Hamburg. Die Mitglieder geben HSV-Präsident Marcell Jansen eine zweite Chance. Gibt er seinen Vorsitz im Aufsichtsrat ab?
Nach sieben Stunden und 22 Minuten beendete Kai Esselsgroth am Sonnabend um 18.22 Uhr die Mitgliederversammlung des HSV. „Wir sehen uns nächste Woche im Stadion mit drei Punkten für den Aufstieg“, sagte der Ehrenrat und Versammlungsleiter des HSV. Es war ein versöhnlicher Abschluss einer phasenweise hitzigen Veranstaltung im CCH, an dessen Ende sich vor allem einer als Gewinner fühlen durfte: Marcell Jansen.
Der Vereinspräsident hatte die mit Spannung erwarteten Abwahlanträge der Mitglieder Till Hischemöller und Ulrich Becker mit einem klaren Ergebnis überstanden. 73,43 Prozent (467 Stimmen) der Mitglieder sagten Ja zu Jansen. 26,57 Prozent (169) votierten für den Abwahlantrag.
HSV-Mitglieder bestätigen Marcell Jansen
Zwei Stunden später stand der Präsident auf dem Podium des Saals 1 und wirkte gelöst. „So eine Klarheit tut gut – und zwar in alle Richtungen“, sagte Jansen, während sich die große Halle vor ihm schon fast komplett geleert hatte.
Nur ein paar HSV-Fans in Kutten warteten noch auf ein gemeinsames Foto mit dem langjährigen Linksverteidiger, der seine Amtszeit nun bis 2025 fortsetzen kann. „Es hätte heute auch anders ausgehen können, aber dann hätten wir die gleiche Klarheit gehabt. Es ist einfach wichtig, dass wir uns mit allen an einen Tisch setzen.“
Wie die Stimmung pro Jansen kippte
Jansens Worte waren eine Art Friedensangebot an all seine Kritiker, die ihn in den vergangenen Wochen und Monaten mitunter scharf attackiert hatten. Und auch am Sonnabend musste sich Jansen noch einmal einiges anhören, insbesondere aufgrund seines langen Festhaltens am umstrittenen Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld.
Supporters-Chef Sven Freese hatte schon zu Beginn der Veranstaltung das Wort ergriffen und betont, sich ein „aktiveres“ Präsidium und ein „entschlosseneres Handeln“ von Jansen in der Causa Wüstefeld gewünscht zu haben. Als dann wenig später auf Antrag von Supporters-Vize Christian Bieberstein der Abwahlantrag mit 55 Prozent Zustimmung in der Tagesordnung vorgezogen wurde, rechneten einige im Saal mit einer Jansen-Abwahl.
Doch je länger die Diskussion dauerte und je mehr Redner sich gegen die Abwahl aussprachen, desto mehr kippte im Saal die Stimmung. Am Ende stand dann ein deutliches Ergebnis, das Jansen auch gebraucht hat.
Der interne Gegenwind für Jansen
So sehr der 37-Jährige auch gelobt wurde für seine ehrenamtliche Arbeit als Präsident, so schallend war die allgemeine Kritik an seinem Wirken als Aufsichtsratsvorsitzender. Zur Erinnerung: Wegen seines Verhaltens hatten Jansen bis auf Wüstefeld alle Aktionäre der HSV Fußball AG das Vertrauen entzogen. Jansen sorgte im Beirat, dessen Mitglieder Patrick Ehlers und Mike Schwerdtfeger erneut gewählt wurden, für Irritationen.
Auch im Präsidium wurde er bei der wohl wichtigsten Zukunftsentscheidung – der Zusammenarbeit mit Investor Klaus-Michal Kühne – von seinen Vizepräsidenten Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß – überstimmt. Und auch das Verhältnis zu Sportvorstand Jonas Boldt gilt weiterhin als stark belastet.
Gibt Jansen Vorsitz des Aufsichtsrats ab?
Ein bisschen Frieden stand zwar am Ende der Mitgliederversammlung, doch die atmosphärischen Störungen innerhalb der HSV-Führung sind damit nicht behoben. Am 2. Februar kommen nun alle Aufsichtsräte, Vorstände und Aktionäre zur Hauptversammlung zusammen. Dann werden die Gesellschafter über die Neubesetzung des Aufsichtsrates abstimmen.
Schon jetzt ist klar, dass der frühere Vorsänger Henrik Köncke sowie Stephan von Bülow (CEO Block-Gruppe) die Plätze von Lena Schrum und Andreas Peters einnehmen werden. Unklar ist, ob Jansen nach der erheblichen Kritik an seiner Amtsführung weiterhin den Vorsitz des Siebenergremiums behält.
Auf Nachfrage sagte Jansen dazu am Sonnabend: „Jeder der mich kennt, der weiß, dass ich auch vorher nicht nach einem Amt gesprungen bin. Wir werden nach der Hauptversammlung mit dem neuen Aufsichtsrat gucken, was die Schwerpunkte sind, die wir legen müssen und uns demnach ausrichten. Da ist noch nichts gesetzt.“
Jansen lässt dabei Raum für Spekulationen: „Eine Doppelfunktion als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender kann Sinn ergeben. Es kann aber auch Momente geben, wo man sagt, da gibt es andere Schwerpunkte.“
Umwandlung der HSV AG in eine KGaA wird konkreter
Die Schwerpunkte für die kommenden Monate sind eigentlich klar. Neben dem klar gesetzten Ziel des Aufstiegs in die Bundesliga geht es für den HSV auch darum, die geplante Strukturreform weiter voranzutreiben. Am Sonnabend sprachen sich die Mitglieder klar für die Fortsetzung der Arbeitsgruppe Rechtsform aus. Die Umwandlung der AG in eine GmbH & Co. KGaA soll bis zur nächsten Mitgliederversammlung konkret werden.
Nur in dieser Rechtsform hätte Investor Kühne die Möglichkeit, weitere Anteile zu kaufen. Und auch Aufsichtsrat Detlef Dinsel müsste mit dem Erwerb von HSV-Anteilen bis dahin warten. Gegen den Unternehmer, der im vergangenen Sommer auch als Aufsichtsratsvorsitzender im Gespräch war, gab es bei der Mitgliederversammlung kritische Wortbeiträge aufgrund seiner vermeintlich fehlenden Verbindung zum HSV. Dinsel selbst war bei der Versammlung nicht anwesend.
Zahlt Kühne erneut für Rechte am HSV-Stadion?
Ein großer Schwerpunkt dürfte für den HSV aber vor allem die weitere Zusammenarbeit mit Investor Kühne sein. Der 85-Jährige hatte sich schon vor Wochen gegen eine weitere Zukunft von Jansen beim HSV ausgesprochen. Trotzdem ließ er sich überzeugen, bei der Finanzierung der Stadionrenovierung zu helfen.
Nun wird es in den Gesprächen mit Kühne darum gehen, eine neue Vereinbarung für das Namensrecht am Volksparkstadion zu finden. Kühne hält die Rechte noch bis zum Saisonende. Er selbst hatte sich bereits öffentlich für eine Umbenennung in Uwe-Seeler-Stadion ausgesprochen. Supporters-Chef Freese wünscht sich dagegen die Umbenennung der HSV-Adresse Sylvesterallee in die Uwe-Seeler-Allee.
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Ob Jansen für diese Schwerpunktthemen noch der richtige Aufsichtsratschef ist, will er selbst zusammen mit dem Gremium erörtern. Den Rückhalt für seine Präsidentschaft hat er in jedem Fall erhalten – auch wenn der geringe Stimmanteil von nur 0,5 Prozent der 90.647 Mitglieder neue Diskussionen über die Möglichkeit einer Fernwahl entfachte.
Zumindest diese Diskussion kann Jansen nun entspannt verfolgen. Bei anderen Themen muss er zeigen, ob er aus den Abwahlanträgen die richtigen Lehren zieht.