Hamburg. Walter-Elf macht es unnötig spannend gegen Bielefeld, holt am Ende aber Punkterekord. HSV-Ultras setzen ein Zeichen gegen Kühne.
Elfmeter-Glück, VAR-Eingriff nach Gegentor und zwei sehenswert herausgespielte Tore: Der HSV hat sich durch einen 2:1 (1:0)-Heimsieg gegen Arminia Bielefeld in der oberen Tabellenregion festgespielt.
Gegen den abstiegsgefährdeten und über weite Strecken harmlos agierenden Bundesliga-Absteiger machte es die Mannschaft von Trainer Tim Walter allerdings unnötig spannend und durfte sich am Ende auch beim Schiedsrichter bedanken, dass die drei Punkte im Volkspark blieben.
„Wir hätten besser spielen können, die Arminia hat es defensiv aber auch gut gemacht. Entscheidend sind die drei Punkte – und die bleiben in Hamburg“, resümierte Linksverteidiger Miro Muheim, der den Führungstreffer von Ludovit Reis mit der Hacke vorbereitete. „Unser Auftritt war so lala, wir könnten uns das Leben einfacher machen, indem wir vorne zielstrebiger agieren und hinten den Gegner weniger einladen würden. Das müssen wir besser machen“, analysierte Walter.
HSV holt Rekord gegen Bielefeld
Durch den Sieg wächst das Punktekonto des HSV auf 44 Zähler an. Eine solche Ausbeute ist dem Club in den vorherigen vier Zweitligajahren noch nie gelungen. Verfolger Heidenheim bleibt dem Tabellenzweiten mit vier Punkten Rückstand auf den Fersen und hat nach dem 5:0-Erfolg gegen Nürnberg nun auch das um drei Treffer bessere Torverhältnis (+17).
Doch diese Statistik dürfte den HSV herzlich wenig interessieren. Es interessieren einzig und allein die drei hart erkämpften Punkte gegen Bielefeld. „Wir müssen am Boden bleiben“, forderte Bakery Jatta, der den Siegtreffer im Volkspark erzielte. „Mein Tor hat der Mannschaft geholfen, das ist für mich das Wichtigste.“
HSV-Coach Tim Walter bringt zwei Neue
Im Vergleich zum turbulenten 3:3 in Heidenheim brachte Walter zwei Neue: Wie erwartet, ersetzten Mittelfeldspieler Laszlo Benes und Innenverteidiger Jonas David die zuletzt schwachen Ransford Königsdörffer und Javi Montero in der Startelf.
Linksaußen Jean-Luc Dompé erhielt nach seiner folgenschweren Unfallfahrt auf St. Pauli sowie einem ebenfalls schwachen Spiel in Heidenheim dagegen eine weitere Bewährungsprobe von Beginn an.
HSV im Elfmeter-Glück gegen Bielefeld
Die ersten Akzente des Spiels setzten aber die Gäste. Schon nach wenigen Minuten lag der Ball im Netz von HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes. Abwehrspieler Frederik Jäkel profitierte bei einem Standard der Arminia von einer unsortierten Hamburger Hintermannschaft, doch der Treffer wurde nach dem Eingreifen des Videoschiedsrichters aberkannt. Angesichts dieser deutlichen Abseitsstellung war es schon verwunderlich, dass diese erst vom VAR erkannt wurde.
Wenige Minuten später hatte der VAR erneut den besseren Durchblick, doch diesmal wurde er vom Berliner Schiedsrichter Daniel Siebert überstimmt. Jonas Meffert war Vasiliadis im Strafraum beim Abspringen für das anschließende Kopfballduell auf den Fuß gestiegen. Siebert hatte kein Foul erkennen können und blieb zur Überraschung aller Beobachter trotz eines entsprechenden Hinweises vom VAR bei seiner Meinung, dass dieser Tritt nicht für einen Elfmeter ausgereicht haben soll.
„Wenn Meffert ihn unten trifft, kann Vasi nicht zum Kopfball gehen und damit ist es Elfmeter“, klagte Bielefelds Trainer Daniel Scherning. „Der Schiedsrichter meinte, der Kontakt wäre ihm zu wenig gewesen. Ich weiß nicht, ob man immer erst theatralisch fallen muss.“
Reis schießt HSV in Führung
Es war eine glückliche Entscheidung für den HSV, der sich nun steigerte und mit dem ersten gefährlichen Torschuss in Führung ging. Mit der Hacke bediente Miro Muheim Mitspieler Ludovit Reis, der in den unbesetzten Raum im Strafraum eindrang und mit einem abgefälschten Abschluss ins rechte Eck traf (26.). Ein schön herausgespieltes Tor zum 1:0.
Die Führung gab dem bis zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend agierenden HSV spürbar mehr Sicherheit. Kurz vor der Halbzeit hätten die Hamburger ihre Führung sogar ausbauen können: Erst fischte Bielefeld-Torhüter Martin Fraisl einen Dompé-Freistoß aus dem linken Torwinkel (42.), dann zielte Benes knapp am Tor vorbei (43.).
HSV antwortet postwendend auf Ausgleich
Statt beruhigend auf 2:0 zu erhöhen, wurde der plötzlich nachlässig verteidigende HSV nach der Pause kalt erwischt. Den Schuss von Bielefelds Stürmer Fabian Klos konnte Heuer Fernandes noch parieren. Weil Jatta seinem Gegenspieler Bastian Oczipka nicht folgte, konnte dieser jedoch den Abpraller problemlos ins leere Tor einschieben (51.). Der Ausgleich aus dem Nichts.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Walters Elf ließ sich von diesem Rückschlag allerdings nicht beeindrucken und spielte weiterhin nach vorne. Es folgte eine kuriose Szene, bei der keiner so richtig verstand, warum der Ball nicht im Tor unterkam. Nachdem Benes‘ Freistoß an die Latte klatschte, lenkte Arminias Schlussmann Fraisl den Nachschuss von David mit einem überragenden Reflex über den Querbalken (53.).
Bielefeld bejubelte diese Glanzparade enthusiastisch, doch die Freude währte nicht lange. Nur vier Minuten später zog der ansonsten unauffällige Dompé eine Flanke mit viel Schnitt auf den zweiten Pfosten, wo Bakery Jatta den Fuß hinhielt und den alten Abstand wieder herstellte – 2:1 für den HSV (57.)! „Baka ist mutig und geht in die Box. Das macht ihn so unverzichtbar für uns“, lobte Walter.
Lesen Sie auch die HSV-Einzelkritik:
HSV fordert ebenfalls Elfmeter
Zum Durchatmen kamen die HSV-Fans aber trotzdem nicht, weil sich in das Spiel der Hamburger immer wieder Unkonzentriertheiten einschlichen. Diesmal war es der sonst so souveräne Heuer Fernandes, der über den Ball stolperte und dem eingewechselten Janni Serra zu einer Großchance verhalf. Doch der 24 Jahre alte Stürmer der Gäste verfehlte das leere Gehäuse (74.).
Bis auf einen Schuss aus der zweiten Reihe von Theo Corbeanu (88.) hatte Bielefeld nicht mehr viel entgegenzusetzen. Der HSV forderte dagegen noch einen Elfmeter nach einem Foul von Ramos gegen Glatzel, doch Schiedsrichter Siebert, der erneut einen Hinweis vom VAR erhielt, entschied sich erneut gegen einen Strafstoß – vermutlich, weil der erste Kontakt Ramos' schon außerhalb des Sechzehners begann. Eine erneut fragwürdige Entscheidung.
Dennoch brachten die Hamburger den knappen Vorsprung über die Zeit und haben weiterhin eine hervorragende Ausgangslage für den angestrebten Aufstieg.
HSV-Ultras positionieren sich gegen Investoren
Im Vorfeld der Partie zogen einmal mehr die Ultras des HSV mit einer klaren Botschaft die Aufmerksamkeit auf sich. Bereits mehr als eine Stunde vor dem Anpfiff rollten die treusten Fans auf der Nordtribüne ein Banner mit der Aufschrift „Investoren unerwünscht“ aus.
Ein Statement, das sich womöglich sowohl gegen Anteilseigner Klaus-Michael Kühne als auch Ex-Aufsichtsrat Detlef Dinsel richtet, der nach heftigem internen Widerstand (auch seitens der HSV-Supporters) nicht mehr für das Amt im Kontrollgremium zur Verfügung steht.
- HSV-Profi Nemeth privat: „Ich bin gerne ein Weltenbürger“
- Wer folgt auf Dinsel? Zwei Favoriten als HSV-Kontrollchef
HSV-Ultras nutzen Bielefeld für Kühne-Kritik
Schon beim Hinspiel im August, als der HSV 2:0 in Bielefeld gewann, hatte Hamburgs Anhang seinen Unmut gegen Kühne mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht. „In der Satzung verankert. 75+1 unverhandelbar, Kühne verpiss dich“, stand damals auf einem Banner in der Gästekurve.
Anlass war Kühnes 120 Millionen Euro schwere Offerte zwei Tage zuvor, die an zahlreiche Bedingungen mit dem Schwerpunkt auf mehr Machteinfluss geknüpft war.
Die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Muheim – Meffert (71. Kittel) – Reis, Benes (87. Königsdörffer) – Jatta (90.+2 Nemeth), Glatzel, Dompé (71. Katterbach). – Trainer: Walter
- Bielefeld: Fraisl – Ramos, Andrade, Jäkel – Klünter, Lepinjica (84. Rzatkowski), Vasiliadis (46. Consbruch), Okugawa (73. Serra), Oczipka (84. Corbeanu) – Klos (58. Lasme), Hack. – Trainer: Scherning
- Tore: 1:0 Reis (26.), 1:1 Oczipka (51.), 2:1 Jatta (57.)
- Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
- Zuschauer: 56.905