Hamburg. Trotz des Rückschlags gegen Kaiserslautern geht der HSV selbstbewusst in die Derby-Woche. Welche Rolle die Reeperbahn spielt.
Auf der Reeperbahn in der Nacht zum Sonntag um halb eins gab es nicht nur rotes Licht, sondern auch viele Menschen in Rot. Die Fans des 1. FC Kaiserslautern vergnügten sich nach dem 1:1 (1:0) beim HSV auf dem Kiez und feierten einen Punkt. Den hatte sich nicht nur die Mannschaft des Aufsteigers verdient, sondern auch die Anhänger der Roten Teufel, die am späten Sonnabend in das Volksparkstadion nach Hamburg gekommen waren.
Unter den 57.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena sorgten die rund 8000 Gästefans für mächtig Stimmung, die noch minutenlang durch den Volkspark hallte, als die meisten HSV-Profis schon enttäuscht in der Kabine saßen. „Wir haben zu einem großartigen Fußballabend einiges beigetragen“, sagte FCK-Trainer Dirk Schuster. Auf St. Pauli ging die Party der Fans dann später weiter.
Feiert auch der HSV auf St. Pauli?
Dort will auch der HSV am kommenden Freitag wieder feiern. Obwohl gegen Kaiserslautern die Serie von fünf Siegen hintereinander riss, glaubt beim HSV niemand, dass die Enttäuschung nachhaltige Folgen haben könnte. „Das wirft uns nicht zurück. Das Derby ist wieder ein ganz anderes Spiel“, sagte HSV-Stürmer Robert Glatzel, der seinen aktuellen Club gegen seinen ehemaligen Club Kaiserslautern in der ersten Halbzeit mit Unterstützung von FCK-Keeper Andreas Luthe in Führung geschossen hatte (24.).
Ein Spielstand, der einem Tabellenführer in einem Heimspiel gegen einen Aufsteiger eigentlich als Fundament für einen Sieg reichen sollte. Doch ähnlich wie in der Hinserie der vergangenen Saison, als der HSV trotz einer Führung gleich mehrfach den Heimsieg aus der Hand gab, reichte es auch am Sonnabend am Ende nur zu einem 1:1.
Doch nicht nur das Ende der Saison soll in diesem Jahr anders laufen, sondern auch das Endergebnis des Stadtderbys. In der vergangenen Spielzeit hatte der HSV beim FC St. Pauli in der Hinrunde 2:3 verloren. Nun wollen die Rothosen erstmals seit 2019 wieder bei den Braun-Weißen gewinnen und anschließend die Reeperbahn in Schwarz-Weiß-Blau färben. „Wir haben nur ein Ziel und das ist der Derbysieg. Für die Fans da draußen wollen wir das erreichen. Wir werden das Ding ziehen“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau keine 15 Minuten nach dem Schlusspfiff gegen Kaiserslautern.
HSV: Kittels Elfmeter-Fehlschuss im Fokus
Schonlau kam beim entscheidenden 1:1 ebenso einen Schritt zu spät gegen Torschütze Lex Tyger Lobinger, so wie Moritz Heyer zuvor gegen Vorlagengeber Redondo (82.). Dass der HSV das Spiel nicht schon vorher entschieden hatte, lag vor allem an einer Szene nur eine Minute zuvor.
Nach einem klaren Foul von Julian Niehues an Ludovit Reis, das Schiedsrichter Robert Hartmann erst in der Videoüberprüfung erkannte, stritten sich Sonny Kittel, Laszlo Bénes und Glatzel um die Ausführung des Strafstoßes. Kittel (im DFB-Pokal gegen Karlsruhe) und Glatzel (gegen Paderborn) hatten die bislang letzten Elfmeter in der vergangenen Saison beide verschossen.
Trotzdem setzte sich Kittel (29) gegen seine beiden jüngeren Kollegen durch – und verschoss erneut (81.). Luthe ahnte die Ecke und parierte den halb hoch nach halb rechts platzierten Versuch. Vorwürfe machte Kittel aber niemand. „Sonny hat Verantwortung übernommen“, sagte Schonlau, der dann selbst mittendrin war, als der FCK im direkten Gegenzug mit seinem zwölften Torschuss zum Ausgleich traf. Torwart Matheo Raab, der gegen seinen Ex-Club kurzfristig den erkrankten Stammtorwart Daniel Heuer Fernandes vertrat, blieb diesmal ohne Abwehrchance.
Dompé als Derby-Trumpf für den HSV?
Beim Stadtderby am Freitag wird Heuer Fernandes aber ebenso wieder spielen können wie der Franzose Jean-Luc Dompé, der am Sonntag nach seinem Außenbandanriss erstmals wieder mit dem Team trainierte. Kittel droht dann die Bank. Sein Kumpel Tim Leibold wird das Spiel sogar komplett verpassen. Schon gegen den FCK fiel er mit einer Oberschenkelverletzung aus. Am Montag wird Leibold im UKE noch einmal genauer untersucht.
- HSV-Einzelkritik: Glatzel muss zittern – Schonlau fehlt Motor
- HSV-Profi gibt Liebeserklärung an Tim Walter im TV ab
HSV-Trainer Tim Walter muss am Freitag gegen St. Pauli wieder Lösungen finden, die er mit seinem Team gegen den FCK zu selten fand. Im Gegensatz zu seinem Kapitän war Walter am Sonnabend nach dem Spiel noch nicht im Stadtderby-Angriffsmodus.
„Ich bin heute maximal unzufrieden. Wir haben zu viele Fehler mit und gegen den Ball gemacht. Lautern hat das gut ausgenutzt“, sagte der 46-Jährige, der es verpasste, den Rekord von Branko Zebec aus dem Jahr 1979 mit sechs Ligasiegen in Folge einzustellen. Trotzdem geht der HSV als Tabellenführer in das Derby mit dem kriselnden FC St. Pauli, der auf Platz 14 zurückgefallen ist.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
HSV-Boss Jansen schließt Rücktritt aus
Auf seine angedachte Vertragsverlängerung muss Walter aber noch einige Wochen warten. Aufsichtsratschef Marcell Jansen kündigte am Sonntag in einem Interview mit der „Zeit“ an, die Gespräche auch mit Sportvorstand Jonas Boldt erst in der Winterpause aufzunehmen.
„Im Winter haben wir ausreichend Zeit, um uns inhaltlich mit den gesteckten Zielen und der beidseitigen Erwartungshaltung auseinanderzusetzen“, sagte Jansen, der nach der Causa Thomas Wüstefeld erneut persönliche Konsequenzen ausschloss: „Ganz klar nein, ich denke nicht an einen Rücktritt. Wenn ich zu Zeiten der wirtschaftlichen Stabilisierung, eines Rekordes von 90.000 Mitgliedern und sportlich guter Leistungen an Rücktritt denken würde, wäre irgendetwas verkehrt.“
Und so wird sich in dieser Woche beim HSV alles um das Stadtderby drehen. Die Fans sind in jedem Fall schon bereit für das Duell gegen den Stadtrivalen. Im Volksparkstadion wurden am Sonnabend Flyer verteilt für den Derbymarsch am Freitag (14.30 Uhr) vom Altonaer Balkon Richtung Reeperbahn. Dann ist es dort endgültig vorbei mit den roten Farben.