürfte der HSV seine für die Infrastruktur vorgesehenen Millionen also anderweitig ausgeben?

Genau darüber soll sich der Club verbindliche Regeln wünschen. Nach Abendblatt-Informationen soll sich der HSV in den Sondierungsgesprächen der DFL dafür starkgemacht haben, dass die Vereine nur einen geringen Anteil in Spieler und Beraterhonorare investieren dürfen. Die Sorge ist, dass die Finanzspritze nach nur wenigen Transferperioden aufgebraucht wäre und letztlich nur die Gehälter und Ablösesummen in die Höhe triebe.

HSV bezieht Fans mit ein

Generell sollen die Hamburger einem Investoreneinstieg offen gegenüberstehen, sofern die Millionen für nachhaltige Projekte und eine gesteigerte Attraktivität der Bundesliga eingesetzt werden. Dabei soll es im Kern um die Frage gehen, wie junge Menschen, die nur selten ein Spiel über 90 Minuten verfolgen, besser abgeholt werden können.

Eine weitere rote Linie des HSV, der sich mit Fanvertretern austauscht, wäre eine Zerstückelung des Spieltags durch weitere Anstoßzeiten sowie internationale Spielorte. Doch solche, vor allem in Fankreisen mit Sorge betrachtete Szenarien schloss die DFL bereits aus. Auch eine Einflussnahme des möglichen Investors steht nicht zur Debatte, da keine Anteile an der Liga verkauft werden.

HSV stimmt sich mit Traditionsclubs ab

Für eine stärkere Verhandlungsposition soll sich mit dem HSV, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, 1. FC Köln, Schalke und Borussia Mönchengladbach bereits eine Interessengemeinschaft zusammengetan haben.

Die Position der in puncto Zuschauerschnitt und TV-Einschaltquote attraktiven Clubs liegt auf der Hand: Sie wollen stärker von der Geldverteilung profitieren, da es vor allem die Traditionsvereine sind, mit denen sich die Bundesliga profitabel vermarkten lässt. Doch auch das ist nur eine von vielen unterschiedlichen Interessen der 36 Vereine.

Bereits positioniert haben sich einzelne Fangruppen, die einen Investoreneinstieg gewohnt kritisch sehen. Beim HSV soll insbesondere die einflussreiche Ultragruppierung Castaways ihre Zweifel haben und befürchten, dass sich der Fußball weiter von der Basis entfernen würde. Ist eine Beteiligung von 12,5 Prozent am TV-Geld vielleicht nur der Anfang? Und wer garantiert, dass die Vereine nicht in eine finanzielle Schieflage geraten, wenn sie das TV-Geld der Zukunft schon jetzt ausgeben? Auch das sind offene Fragen.