Hamburg. Rechtsexperten erklären, wie der des Dopings überführte HSV-Verteidiger doch noch freigesprochen werden könnte.
Über die Weihnachtstage versuchte Mario Vuskovic vor allem eins: abzuschalten, um einfach mal den Kopf freizubekommen. Gemeinsam mit seiner Familie und seiner gleichaltrigen Freundin Barbara (21) verbrachte der HSV-Profi die Feiertage in seiner kroatischen Heimat Split. Für einen Moment war die ganze Aufregung um seine Person vergessen, die seit dem 12. November, dem Tag der Bekanntgabe seines positiven Dopingtests, seinen Alltag bestimmt.
Nach dem Jahreswechsel wird es mit dieser besinnlichen Ruhe vorerst vorbei sein. Im Januar wird Vuskovic Post vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) erhalten. Darin wird der Verband dem Abwehrspieler den Termin für die Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht mitteilen, die für Anfang des Jahres anvisiert ist.
Seitdem die B-Probe vor etwas mehr als einer Woche die Einnahme von Epo bestätigte, gilt Vuskovic für den DFB als überführt. Bei dem Gerichtsprozess in Frankfurt (Main) geht es nach aktuellem Stand daher nur noch um die Dauer der Sperre, die gemäß der Rechts- und Verfahrensordnung lange vier Jahre beträgt. Lediglich wenn nachgewiesen werden kann, dass Vuskovic nicht absichtlich gedopt habe, kann die Sperre auf zwei Jahre reduziert werden.
Mario Vuskovic: Welche Verfahrensfehler möglich sind
Oder kommt am Ende alles anders? Der HSV-Verteidiger beteuert nach wie vor seine Unschuld und hat schon zwei Stellungnahmen beim DFB abgegeben. Da Epo allerdings in die Vene oder den Muskel gespritzt wird, sind sich auch seine fünf beauftragten Anwälte der Schwierigkeit bewusst, seine Geschichte zu beweisen. Die Verteidiger sehen am ehesten die Möglichkeit, der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) oder dem für das weitere Prozedere zuständigen DFB einen Verfahrensfehler nachzuweisen.
Doch wie aussichtsreich ist diese Hoffnung? Das Abendblatt hat sich bei mehreren Juristen umgehört, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Auf der Suche nach Verfahrensfehlern geht die Verteidigung vier Fragestellungen nach, wie Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht von der Hamburger Kanzlei Buse Herz Grunst Rechtsanwälte, schildert.
„Wie war die Abnahme der Probe? Bestand die Möglichkeit, die Probe auszutauschen? Fand eine Volumenänderung statt, wodurch sich die Konzentration der Probe verändert? Wurde die Probe korrekt ausgewertet?“, nennt der Rechtsanwalt im Gespräch mit dem Abendblatt die wesentlichen Punkte. „Sollten Verfahrensfehler ausgemacht werden, geht es im Kern darum, ob diese so relevant sind, dass sie sich auf das Ergebnis der Probe ausgewirkt haben könnten.“ Denn nur dann dürfte sich Vuskovic Hoffnungen auf einen Freispruch machen.
Hilft Vuskovic DNA-Test? Jurist versteht DFB nicht
Schon bei der Abnahme der Probe könnte es demnach zu Unkorrektheiten gekommen sein. Dabei sei laut Grunst auch entscheidend, ob die positiv auf Epo getestete Urinprobe ordnungsgemäß versiegelt, gekühlt und gelagert wurde. Und ob zu 100 Prozent garantiert werden könne, dass es sich um Vuskovics Körperflüssigkeit handele.
Eine Antwort auf diese Frage wollten die Anwälte des Kroaten bereits durch einen freiwilligen DNA-Test ermitteln. Doch der DFB, der die Verfahrenshoheit besitzt, soll diesen Vorgang abgelehnt haben. Auf Anfrage wollte sich der Verband dazu nicht äußern, verwies aber auf die international anerkannten Anti-Doping-Richtlinien, die keinen DNA-Test vorsähen.
Eine Antwort, bei der Rechtsexperte Grunst nur mit dem Kopf schütteln kann. „Für die Verteidigung ist das ein Hauptansatz, den ich für sinnvoll betrachte. Ein DNA-Test zum Abgleich der Urheberschaft der Probe ist aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ein Standard. Ich verstehe nicht, warum sich der DFB dagegen sperrt.“
Doping: Ist das Vuskovics Hoffnung?
Auch Sascha Böttner, Hamburger Fachanwalt für Strafrecht, kann den Vorschlag eines DNA-Tests aus Sicht der Verteidigung nachvollziehen. „Mit dieser Vorgehensweise kann Mario Vuskovic nur gewinnen“, sagt der Jurist. Zumal momentan ohnehin alle Ermittler davon ausgehen, dass es sich bei dem positiven Dopingtest um die Probe des HSV-Profis handele. „Im Ergebnis ließe sich zweifelsfrei feststellen, ob es seine DNA ist.“
Eine positive Antwort aus Sicht des Spielers würde die Ermittlungen gegen ihn bereits beenden. „Wenn der Nachweis gelänge, dass die Probe nicht von Mario Vuskovic stamme, könnte ihm kein Dopingvergehen nachgewiesen werden“, sagt Grunst selbsterklärend.
Mario Vuskovic: Wird Strafprozess bei Sperre eingestellt?
Allerdings sehen weder die Nada und der DFB noch sämtliche Dopingexperten Ansätze dafür, dass es beim Ablauf zu Verfahrensfehlern gekommen sein könnte – gänzlich ausschließen lässt es sich aber nicht. Und so wird auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft genau hinsehen, welches Urteil beim Prozess vor dem Sportgericht verkündet wird. Denn der Ausgang des Verfahrens könnte Einfluss auf den strafrechtlichen Prozess haben, der Vuskovic zusätzlich droht.
Sollte der Abwehrspieler für vier Jahre gesperrt werden und der HSV eine Forderung auf Schadenersatz erheben, wie es derzeit vom Zweitligisten geprüft wird, würde wohl auch die Staatsanwaltschaft reagieren. „Das mutmaßliche Ende seiner Sportkarriere könnte dazu führen, dass das strafrechtliche Verfahren eingestellt würde, da die Folgen für ihn bereits gravierend wären. Darüber entscheidet der Einzelfall“, sagt Grunst.
Im Normalfall wird Doping in Deutschland mit Geld- oder Gefängnisstrafe geahndet. „Eine Haftstrafe halte ich für unwahrscheinlich“, prognostiziert Grunst und erhält bei seiner Einschätzung Unterstützung von Sascha Böttner. „Eine Gefängnisstrafe ist extrem unwahrscheinlich, wenn Mario Vuskovic keine Vorstrafe hat.“
Diese Ansicht dürfte auch Vuskovics Anwälten bekannt sein, deren Kampf um die Unschuld des Kroaten noch nicht beendet ist.