Hamburg. Bundespolizist und „Opfer“ identifiziert. Mann bei Polizeieinsatz schwer verletzt. Göttlich nimmt Verhalten der Polizei nicht hin.
Der HSV muss erneut eine bittere Niederlage in einem Stadtderby verarbeiten. Das 0:3 (0:0) beim FC St. Pauli von Freitagabend bedeutet sogar die höchste Pleite in der 108. Auflage des ewig jungen Duells – zumindest unter Profi-Bedingungen. Umstritten ist der Polizeieinsatz während des Derbys.
Abendblatt.de hält Sie über das Geschehen rund um das Derby auf dem Laufenden.
- Göttlich: Verhalten der Polizei ist nicht hinnehmbar
- Innensenator Grote äußert Zweifel an Polizei-Härte
- Mann bei Polizeieinsatz schwer verletzt
- Nach Rot: Sperre für HSV-Kapitän Schonlau steht fest
- Polizeigewalt? St.-Pauli-Fan war öfter aufgefallen
- HSV-Supporters-Chef über St.-Pauli-Reaktion: „Blanker Hohn“
- St. Pauli kritisiert Polizei und verurteilt HSV-Fanverhalten
- Polizeigewalt? Strafverfahren eingeleitet
- HSV-Supporters beschreiben Einlass-Chaos
- HSV-Profis nach dem Spiel von Ultras ignoriert
- Walter meckert wegen Roter Karte und Elfmeterszene
Göttlich: Verhalten der Polizei nicht hinnehmbar
Nachdem der FC St. Pauli bereits eine umfangreiche Aufklärung des für Diskussionen sorgenden Polizeieinsatz gefordert hat, hat sich nun auch Präsident Oke Göttlich entsetzt und schockiert über die Vorfälle geäußert und Konsequenzen gefordert. Der 46-Jährige verwies insbesondere auf das direkte Umfeld des Stadions als einen Schutzraum für Fans.
Das Vorgehen der Polizei sei nicht hinnehmbar. „Ich wünsche allen Verletzten im Namen des FC St. Pauli eine schnelle Genesung. Außerdem stehen wir als Verein im engen Austausch mit dem Fanladen, der derzeit Gedächtnisprotokolle sammelt und am Donnerstag zu einer Veranstaltung für Betroffene einlädt.“
Derby: Innensenator Grote äußert Zweifel an Polizei-Härte
Drei Tage nach dem massiven Polizeieinsatz gegen Fans des FC St. Pauli vor dem Derby gegen den HSV hat Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote Zweifel an der Verhältnismäßigkeit angemeldet.
„Ich kann gut verstehen, dass viele von den Bildern in dieser Videosequenz schockiert sind. Grundsätzlich sind solche Situationen, in denen rivalisierende gewaltsuchende Fußballanhänger aufeinandertreffen, sehr herausfordernde Einsätze, bei denen ein entschlossenes polizeiliches Einschreiten häufig erforderlich ist, um Schlimmeres zu verhindern“, sagte der SPD-Politiker.
Gewalt gegen St.-Pauli-Fan: Bundespolizist ist identifiziert
Allerdings müsse jede polizeiliche Gewaltanwendung im Einzelfall immer erforderlich und verhältnismäßig sein. „Das erscheint in diesem Fall zumindest zweifelhaft“, sagte Grote. „Deshalb ist es wichtig, dass der Vorfall jetzt strafrechtlich umfassend aufgeklärt wird.“
Ein Bundespolizist hatte einen 57 Jahre alten Italiener vor dem Millerntor-Stadion zu Boden gebracht, mit dem Knie fixiert und dann mit Faust- und Ellbogenschlägen traktiert. Der betreffende Beamte sei inzwischen durch die Bundespolizei identifiziert worden. Das Dezernat Interne Ermittlungen der Innenbehörde untersucht den Fall.
Derby St. Pauli – HSV: Mann bei Polizeieinsatz schwer verletzt
Beim Polizeieinsatz vor dem Derby am Freitag ist ein Mann schwer verletzt worden. Der 60-Jährige sei an der Günter-Peine-Twiete vor der Haupttribüne des Millerntor-Stadions gestürzt, als Einsatzkräfte verhindern wollten, dass mutmaßliche St.-Pauli-Anhänger auf den HSV-Fanmarsch treffen, teilte die Polizei Hamburg am Montag mit.
Bei dem Sturz habe er sich so schwer im Bereich Hüfte/Bein verletzt, dass er stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Vorfall werde vom Dezernat Interne Ermittlungen geprüft. Die Abteilung der Innenbehörde untersuche weiterhin auch das massive Vorgehen von Bundespolizisten gegen St.-Pauli-Fans.
Nach Polizeiangaben seien gegen 16 Uhr etwa 250 Anhänger des Kiezclubs über das Heiligengeistfeld in Richtung des HSV-Fanmarschs auf der Glacischaussee gerannt. Viele von ihnen seien mit roten über Mund und Nase gezogenen Schals vermummt gewesen.
Da die Gefahr einer körperlichen Auseinandersetzung bestanden habe, sei die Polizei eingeschritten. Dabei seien mehrere Personen in Gewahrsam genommen worden. Bei der Festsetzung eines 57 Jahre alten Italieners war es zu massiver Gewaltanwendung gekommen.
Nach Roter Karte: Sperre für HSV-Kapitän Schonlau steht fest
Der HSV muss in den kommenden beiden Ligaspielen am Sonntag gegen den 1. FC Magdeburg und am 30. Oktober beim SC Paderborn jeweils auf Kapitän Sebastian Schonlau verzichten. Diese Sperre legte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes fest. Der HSV hat dem Urteil zugestimmt, das damit rechtskräftig ist.
Schonlau hatte im Derby beim FC St. Pauli am Freitag nach einer Notbremse gegen Etienne Amenyido bereits in der 28. Minute die Rote Karte gesehen. Zu zehnt war der HSV am Ende chancenlos und verlor 0:3.
Im DFB-Pokal-Spiel am Dienstag bei Titelverteidiger RB Leipzig (18 Uhr/Sky, Liveticker bei Abendblatt.de) wäre Schonlau spielberechtigt. Trainer Tim Walter hatte seinen Einsatz aber offen gelassen und Ersatzmann Jonas David eine Startelfgarantie gegeben.
Polizeigewalt bei Derby: St.-Pauli-Fan war öfter aufgefallen
Der St.-Pauli-Fan, der am Freitag vor dem Hamburger Derby gegen den HSV offenbar Opfer von Polizeigewalt geworden ist, war nach Abendblatt-Informationen zuvor selbst durch politisch motivierte Gewalttaten aufgefallen. Es handelt sich um einen 57 Jahre alten Italiener, der keinen Wohnsitz in Deutschland hat.
Der Mann soll unter anderem an den Protesten gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt im März 2015 beteiligt gewesen sein. Dabei war es zu schweren Ausschreitungen gekommen, mindestens 150 Menschen wurden verletzt. Als die Polizei den Mann am Freitag vor dem Millerntor-Stadion in Gewahrsam nahm, soll er Drogen bei sich gehabt haben. Ob er selbst berauscht war, ist unbekannt, da ihm keine Blutprobe entnommen wurde.
HSV-Supporters-Chef über St.-Pauli-Reaktion: „Blanker Hohn“
Sven Freese, Abteilungsleiter des HSV Supporters Club, hat mit Unverständnis auf die Stellungnahme des FC St. Pauli zu den Vorkommnissen vor der Nordtribüne des Millerntor-Stadions beim Derby reagiert. Anstatt sich der Kritik anzunehmen, führe der Kiezclub Dinge auf, die nichts „mit der unhaltbaren baulichen Situation“ zu tun hätten, schreibt Freese auf seinem privaten Twittter-Account.
HSV-Fans hatten von unhaltbaren Zuständen und einer drohenden Massenpanik berichtet und den späten Einlass ins Stadion beklagt. St. Pauli hatte die Sicherheitsmaßnahmen am Sonntag in einer Erklärung gerechtfertigt.
„Der Satz ‚Tatsächlich kann es vor Stadien bei einem großen Andrang und extra Polizeikräften eng werden‘ wirkt wie blanker Hohn. Soll das eine Entschuldigung für junge Zuschauer*innen sein, die am Freitagabend Panikattacken hatten?“, schreibt Freese. Er hoffe, St. Pauli nehme die Kritik ernst und verbessere die Situation. „Sonst ist es eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert.“
Er selbst nehme sich die Kritik St. Paulis zu Herzen: „Sexismus ist scheiiße, und das, was bei uns schiefläuft, gehen wir an.“ HSV-Fans hatten beim Derby ein Transparent mit der Aufschrift „Anti 1910 Fotzen St. Pauli“ hochgehalten.
St. Pauli kritisiert Polizei und verurteilt HSV-Fanverhalten
Der FC St. Pauli hat die Polizei nach dem massiven Einsatz gegen Fans vor dem Stadtderby gegen den HSV am vergangenen Freitag kritisiert. Bei der Ingewahrsamnahme seien Personen geschlagen worden, wie auf Videos zu sehen sei. Die Polizei habe dem Verein mitgeteilt zu prüfen, ob der Einsatz verhältnismäßig war. „Unabhängig davon stellt sich die Frage, wie es verhältnismäßig sein kann, auf den Kopf von einer am Boden liegenden Person zu schlagen“, hieß es in der Stellungnahme. Der Verein stehe im Austausch mit dem Fanprojekt, um weitere Informationen zu den Vorfällen zu sammeln und diese dann zu bewerten.
In dem gleichen Schreiben wehrt sich der Kiezclub gegen den Vorwurf der HSV Supporters, die Situation am Gästeeingang des Millerntor-Stadions sei aufgrund der Enge gefährlich gewesen (siehe diesen Eintrag). Dass dort eine Pufferzone mit vier Schleusen eingerichtet wurde, sei bereits am Dienstag im Beisein von HSV-Vertretern bei einem Sicherheitsgespräch besprochen worden, ebenso die Öffnung des Stadions um 17 Uhr.
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Dennoch seien HSV-Fans früher eingelassen worden, damit sie die Choreografie vorbereiten konnten. „Verzögerungen beim Einlass hatten vor allem damit zu tun, dass die Polizei noch weitere Kräfte in dem Bereich einsetzen wollte. Kurz vor dem Spiel gab es ein direktes ‚Kurvengespräch‘ des FC St. Pauli mit HSV-Vertretern, um die Situation am Einlass zu besprechen und offene Fragen zu klären“, hieß es weiter.
Ausdrücklich verurteilte der FC St. Pauli „das Verhalten von einigen HSV-Fans, die eine Toilettenanlage im Gästebereich massiv beschädigt haben. Auch sexistische Banner, wie im HSV-Block zu sehen, haben in keiner Kurve etwas zu suchen“. Gästefans hatten ein Transparent mit der Aufschrift „Anti 1910 Fotzen St. Pauli“ hochgehalten.
Tormaschine Paderborn – HSV nur noch auf Relegationsplatz
Nach Darmstadt 98 ist auch der SC Paderborn in der 2. Bundesliga am bisherigen Tabellenführer HSV vorbeigezogen. Einen Tag nach dem Sprung der Darmstädter auf Platz eins durch das 2:1 beim Karlsruher SC verbesserten sich die Paderborner am Sonntag durch das 3:0 (1:0) gegen den SV Sandhausen auf Platz zwei.
Tabellenspitze 2. Bundesliga
1. Darmstadt 98 12 / 22:12 / 27
2. SC Paderborn 12 / 32:12 / 25
3. HSV 12 / 17:10 / 25
4. Heidenheim 12 / 17:11 / 20
5. Hannover 96 12 / 21:16 / 20
6. Holstein Kiel 12 / 23:23 / 19
7. Düsseldorf 12 / 20:15 / 17
8. Karlsruher SC 12 / 21:17 / 17
…
12. FC St. Pauli 12 / 18:17 / 14
Gegen den SV Sandhausen bestätigten die Paderborner ihren Ruf als Tormaschine (32 Treffer). Marvin Pieringer (10. Minute) mit seinem siebten Saisontreffer, Robert Leipertz (47.) und Jannis Heuer (54.) sorgten für den deutlichen Erfolg.
Der 1. FC Heidenheim verpasste es durch eine 1:3-Niederlage bei Holstein Kiel, zum Führungstrio aufzuschließen. Nach der Führung durch Denis Thomalla (31.) ging bei den Gästen nicht mehr viel. Steven Skrzybski (45./51.) und Kwasi Okyere Wriedt (66.) drehten die Partie für die Kieler, die dadurch Anschluss an die oberen Plätze gefunden haben.
Skrzybski verdrängte in der Torjägerliste der 2. Bundesliga mit acht Treffern den bisher führenden HSV-Stürmer Robert Glatzel (sieben) von Platz eins. Jahn Regensburg siegte in Kaiserslautern dank der Tore von Andreas Albers (8./57.) und Prince Osei Owusu (85.) mit 3:0.
Polizeigewalt gegen St.-Pauli-Fans? Strafverfahren eingeleitet
Nach dem mutmaßlichen Fall von Polizeigewalt beim Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV hat das Dezernat Interne Ermittlungen der Hamburger Innenbehörde ein Strafverfahren eingeleitet. Zuvor sei bei den Ermittlungsbehörden die Anzeige einer Privatperson eingegangen, sagte Thilo Marxsen, Sprecher der Polizei Hamburg, dem Abendblatt.
Mutmaßliche St.-Pauli-Fans hätten vor dem Spiel versucht, am Heiligengeistfeld auf einen Marsch von HSV-Fans einzuwirken. Dies sei von Polizeikräften verhindert worden.
Dabei sei es auch zur Anwendung von sogenanntem unmittelbarem Zwang gekommen. Inwieweit die Maßnahmen verhältnis- und rechtmäßig waren, werde weiterhin geprüft.
Auf einem Video ist zu sehen, wie Beamte der Bundespolizei Fans fixieren und sie dann, obwohl offenbar wehrlos und unbewaffnet am Boden liegend, mit Faust- und Ellbogenschlägen traktieren.
„Diese Videos sehen nie schön aus“, hatte Polizeisprecherin Sandra Levgrün am Freitagabend gesagt. „Aber das macht kein Kollege aus Spaß.“ Der FC St. Pauli hatte Aufklärung gefordert.
Einlass-Chaos bei Derby: Drohte Massenpanik?
Wie bereits der FC St. Pauli fordert auch der Supporters Club des HSV eine „unabhängige, zeitnahe und vollständige Aufklärung“ des Polizeieinsatzes beim Derby. In einer am Sonnabendnachmittag über die sozialen Netzwerke verbreiteten Stellungnahme kritisierte der Fan-Dachverband außerdem den Einlass im Gästebereich des Millerntorstadions. „Die Zustände am Freitag waren besonders schlimm und hätten schnell noch deutlich schlimmer enden können“, schrieben die Supporters.
Die HSV-Fans hätten „eingepfercht von Polizei und Zäunen“ und ohne Zugang zu den Sanitäranlagen auf Einlass warten müssen. „Warum das Stadion erst 90 Minuten vor Anpfiff öffnete, ist uns nicht klar“, heißt es in der Mitteilung. „Eine frühere Öffnung des Stadions hätte sicherlich für Entzerrung und Entspannung gesorgt.“
Schließlich hätten „mehrere Tausend Anhängerinnen und Anhänger durch ein Tor von rund drei Metern Breite“ gehen müssen. Aus Sicht der Supporters hätte lediglich dank der „Besonnenheit“ der Fans und deren Betreuer eine Massenpanik verhindert werden können. „Die Konsequenzen wären dramatisch gewesen“, heißt es in dem Schreiben.
Weiterer Kritikpunkt der Supporters: Nach Problemen mit dem Scannen von selbst ausgedruckten Tickets sei am Eingang höchst unterschiedlich verfahren worden. Einige der betroffenen Fans hätten „unter dem versperrten Drehkreuz hindurchkrabbeln“ können, andere seien in den Heimbereich verwiesen worden. Wiederum anderen wurde empfohlen, die Karten erneut einlesen zu lassen.
„Das führte dazu, dass der Scanner das Ticket verweigerte, weil es ja schon einmal eingescannt wurde“, schreiben die Supporters. „Diesen Fans wurde der Einlass trotz gültiger Tickets verboten, sie mussten ihre Personalien bei der Polizei abgeben und erhalten laut Aussage der Polizei eine Anzeige wegen versuchten Betrugs.“
Nach Polizeiangaben von Freitagabend waren rund 2800 Teilnehmer des HSV-Fanmarschs gegen 16.30 Uhr „im Nahbereich des Gästeeingangs“ eingetroffen. Zuvor waren vermummte Anhänger des FC St. Pauli von der Polizei an einem Sturm des Fanmarschs gehindert worden. Internetvideos zeigen Bilder von Gewaltanwendung seitens einiger Kräfte der Bundespolizei.
Über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes wird seither breit diskutiert, der FC St. Pauli und die Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei forderten bereits eine umfangreiche Aufarbeitung der Vorkommnisse.
Der Supporters Club nimmt nun wiederum auch den FC St. Pauli wegen „inakzeptabler Zustände“ in die Pflicht. „Wir sollten nicht warten, bis Schlimmeres passiert, sondern jetzt handeln“, so die Fan-Organisation, die nun das Gespräch mit allen Beteiligten suchen möchte.
Pokal: Leipzig-Profi ist froh über Heimspiel
Nach der Derby-Niederlage ist vor dem DFB-Pokal. Dort ist der HSV am kommenden Dienstag (18 Uhr, Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) in der 2. Runde als klarer Underdog beim Titelverteidiger RB Leipzig zu Gast. Dessen Linksverteidiger David Raum stellt sich schon einmal auf ein „unangenehmes und offensivstarkes“ Team mit „individuell sehr guten Spielern“ ein. „Mit Hamburg kommt eine Mannschaft, die ich aus der 2. Bundesliga sehr gut kenne“, sagte der Nationalspieler in einem Interview auf dfb.de.
„Der HSV möchte selbst wieder in die Bundesliga aufsteigen, auch deshalb wird er ein unangenehmer Gegner sein“, sagte Raum. „Ich bin daher froh, dass wir zu Hause vor unserem eigenen Publikum spielen dürfen. Mit Sicherheit werden wir super auf den HSV vorbereitet. Wir wollen auf jeden Fall in die nächste Runde kommen und natürlich auch versuchen, unseren Titel zu verteidigen.“ Gewarnt vor der „spielerisch starken Mannschaft“ ist Raum dennoch. „Sie werden uns auf jeden Fall alles abverlangen“, so der 24-Jährige über den HSV.
Ex-HSVer Pfeiffer zieht mit Darmstadt vorbei
Das stand zu befürchten: Der HSV ist die Tabellenführung losgeworden. Einen Tag nach der eigenen Niederlage im Stadtderby schob sich Darmstadt 98 durch einen 2:1-Sieg beim Karlsruher SC an den Hamburgern vorbei auf Platz eins.
Wesentlichen Anteil am Darmstädter Auswärtserfolg hatte ausgerechnet eine ehemaliger HSV-Profi: Patric Pfeiffer brachte die „Lilien“ mit seinem Ausgleichtreffer per Kopf (49.) nach dem Rückstand durch Fabian Schleusener (19.) zurück ins Spiel, ehe Philipp Tietz in der 88. Minute der späte Siegtreffer gelang.
Damit hat Darmstadt (27) nun sogar zwei Punkte Vorsprung auf den HSV (25), der am Sonntag auch noch vom SC Paderborn (22) überholt werden kann. Bei einem Sieg gegen Sandhausen wären die Ostwestfalen punktgleich mit dem HSV, hätten aber das deutlich bessere Torverhältnis.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
HSV-Profis nach dem Spiel von Ultras ignoriert
In jüngerer Vergangenheit wurde Tim Walter nicht müde, die seinem Empfinden nach „großartige“ Unterstützung der eigenen Fans hervorzuheben. Doch ganz so bedingungslos scheint die Hingabe aktuell nicht mehr zu sein, zumindest bei Teilen des Anhangs. Denn die 0:3-Klatsche auf beim FC St. Pauli quittierten die Ultras des HSV mit spontanem Liebesentzug.
Wie ein weiblicher Fan bei Twitter als Augenzeugin im Stehplatzbereich berichtet, sollen die Vorsänger (Capos) nach dem Spiel angesagt haben, die Mannschaft beim Gang vor den Gästeblock zu ignorieren.
Diejenigen, die den geschlagenen HSV-Profis dennoch applaudierten, seien entsprechend angegangen worden. „Ich wurde sogar von einem 'Fan' neben mir angeschrien, wie ich es wagen könnte zu klatschen, die Mannschaft müsse spüren, wie scheiße sie war“, schrieb „@muffiiin99“, die mit ihrem Tweet eine kontroverse Diskussion über das richtige Verhalten anstieß.
Für Trainer Walter schien die Frage schnell beantwortet, mit verbitterter Miene drehte er ab, nachdem er zuvor noch versucht hatte, den Block zum gegenseitigen Austausch von Nettigkeiten zu animieren. Immerhin: Aufgefordert, die Trikots auszuziehen – wie es enttäuschte Fans von Hertha BSC in der vergangenen Saison nach einem verlorenen Stadtderby gegen Union Berlin von "ihren“ Spielern verlangten –, wurden die HSV-Profis nicht.
Jonas Meffert brachte letztlich Verständnis für den Missmut der Fans auf. „Vollkommen zu Recht waren sie richtig sauer auf uns und enttäuscht. Das sind ja genau die Emotionen, die ich auch fühle“, sagte der Mittelfeldspieler. „Ich bin brutal enttäuscht. Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Die Niederlage tut richtig weh. Man hat einfach überhaupt keinen Bock darauf, gegen einen Stadtrivalen zu verlieren.“
Generell würde der eigene Anhang hinter dem Team stehen, so Meffert: „Aber es ist klar, dass sie heute sehr, sehr enttäuscht von uns sind. Jetzt müssen wir in den anderen Spielen versuchen, das wieder zurückzuerobern.“
Wenn es nach Tim Walter geht, soll allerspätestens im Rückspiel im April die Symbiose zwischen Mannschaft und Fans wiederhergestellt sein. „Man ist nie gerne in der Stadt derjenige, der so ein Derby verliert“, sagte der HSV-Trainer: "Aber St. Pauli kommt ja auch mal wieder zum HSV.“
FC St. Pauli – HSV 3:0 (0:0)
Walter wollte Elfmeter und Gelb-Rote Karte
Für die meisten Beobachter bedeutete die Rote Karte für Sebastian Schonlau nach einer knappen halben Stunde der Knackpunkt des Spiels, auch der hinausgestellte HSV-Kapitän sah darin die „Schlüsselszene“. Gleichwohl anerkannte Schonlau die Entscheidung von Schiedsrichter Deniz Aytekin, die Berührung im Duell mit Etienne Amenyido als Notbremse zu werten.
„Das ist für mich sehr wenig“, befand dagegen Torhüter Daniel Heuer Fernandes. „Ich weiß nicht, ob man da unbedingt eine Rote Karte geben muss in so einem Spiel“. Der Platzverweis habe das Spiel „natürlich“ verändert, so der Schlussmann.
„Kann man geben“, sagte wiederum Tim Walter – um dann allerdings einen Vergleich zu ziehen zu einem Aufreger in der zweiten Halbzeit: In der 55. Minute forderte der HSV Elfmeter, nachdem Ransford Königsdörffer im Zweikampf mit Jakov Medic zu Fall kam.
„Wenn man hier eine Rote Karte gibt, muss man hier wahrscheinlich auch anders reagieren“, sagte Walter im Quervergleich der beiden Szenen. „Wenn man das von hinten sieht, ist das das Gleiche, er hat den Arm dran und schiebt ihn weg“, sagte er zur Aktion von Medic gegen Königsdörffer.
„Wenn wir da eine Rote Karte geben, dann reden wir hier über einen Elfmeter und Gelb-Rot für den Spieler, der das Foul begeht. Denn der hatte schon eine Gelbe Karte.“
Ob der HSV demnach von Aytekin also benachteiligt wurde, wollte die Sky-Reporterin wissen. „Nein“, antwortete Walter. „Wir haben uns das schon selber zuzuschreiben, dass wir in der ersten Halbzeit in Unterzahl spielen.“
HSV kassiert höchste Pleite seit 62 Jahren
Das 0:3 ist für den HSV die höchste Niederlage gegen St. Pauli seit mehr als 62 Jahren. Letztmals verloren die Rothosen am 14. Februar 1960 mit drei Toren Differenz gegen die Braun-Weißen – damals setzte es in der Oberliga Nord ein 1:4 am Millerntor.
Seit Einführung des Profi-Fußballs hatte der HSV gegen den Stadtrivalen überhaupt noch nicht so hoch verloren. Gleichzeitig bedeutet die empfindliche Pleite die erste Niederlage nach zuvor sechs ungeschlagenen Pflichtspielen und acht Auswärtssiegen in Folge. Dieser Liga-Rekord kann also vorerst nicht weiter ausgebaut werden.
Gipfel des Statistik-Horrors: Zum vierten Mal nacheinander verlor der große HSV das Gastspiel beim Underdog vom Kiez – Wiederholung unerwünscht. „Das macht keinen Spaß, hier zu verlieren“, stellte HSV-Mittelfeldspieler Jonas Meffert genervt fest. „Im wichtigsten Spiel gewinnen wir nicht - da ist man einfach nur enttäuscht.“