Hamburg. Nach Boldt und Huwer plant der HSV, weitere Vorstände zu berufen. Um welche Bereiche es geht und was Kühne damit zu tun hat.

Die kommende Woche wird von größerer Bedeutung für Jonas Boldt und Eric Huwer sein. Dann, so sieht es der Zeitplan aller Beteiligten vor, sollen die beiden HSV-Verantwortlichen ihre neuen Verträge unterschreiben. Für den bisherigen Finanzchef Huwer ist es zugleich eine Beförderung. Er rückt in den Vorstand auf, den Boldt derzeit allein führt. Doch bei diesen beiden Personalien soll es nicht bleiben. Wie das Abendblatt erfuhr, will sich der Aufsichtsrat 2023 mit einer neuen Vorstandsstruktur beschäftigen.

Zur Debatte steht, ob über die von Boldt (Sport) und Huwer (Finanzen) abgedeckten Themenfelder hinaus noch weitere Fachbereiche mit einem Vorstandsposten versehen werden. Vordergründig diskutiert wird über die Schwerpunkte Marketing, Digitalisierung und Fankultur. Denkbar ist sogar, dass alle drei Fachbereiche in einer Neuaufstellung der Führungsetage mit jeweils einem Posten bekleidet werden, wodurch die Gesamtzahl an Vorständen auf fünf anwachsen würde. Denn eine Obergrenze soll es in den Gedankengängen des Aufsichtsrats nicht geben.

Ausgeschlossen sein soll lediglich, dass es in dem neuen Gesamtkonstrukt einen Vorstandsvorsitzenden gäbe. So wurde es zumindest Boldt, der den Verzicht auf einen ihm übergeordneten Clubchef zur Bedingung für die Verlängerung seines in einem halben Jahr auslaufenden Vertrags machte, vom Aufsichtsrat signalisiert.

Neue Vorstände: HSV folgt nicht Kühnes Wunsch

Damit scheint der HSV einen anderen Weg zu gehen als vom meinungsstarken Investor Klaus-Michael Kühne vor knapp einem Monat im Abendblatt-Interview gefordert. „Der HSV benötigt aber auch einen führungsstarken Vorstandsvorsitzenden, der für Marketing und Außendarstellung verantwortlich ist, sowie einen Finanzchef. Bei der Bedeutung des Vereins wünsche ich mir eine Art Triumvirat“, hatte der Anteilseigner (15,21 Prozent) damals gesagt.

Zumindest sein Wunsch nach einem Finanzvorstand soll mit Huwer, der sich durch die geglückte Finanzierung der Stadionsanierung mithilfe eines 20 Millionen Euro schweren Kredits bei Kühne und drei weiteren Geldgebern für mehr Verantwortung empfahl, noch vor Weihnachten erfüllt werden.

Boldt hat Mitspracherecht bei HSV-Vorständen

Da der HSV auf einen neuen Vorstandsvorsitzenden, wie es ihn zuletzt in Person von Bernd Hoffmann (Mai 2018 bis März 2020) gab, zu verzichten scheint, stehen sowohl Boldt als auch Huwer ihren potenziell neuen Kollegen im Vorstand offen gegenüber. Ohnehin wurde beiden Managern zugesichert, eng in eine solche Entscheidung mit eingebunden zu werden.

Der besprochene Fahrplan sieht vor, dass Boldt und Huwer in der täglichen Arbeit ermitteln sollen, für welche Fachbereiche sie Bedarf in Form eines neuen Vorstandspostens sehen. Auch die Meinung der Gesellschafter der AG soll im Laufe des Planungsprozesses mit angehört werden.

Bis es so weit sein soll, dürften allerdings noch einige Monate vergehen. Der Aufsichtsrat sieht momentan keinen Handlungsdruck für die Berufung weiterer Vorstände. Priorität hatten bis zuletzt die neuen Verträge für Boldt und Huwer, die im Übrigen nicht von Kontrollchef Marcell Jansen, sondern von dessen Aufsichtsratskollegen ausgehandelt wurden. Zuvor soll sich das Gremium allerdings einstimmig für die weitere Zusammenarbeit mit den beiden Clubverantwortlichen ausgesprochen haben.

Wirbel um Jansen-Aussage beim HSV

Die neuen Verträge befänden sich bereits „auf der Zielgeraden“, hatte Jansen nach der jüngsten Aufsichtsratssitzung am Dienstag in einem als Interview gekennzeichneten Beitrag auf der vereinseigenen Webseite formuliert. Den Inhalt jenes „Interviews“ soll Jansen gemeinsam mit Boldt und Huwer abgesprochen haben, sagen die einen. Die anderen verweisen auf bei so manchem HSV-Mitarbeiter für Verwunderung sorgende Sätze, wie denen zur Zukunft von Tim Walter, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. „Wir haben Vertrauen. Die Trainerverträge liegen im Verantwortungsbereich unseres Vorstandes, mit dem wir uns dazu eng abgestimmt haben“, ließ sich Jansen zitieren.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, als der Aufsichtsrat in Walters Vertragssituation eingriff und eine von Boldt bereits ausgehandelte Verlängerung verhinderte. Zur Erinnerung: Der Sportvorstand war sich im Sommer bereits über ein neues Arbeitspapier mit Walter einig. Weil das vom Aufsichtsrat freigegebene Budget hierfür jedoch nicht mehr ausreichte, benötigte Boldt die Zustimmung des Kon­trollgremiums, das den neuen Trainervertrag aufschob – mit dem Verweis, die sportliche Entwicklung abwarten zu wollen.

Liegen die Trainerverträge also gar nicht ausschließlich im Verantwortungsbereich des Vorstandes, wie es Jansen formuliert? Klar ist: Der Vorgang aus dem Sommer kam bei Walter nicht gut an.

HSV-Aufsichtsratschef Marcell Jansen ist offen für eine neue Vorstandsstruktur. Die Verträge für Boldt und Huwer hat er nicht ausgehandelt.
HSV-Aufsichtsratschef Marcell Jansen ist offen für eine neue Vorstandsstruktur. Die Verträge für Boldt und Huwer hat er nicht ausgehandelt. © Witters

Der HSV-Coach sieht sich nun in einer komfortablen Situation, da er seinen Kontrakt neu verhandeln kann. Und dennoch dürfte auch seine Verlängerung in den kommenden Wochen vollzogen werden. Zumal sich Boldt und Walter weiterhin über eine Zusammenarbeit einig sind.

HSV: Boldt und Walter-Verträge wichtig für Transfers

Die geplanten Verlängerungen mit Trainer und Sportvorstand verschaffen dem HSV zudem eine bessere Position auf dem Transfermarkt. Spielerverpflichtungen für die kommende Saison werden bereits seit Wochen vorbereitet. Zuletzt geriet so manche Verhandlung ins Stocken, da die umworbenen Profis keine Klarheit erhielten, wer denn über den Sommer hinaus die Verantwortung im sportlichen Bereich tragen wird. Da der HSV nun die Weichen für die Zukunft stellt, können die Gespräche mit potenziellen Neuzugängen wieder intensiviert werden.

In der anstehenden Winter-Transferperiode dürfte sich der Kader dagegen kaum verändern. Gerüchte, Boldt wisse noch gar nicht, welches Budget er zum Beispiel für einen Ersatz für den mutmaßlich länger wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic ausgeben dürfe, dementiert der Aufsichtsrat und verweist stattdessen darauf, dass der Vorstand zunächst einen Vorschlag machen müsse, wie viel Geld für einen Neuzugang freigegeben werden soll. Dieser Schritt, über den dann diskutiert würde, sei noch nicht erfolgt.

Grundsätzlich soll es in dem Kontrollgremium eine allgemeine Bereitschaft geben, sich im Winter punktuell zu verstärken – sofern sich die Kosten in Grenzen halten. Auch diese Nachricht dürfte Boldt und Huwer erfreuen.