Hamburg. Der Mann, der Marcell Jansen stürzen will, äußert sich ausführlich. Kann der HSV-Präsident beide Abwahlanträge überstehen?

Es ist schon ein paar Wochen her, als Till Hischemöller eine verlockende Einladung erhielt. Ein Tête-à-Tête mit HSV-Präsident Marcell Jansen. HSV-Fan Hischemöller, der sich nach all den Turbulenzen im vergangenen Jahr rund um Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld entschieden hatte, im Hinblick auf die kommende Mitgliederversammlung einen Abwahlantrag gegen Jansen zu stellen, war positiv überrascht.

„Ich bin sehr dankbar, dass Marcell mir die Gelegenheit für diesen Gedankenaustausch gegeben hat“, sagt Hischemöller, der allerdings weniger dankbar für die Begleitumstände war: Der kritische Anhänger erhielt eine achtseitige Verschwiegenheitsklausel, die er vor dem Treffen mit Jansen und HSV-Geschäftsführer Kumar Tschana unterzeichnen sollte. „Das war ein Maulkorb, den wollte und konnte ich nicht unterzeichnen“, sagt der Jurist, der sich dann auch ohne Vertrag mit Jansen und Tschana getroffen hat.

Jansen? „HSV hat besseren Präsidenten verdient“

Rund zwei Monate später hat Hischemöller erneut Redebedarf. Wenige Tage vor der Mitgliederversammlung am kommenden Sonnabend (ab 11 Uhr) im CCH will der 51-Jährige im Abendblatt-Podcast HSV – wir müssen reden noch einmal ausführlich – und ohne Verschwiegenheitsklausel – erklären, warum er auch nach dem Gespräch mit Jansen und Tschana an seinem Vorhaben festhält, den Abwahlantrag zu stellen.

„Der HSV hat einen besseren Präsidenten verdient“, sagt der gebürtige Niedersachse, der zwischen Hamburg und Berlin pendelt.

HSV: Jansen kämpft gegen Abwahlanträge

Dabei ist Hischemöller nicht der Einzige, der das sagt und denkt. Bei der Mitgliederversammlung gibt es noch einen zweiten Antrag von Ulrich Becker auf Abwahl Jansens. Auch Jansens Verhältnis zu den Vorständen Jonas Boldt und Eric Huwer, die gerade ihre Verträge unterzeichnet haben, gilt als belastet. Der Aufsichtsrat ist zerrissen – und sogar innerhalb des Präsidiums wurde Jansen kürzlich überstimmt.

Auch die Supporters, die Jansen lange Zeit gestützt haben, sollen sein Wirken kritisch sehen. Und als ob das nicht Gegenwind genug wäre, haben sich auch alle Anteilseigner (mit Ausnahme von Wüstefeld) gegen eine Fortsetzung der Präsidentschaft ausgesprochen. HSV-Partner Klaus-Michael Kühne hat seine Meinung öffentlich über das Abendblatt kundgetan – und die anderen Anteilseigner haben einen Brandbrief an Jansen geschickt, in dem sie dessen Rücktritt forderten.

Und Jansen? Verzichtete auf die Möglichkeit, im Podcast direkt zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen, will sich aber noch vor der Mitgliederversammlung ausführlich im Abendblatt äußern. Jansen will sich erklären, weitermachen – und er will kämpfen.

Abwahlantrag: Was Jansen vorgeworfen wird

Das will allerdings auch Till Hischemöller. „Ich habe kein persönliches Problem mit Marcell. Ich mochte ihn sogar als Spieler. Aber nach dem letzten Jahr denke ich, dass Marcell für so ein großes Chaos auf der Führungsebene verantwortlich ist, wie wir es eigentlich noch nie hatten“, sagt der HSVer mit der Mitgliedsnummer 688910.

Die Liste seiner Vorwürfe ist lang. Vier Din-A4-Seiten lang ist sein Abwahlantrag, der allerdings erst unter Tagespunkt 19 am kommenden Sonnabend behandelt werden soll. Hischemöller schreibt von einer „grob fahrlässigen Verletzung von Kontrollpflichten in Bezug auf Thomas Wüstefeld“, Jansen habe „eine tiefe Spaltung des Aufsichtsrats in Kauf genommen“.

Weitere Punkte sind die „unterlassene Suche nach einem neuen Finanzvorstand“, der „inkonsequente Umgang mit Klaus-Michael Kühne“, die „undurchsichtige Berufung des Investoren Detlef Dinsel in den Aufsichtsrat“, der „Vertrauensentzug durch die Mehrzahl der Anteilseigner“, das „zerrüttete Verhältnis zu Jonas Boldt“ und die irritierende Demission von Aufsichtsrätin Lena Schrum: „Es entsteht der Eindruck, dass sich insbesondere Herr Jansen mit Lena Schrum einer unbequemen Kritikerin im Aufsichtsrat entledigen möchte.“ Hischemöllers eindeutiges Fazit: „Die Mitglieder müssen Jansen zum Wohle des Vereins abwählen.“

Wann ein Rücktritt Jansens denkbar wäre

Die Hürde für dieses Vorhaben liegt allerdings hoch. Mindestens einer der beiden Anträge von Hischemöller und Becker braucht eine Zweidrittelmehrheit. Spannend würde es werden, wenn diese erforderlichen 66,66 Prozent knapp verfehlt werden, sich aber immer noch eine Mehrheit gegen eine Fortsetzung von Jansen als Präsident herauskristallisieren würde.

HSV-Mitglied Till Hischemöller hat einen Abwahlantrag gegen Marcell Jansen gestellt.
HSV-Mitglied Till Hischemöller hat einen Abwahlantrag gegen Marcell Jansen gestellt. © HA | Marcelo Hernandez

„Ich hoffe, dass Marcell bei einem solchen Ergebnis entscheiden würde, dass er es einsieht und zurücktritt“, sagt Hischemöller, der sogar juristisch hat prüfen lassen, ob die in der Satzung verankerte Zweidrittelhürde überhaupt legitim ist. „Da gibt es geteilte Meinungen. Man könnte über diese Frage bei Gericht trefflich streiten, ob diese Klausel überhaupt wirksam ist“, sagt Hischemöller, der seine Bedenken in einem langen Schreiben auch der Geschäftsführung des HSV e.V. kundgetan hat – allerdings lediglich einen Dreizeiler als Antwort erhielt.

„Der HSV hat sich leider mit der Problematik, die dahintersteckt, überhaupt nicht auseinandergesetzt“, sagt er.

HSV: Schlammschlacht um Jansen-Antrag?

Die schlechteste aller Lösungen: Ein Mitglied würde ein mögliches Ergebnis zwischen 50 und 66,66 Prozent juristisch anfechten. „Dann würden wir wohl nie zur Ruhe kommen“, sagt Hischemöller, für den die Abstimmung über Jansen richtungweisend ist.

„Die Zukunft des HSV entscheidet sich nicht im nächsten Heimspiel gegen Braunschweig. Die Zukunft des HSV entscheidet sich viel mehr anhand der Fragen, ob Marcell Jansen der richtige Mann und welche Rechtsform die richtige ist“, sagt der Ottensener, der mit dem Rad ins CCH kommen will und dem eines noch wichtig ist: Er habe überhaupt nichts gegen Jansen: „Marcell ist ein Primatyp – aber ich halte ihn nicht geeignet dafür, dieses Präsidentenamt weiter auszuführen.“